Aufstieg und FallPrigoschin: Vom Häftling zum Söldner-Chef und Putins Erzfeind

Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt Jewgeni Prigoschin (l), russischer Unternehmer, der Wladimir Putin, Präsident von Russland, durch seine Fabrik, die Schulspeisungen herstellt, führt.

Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt Jewgeni Prigoschin (l), der Wladimir Putin im Jahr 2010 durch seine Fabrik, die Schulspeisungen herstellt, führt.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin galt jahrelang als Rivale von Wladimir Putin. Seit seinem Putsch-Versuch vor exakt zwei Monaten galt er als Putins Erzfeind. Nun deutet alles auf seinen Tod hin – ein Porträt des Söldner-Chefs.

Spätestens seitdem sich seine Wagner-Söldnergruppe am 23. Juni gegen den Kreml erhob und kurzzeitig in Richtung Moskau marschierte, wurde Jewgeni Prigoschin zum Erzfeind des Kreml-Chefs. Am Mittwoch (23. Septmeber) stand Prigoschins Name dann auf der Passagierliste eines Privatflugzeugs, das zwischen Moskau und St. Petersburg abstürzte und dessen zehn Insassen alle ums Leben gekommen sein sollen.

Nach Angaben von Prigoschins Telegram-Kanals Grey Zone vom Mittwoch ist der Söldner-Chef tot. Von offizieller Seite steht eine Bestätigung aus.

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Wagner-Marsch auf Moskau machte Prigoschin zu Putins Erzfeind

Zwei Monate zuvor hatte der Wagner-Marsch auf Moskau Russland und die Welt in Atem gehalten. Innerhalb weniger Stunden drang die Söldnergruppe zunächst in den Süden Russlands ein und rückte dann auf die Hauptstadt vor.

Kurzzeitig machten Gerüchte von einer Flucht Putins die Runde. Doch wenig später vollzog der unberechenbare Prigoschin eine Kehrtwende und zog seine Kämpfer wieder ab.

Putin sprach einen Tag nach dem Söldneraufstand von einem „Dolchstoß in den Rücken“ und warf Prigoschin vor, aus „übermäßigem Ehrgeiz“ sein Land verraten zu haben. Doch entkam der 62-jährige Milliardär mit dem kahlgeschorenen Kopf und den harten Gesichtszügen jeglicher Strafe.

Laut dem Kreml soll sich Prigoschin nach dem Aufstand ins Exil in Belarus begeben haben. Wo er sich seitdem aufhielt, blieb aber unklar. Bis auf vereinzelte Audiobotschaften in Wagner-nahen Onlinekanälen war nichts von ihm zu hören.

Aufstieg und Fall von Prigoschin: Vom Häftling zum Söldner-Chef

Öffentlich zeigte sich Prigoschin erst wieder diese Woche auf einem im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Video. Darin war er mit einem Sturmgewehr und Militärfahrzeugen in einer wüstenähnlichen Landschaft zu sehen. Wann und wo das Video aufgenommen wurde, konnte nicht unabhängig geklärt werden. In dem Video sagte Prigoschin, er sei in Afrika.

„Wir arbeiten! Die Temperatur liegt bei über 50 Grad, wie wir es lieben. Die Wagner-Gruppe führt eine Aufklärungs- und Suchmission aus, macht Russland noch größer auf jedem Kontinent - und Afrika noch freier“, sagte er.

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Der Aufstieg des ehemaligen Häftlings Prigoschin zu einem der bekanntesten Militärführer der Welt begann in den wilden 90er-Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Wegen Betrugs und Diebstahls saß Prigoschin, der wie Putin aus St. Petersburg stammt, am Ende der UdSSR neun Jahre im Gefängnis. Als er frei kam, gründete er einen Fast-Food-Laden.

Putins Koch: Russlands Präsident war Gast in Prigoschins Luxusrestaurant

Später gelang es ihm, in St. Petersburg ein Luxusrestaurant zu eröffnen, zu dessen Gästen damals auch Putin zählte. Nach dessen Aufstieg zum Staatschef belieferte Prigoschins Kette den Kreml, was ihm den Spitznamen „Putins Koch“ eintrug. Prigoschin gilt als Milliardär, der mit Staatsverträgen ein Vermögen anhäufte - auch wenn genaue Angaben über seine finanziellen Verhältnisse nicht vorliegen.

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Zu Prigoschins Imperium sollen auch Troll-Fabriken gehören. Die US-Justiz wirft ihm vor, sich mit Internet-Trollen in die von Donald Trump 2016 gewonnene US-Präsidentenwahl eingemischt zu haben - und verhängte Sanktionen gegen ihn.

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Lange Zeit hielt sich „Putins Koch“ im Hintergrund, ins Rampenlicht trat er erst im September 2022, als die russische Armee in der Ukraine Niederlage um Niederlage einfuhr. Erstmals erklärte er öffentlich, der Chef der Söldnergruppe Wagner zu sein. Die 2014 gegründete Truppe war nicht nur in der Ukraine, sondern auch bereits in Syrien, Afrika und Lateinamerika im Einsatz.

Im Oktober eröffnete Prigoschin gar mit großem Pomp seinen Firmensitz in St. Petersburg: „Private Militärfirma Wagner“ steht auf dem Schild.

Prigoschin rekrutierte Häftlinge für Söldnerdienst

Prigoschin hatte freie Hand, in den russischen Gefängnissen tausende Insassen für seinen Söldnerdienst zu rekrutieren. Er stellte ihnen die Freiheit in Aussicht, sollten sie die Kämpfe überleben. Deserteuren drohte er mit der Exekution.

Während der Kämpfe um die ostukrainische Stadt Bachmut wendete sich jedoch das Blatt und der einstige Putin-Vertraute wurde zum offenen Kritiker des Kreml sowie der russischen Armeespitze. Immer öfter kritisierte der ungestüme Wagner-Chef Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow.

Die Videos mit Prigoschins Tiraden gingen um die Welt - in einem Land, in dem die leiseste Kritik an der Armee mit Gefängnis bestraft wird, schien er sich alles erlauben zu können. Letztlich zog Prigoschin sogar den Ukraine-Krieg offen in Zweifel: „Der Krieg wurde für die Selbstdarstellung eines Haufen Bastarde gebraucht“, sagte er. Einen Tag später rief er zum „Marsch der Gerechtigkeit“ auf Moskau auf. (afp)