„Höhle der Löwen“Wirtschafts-Expertin verrät, was sie an der Vox-Show nervt

Unternehmerin Tijen Onaran. Onaran investiert Kebekus in das Start-up Nevernot, das unter anderem Softtampons verkauft.

Unternehmerin Tijen Onaran (hier im Januar 2021) ist eine der einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft.

Sie geht voran. Tijen Onaran setzt sich für Diversität ein – das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Im Interview spricht sie über böse Briefe, die Frauenquote und die Vox-Show „Die Höhle der Löwen“.

von Simon Küpper (sku)

Sie ist selbst ihr bestes Beispiel. Tijen Onaran (37) gehört zu den einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft, ist Business-Influencerin, Gründungsexpertin, Mentorin, Autorin – und jetzt auch Barbie-Modell.

Der Mattel-Konzern zeichnet damit Vorbilder aus allen Bereichen der Wirtschaft aus – Tijen ist eine von zwölf Frauen weltweit, denen nun diese Ehre zuteilwurde. Im Interview mit EXPRESS.de spricht sie über die Auszeichnung, Liebesbriefe, die keine sind und darüber, was sie an der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ nervt.

Glückwunsch zur eigenen Barbie – hat sie einen besonderen Platz bekommen?

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Tijen Onaran: Tatsächlich habe ich einen Kamin, auf dem ich, wie viele Menschen, Eindrücke sammle. Fotos, Auszeichnungen – die Barbie erinnert mich jeden Tag daran, dass das, was ich mache, einen Zweck hat. Ich finde diese Auszeichnung deshalb so toll, weil ich mit dem Thema Diversität in der Gesellschaft unterwegs bin. Und das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Ich erreiche in Talkshows auch Menschen, die Angst haben vor Diversität. Da bekomme ich schnell auch mal „Liebesbriefe“ – das ist die andere Seite der Medaille. Deshalb ist die Auszeichnung mit der Barbie als eines von zwölf Rolemodels auf der ganzen Welt eine wunderbare Ehrung. Es erinnert mich daran, wofür ich das mache: Für all die, die sich auch für Vielfalt engagieren und junge Mädchen mit Träumen.

Wer schickt denn diese „Liebesbriefe“ – die üblichen Internet-Stänkerer oder auch andere?

Tijen Onaran: Da sind durchaus auch bekanntere Geschäftsmänner dabei. Immer, wenn ich meine Filterblase verlasse, noch stärker in der Öffentlichkeit auftrete, passiert das. Das sind Männer in hohen Positionen in Unternehmen. Unangenehm wird es, wenn es rassistisch oder sexistisch wird. Das betrifft nicht den Großteil, aber es sind auch Leute von mittelständischen Unternehmern oder Weltmarktführern. Und das mitnichten nur noch in der Anonymität des Internets. Da sind es aber weniger Beschimpfungen, als dass sie sich angegriffen fühlen und sich dann verteidigen wollen.

Weil sie Angst davor haben, dass Frauen ihnen etwas wegnehmen?

Tijen Onaran: Da herrscht einfach Unverständnis für das Thema Vielfalt. Sie verstehen nicht, dass es sie als Individuum bereichert, besser macht. Wenn ich Vorträge halte und Studien zeige, erkennen sie das zwar, aber das kommt nicht im Herzen an. Sie sehen nicht den Mehrwert, sind nicht überzeugt. Sie haben Angst, dass man ihnen etwas wegnimmt, was sie sich erarbeitet haben. Das ist die Angst vor Status- und Machtverlust.

Wenn wir auf Deutschland schauen, wie viele der entscheidenden Menschen haben das Thema Vielfalt richtig verstanden?

Tijen Onaran: Verstanden knapp die Hälfte. Aber das heißt nicht, dass sie das auch wirklich umsetzen. Haltung heißt nicht Handlung. Ich erlebe dann ein Umdenken, wenn die Männer mit Macht- und Entscheidungsbefugnis ein Erlebnis in diese Richtung haben. Wenn ihnen die Tochter etwa sagt: „Auf der Website deiner Firma sehe ich nur Männer. Da würde ich nicht arbeiten.“

Stichwort „Frauenquote“: Die müssten sie doch abschaffen wollen?

