„491 Tage“. So lautet der Titel des Buches von Eli Sharabi. So lange war der Israeli nach dem 7. Oktober in der Gewalt der Hamas. Warum er trotz seines Martyriums optimistisch in die Welt blickt, erzählte er am Mittwochabend bei „Markus Lanz“.
„Markus Lanz“Moderator entsetzt über Schilderungen

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„Wir mussten um alles betteln“, erklärt Eli Sharibi bei Markus Lanz von seiner Zeit als Hamas-Geisel.
Aktualisiert
Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen, ohne zu zerbrechen? Manchmal unfassbar viel, wie die Geschichte von Eli Sharabi zeigt.
Das Haus des heute 53-Jährigen im Kibbuz Beeri wurde am 7. Oktober 2023 von Hamas-Terroristen überfallen. Er wurde entführt und war 491 Tage in der Gewalt seiner Peiniger.
Über sein Martyrium hat Eli Sharabi nicht nur ein Buch mit dem Titel „491 Tage“ geschrieben.
Er hat davon auch in der Mittwochsausgabe von „Markus Lanz“ gesprochen. Mit dabei war auch die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf.

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„Ich habe immer eine Wahl, wie ich auf Sachen reagiere“, betont Eli Sharabi.
16 Monate in Ketten. Die meiste Zeit davon im unterirdischen Tunnelsystem der Hamas. „40 bis 50 Meter unter der Erde“ habe er sich befunden, so Sharabi.
Kein Tageslicht, stattdessen Würmer, Ratten, Kakerlaken. Angekettet an seine Mitgefangenen. Essen? Eine karge Mahlzeit am Tag. Mehr als 30 Kilogramm hat er in der Zeit verloren. Gewalt war an der Tagesordnung, schlimmer waren die Erniedrigungen, erzählt er seinem Gastgeber und der Journalistin.
„Für alles, was man braucht, mussten wir betteln“, nicht nur um Essen. Waschen? „Alle sechs Wochen mit einem halben Eimer kaltem Wasser.“
Während der Sohn eines Jemeniten und einer Marokkanerin dies erzählt, ist im Hintergrund eine glückliche Familie zu sehen. Seine Familie. Seine Frau Lianne, eine gebürtige Britin. Seine Töchter Noiya und Yahel, geboren 2007 bzw. 2010. Sie alle wurden ermordet, nachdem Sharabi aus dem gemeinsamen Haus verschleppt wurde. Seine Entführer ließen ihm derweil immer wieder im Glauben, seine Liebsten würden noch leben.
„Der schlimmste Überfall auf die Juden seit dem Holocaust“
Der Terroranschlag vor gut zwei Jahren hat das Land traumatisiert, weiß Kriegsberichterstatterin Katrin Eigendorf. Sie war auch schon in der Ukraine und in Afghanistan. Ihr Besuch des Kibbuz Beeri kurz nach dem 7. Oktober hat sie jedoch spürbar getroffen.
„Der ganze Kibbuz stank bestialisch nach Leichen“, erinnert sie sich bei Markus Lanz. Man müsse sich klarmachen: Dieser Tag „war der schlimmste Überfall auf die Juden seit dem Holocaust“.

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Die Situation im Kibbuz Beeri nach den Anschlägen erschütterte die Journalistin Katrin Eigendorf: „Der gesamte Kibbuz stank ganz bestialisch nach Leichen.“
Umso erstaunlicher der Lebensmut des Mannes, der fast alles verloren hat. Außer seiner Menschlichkeit. „Ich bin nicht zornig. Ich bin mit Glück gesegnet, so viele Jahre mit meiner Frau und meinen wunderbaren Töchtern gehabt zu haben“, sagt Eli Sharabi bei Markus Lanz.
Und fügt hinzu: „Ich bevorzuge es, weiterzugehen, optimistisch zu bleiben. Wut bringt mir meine Kinder Noiya und Yahel und meine Frau Lianne nicht zurück. Auch nicht meinen Bruder Yossi. Ich ziehe es vor, mich auf das zu konzentrieren, was mich optimistisch macht.“ Sein älterer Bruder, ebenfalls gefangen genommen, kam bei einem israelischen Luftangriff ums Leben.
Schon während der Geiselhaft zeigte Sharabi seine erstaunliche Resilienz. Stets habe er durch Nachfragen herausgefunden, welcher Tag gerade war. Er redete mit sich selbst, tauschte mit den anderen Gefangenen ganze Lebensgeschichten. Immer mit dem Ziel, Mensch zu bleiben. „Sie haben versucht, uns zu entzweien, indem sie nur einem von uns was zu essen gaben.“ Derjenige habe das Angebot stets freundlich abgelehnt. „Das waren für uns kleine Siege.“ Kleine Erfolge gegen das Verrücktwerden.
Eli Sharibi: „Ganz Israel hat für mich gekämpft“
Nicht einmal die furchtbare Erkenntnis, seine Frau und seine Kinder verloren zu haben, konnte ihn brechen. Er erfuhr es kurz nach seiner Freilassung. „Es war niederschmetternd. Aber ich kann nichts daran ändern“, sagt Eli Sharabi im Studio. Und lässt einen Satz folgen, der wie eine Aura über dem Abend schwebt: „Ich habe immer die Wahl, wie ich auf Sachen reagiere.“ Er habe nicht das Privileg, den ganzen Tag im Bett zu bleiben und zu heulen, „denn meine Familie, meine Freunde, ganz Israel hat für mich gekämpft.“
Diese Art des Zusammenhalts sei für das israelische Volk enorm wichtig, findet Katrin Eigendorf. Die Befreiung der Geiseln sei ein wichtiger Schritt zur kollektiven Heilung von dem Trauma des 7. Oktober. Dass in die Geisel-Situation Bewegung gekommen ist, sei übrigens auch US-Präsident Trump positiv anzurechnen, so die Journalistin. Mit seiner „bulligen, undiplomatischen Art, Politik zu machen“ stoße er in Westeuropa viele Menschen vor den Kopf. Im Nahen Osten spreche man indes eine andere Sprache. Mit der Mischung aus „Deal-Making“ und auf den Tisch hauen kämen die Menschen in dieser Region besser klar.
Dass Eli Sharabi in Israel, so Eigendorf, mittlerweile eine Art politischer Hoffnungsträger sei - das ging ihm jedoch einen Schritt zu weit. „Auf keinen Fall!“, sagte Sharabi auf die Frage von Markus Lanz, ob er sich ein politisches Amt vorstellen könne. „Wenn Sie mich mögen, dann wünschen sie mir das nicht“, ergänzte er mit einem leichten Schmunzeln. (tsch)
