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„Unverschämt und arrogant“Kanzler-Rede sorgt in Land für Wut

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beim Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität im Euref-Campus.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beim Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität im Euref-Campus.

Diese Rede hat ein diplomatisches Nachspiel! Kanzler Friedrich Merz lästerte über seine Reise zur Weltklimakonferenz in Brasilien – und das Gastgeberland ist außer sich vor Wut.

Ein paar unbedachte Worte mit gewaltiger Wirkung: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit abfälligen Äußerungen über die brasilianische Stadt Belém für einen handfesten Eklat gesorgt.

Nach seiner Rückkehr von der Weltklimakonferenz sprach er am 13. November auf einem Handelskongress und ließ kein gutes Haar an der Gastgeberstadt. Mit etwas Verspätung kochen die Emotionen in Südamerika nun hoch.

„Ich habe einige Journalisten und Journalistinnen, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben“, erzählte Merz vor Vertretern und Vertreterinnen der deutschen Wirtschaft.

„Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.“ Sein Fazit: Man lebe in Deutschland „in einem der schönsten Länder der Welt“.

„Bedauerlich, arrogant und voreingenommen“

Dem Bürgermeister von Belém, Igor Normando, platzte in den sozialen Netzwerken der Kragen. Er nannte die Worte des Bundeskanzlers „bedauerlich, arrogant und voreingenommen“. In einem Videobeitrag konterte er: „Gott sei Dank repräsentieren seine Äußerungen nicht die Meinung, die die Mehrheit der Weltbevölkerung von unserer Stadt hat.“

Viele Menschen seien von der Stadt und „ihrer natürlichen Schönheit begeistert“, so Normando weiter. Und ein direkter Seitenhieb an Merz: „Der Amazonas hat, falls Sie es nicht wissen, der ganzen Welt geholfen zu atmen, und jetzt ist es an der Zeit, dass Sie die Realität der Menschen im Regenwald kennenlernen.“

Auch der Gouverneur des Bundesstaates Para, Helder Barbalho, zeigte sich auf der Plattform X empört: „Es ist kurios zu sehen, dass diejenigen, die zur Erwärmung des Planeten beigetragen haben, sich über die Hitze im Amazonasgebiet wundern.“

Die Region habe sich als Gastgeber der Weltklimakonferenz gastfreundlich gezeigt. An Merz gerichtet, schrieb er: „Eine voreingenommene Rede sagt mehr über denjenigen aus, der sie hält, als über denjenigen, über den gesprochen wird.“

„Es gibt Leute, die darüber reden, aber dafür überhaupt keine Moral haben“

Der brasilianische Senator Randolfe Rodrigues legte nach und warf Merz mangelnde Moral vor. „Es gibt Leute, die darüber reden, aber dafür überhaupt keine Moral haben“, schrieb Rodrigues bei X. „Wissen Sie, Herr Friedrich Merz, das schönste Land der Welt ist Brasilien, und das war schon immer so. Es musste weder die globale Erwärmung verstärken, noch fremde Ökosysteme zerstören, um großartig zu wirken.“

Die brasilianischen Medien ließen ebenfalls kein gutes Haar am Kanzler. Das Nachrichtenportal „Diário do Centro do Mundo“ sprach von einem „unverschämten Vergleich“. „Dem Bundeskanzler zufolge ist Brasilien also kein Ort, an dem man leben möchte“, so das vernichtende Urteil des Portals.

Selbst die „Deutsche Welle“ fand deutliche Worte. In einem Kommentar hieß es, Merz habe mit „althergebrachter neokolonialer Arroganz“ gehandelt und „eine Haltung reproduziert, die in der deutschen Weltsicht leider immer noch weit verbreitet ist“.

Umweltminister Carsten Schneider (SPD) versuchte, die Wogen zu glätten. Er lobte Belém ausdrücklich als „großartige Stadt“. „Ich habe extrem viel Engagement gesehen, tolle Menschen, aber auch viel Armut“, sagte der SPD-Politiker. Ein Manöver, das viele brasilianische Medien als diplomatische Schadensbegrenzung werteten.

Schneider betonte weiter: „Dieser Ort, er weist nicht nur auf die überragende Bedeutung der Regenwälder hin, er bringt die Weltgemeinschaft auch dazu, die soziale Frage zu sehen.“ Belém zählt tatsächlich zu den ärmsten Städten Brasiliens. Für die Klimakonferenz wurde zwar viel Geld in die Infrastruktur investiert, doch das Stadtbild ist an vielen Ecken noch von Verfall, kaputten Straßen und Müll geprägt. (red)