Tijen Onaran: (grinst) Man kann sagen, dass ich jeden Tag daran arbeite. Sie ist eigentlich das Eingeständnis dafür, dass die deutsche Wirtschaft es nicht hinbekommen hat mit der Vielfalt. Wenn jedes Unternehmen sich die Ziele selbst gesetzt hätte, bräuchte es das Eingreifen der Politik nicht.

Sie wollen Frauen dabei helfen, ihre Träume zu verwirklichen – welcher Ihrer Träume ist bislang unerfüllt und hat das ausgelöst?

Tijen Onaran: Es ist nicht wirklich ein unerfüllter Traum, aber etwas, das mir gefehlt hat. Ich war lange Zeit in der Politik und habe erlebt, wie es ist, immer die einzige am Tisch zu sein. Am Anfang ist das vielleicht ganz nett und man denkt, man ist etwas Besonderes. Aber irgendwann nervt es dich. Du hast keine Verbündeten. Mir haben immer Vorbilder in meinem Umfeld gefehlt, ich habe mich mehr wie ein Alien gefühlt. Das möchte ich anderen mitgeben, dass sie sich nicht so fühlen müssen. Weil es viele gibt, die einen ähnlichen Weg gehen. Ich habe mich ohne Vorbild in jungen Jahren natürlich auch zurückgezogen, war unsicher. Deshalb habe ich zum Beispiel damals nicht für die FDP für den Bundestag kandidiert. Wenn ich solchen Momenten der Unsicherheit Vorbilder, Unterstützer, Mentoren da sind, fühlst du dich bestärkt, weiterzumachen.

Sie beraten auch Gründerinnen und Gründer – würden sie diesen empfehlen, in die Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ zu gehen?

Tijen Onaran: Ich investiere ja selber auch in Start-ups und würde gerne selber mal dort sitzen. Dann wäre das Thema Diversität ein Investmentgrund. Ich würde nicht in Teams investieren, die nur von Männern gegründet wurden. Das mache ich im übrigen auch so nicht. Was die Show aber bringt, ist maximale Aufmerksamkeit. Die Frage für die Gründerinnen und Gründer ist: Bin ich bereit, den Preis der Aufmerksamkeit zu zahlen. Denn ich kann nie sicher sein, dass die Geschichte, die in der Show erzählt wird, auch wirklich meine ist. DHDL hat eine tolle Möglichkeit geschaffen, das Thema Gründen ins Fernsehen zu bringen. Aber ich finde, dass das Format eine neue Erzählung braucht. Also: Die Show-Leute sollen mich anrufen (grinst).

Wie sollte die Show besser aussehen?

Tijen Onaran: Mehr Vielfalt und die Geschichten der Gründerinnen und Gründer sollten mehr im Vordergrund stehen. Und man sollte zeigen, dass Gründen heute vielfältiger denn je ist. Nicht immer nur Apps, das kann ja auch ein Kiosk sein. Auch die Beziehung zwischen Gründerin oder Gründer und Investorin oder Investor sollte mehr dargestellt werden. Wie sieht das genau aus? Öffnet die Investoren-Seite ihr Netzwerk? Das wäre spannend, wie in einer Soap zu sehen, wie sich das entwickelt. Es ist halt ein Unterhaltungsformat – nicht mehr und nicht weniger. Das entspricht häufig nicht der Realität.

Was sind Ihre drei wichtigsten Tipps für Gründerinnen und Gründer?

Tijen Onaran:  

1.       Investiere in ein starkes Netzwerk, bevor du es brauchst.

2.       Erzähle deine Geschichte, bevor es andere tun.

3.       Halte dich fern von toxischen Menschen!

Noch einmal zurück zur Barbie: Eigentlich müssten sie diese doch – zumindest früher – gar nicht gemocht haben. Schließlich verkörpert sie das Schönheitsideal. Eine Frau, die nur gut aussehen muss, einen „Ken“ braucht, am liebsten nichts tut, außer gut auszusehen.

Tijen Onaran: Was mir aber besonders gefällt, ist, dass Mattel es geschafft hat, die Barbie total zu reformieren. Man sieht, dass die Diversität auch in den Produkten ankommt. Es gibt eine Barbie im Rollstuhl, große, kleine, verschiedene Hautfarben. Und: Damit hat das Unternehmen auch den Gewinn noch gesteigert. Sie haben ihre eigenen Klischees hinterfragt, das finde ich großartig. Und auch die zwölf ausgezeichneten Rolemodels zeigen eine wahnsinnige Vielfalt. Das ist toll.