Die deutsche Wirtschaftsmisere scheint kein Ende zu finden. Bei „Markus Lanz“ zog die Runde mit Blick auf die Bundesregierung eine harsche Bilanz und identifizierte deren „Knackpunkt“. Nur ein Gast warnte vor demokratiegefährdender Panikmache und Nervosität.
Bei Markus LanzFatale Regierungsfehler: „Anreize absurd“
Aktualisiert
Die deutsche Wirtschaftspolitik steht bereits seit Jahren in der Kritik. Immer mehr Industriejobs gehen verloren, während die deutsche Gesellschaft weiter altert. ZDF-Moderator Markus Lanz wollte deshalb am Donnerstagabend in seiner Sendung wissen: „Welche Wirtschaftspolitik braucht Deutschland jetzt?“
Die Antworten seiner Gäste waren vielschichtig. Journalistin Julia Löhr warnte zunächst, dass sich die „alternde Gesellschaft“ immer noch „an den Status quo klammert“. „Wir haben es uns vielleicht alle zusammen zu bequem gemacht“, sagte Löhr.

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Ökonom Moritz Schularick deutete an, dass vor allem im Bereich der Rente einige Änderungen vorgenommen werden müssten. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Grund genug für Lanz, Bundeskanzler Friedrich Merz zu zitieren, der selbst anlässlich seines Amtsantritts Anfang des Jahres verkündet hatte, dass es „im Sommer (...) spürbar besser sein“ werde. Ein Versprechen, dass sich nicht bewahrheitet hat.
Ökonom Moritz Schularick: „Alle Anreize für Frühverrentung sind absurd“
Julia Löhr gab in dem Zusammenhang an: „Ja, das Erwartungsmanagement der Regierung macht es halt im Moment auch nicht einfacher, sondern eher schwieriger, weil enorm hohe Erwartungen geweckt werden, die mehr oder weniger zwangsläufig nicht erfüllt werden können.“ Der ZDF-Moderator hakte interessiert nach, welche Lösungsansätze es geben könnte, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiver zu machen.

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Journalistin Julia Löhr kritisierte am Donnerstagabend die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung scharf. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Ökonom Moritz Schularick antwortete: „Wir müssen (...) zu einer Zuwanderungspolitik finden, die in unserem ökonomischen Interesse ist.“ Schularick weiter: „Es müssen Lösungen sein, die den Staat nicht überfordern. Es müssen ganz einfache Dinge sein.“
Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, an welchen Stellen die Politik konkret ansetzen könnte. Eine Frage, auf die Schularick prompt reagierte. Er erklärte, dass man das „Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung anpassen“ müsse. „Alle Anreize für Frühverrentung sind absurd, und da müssen wir ran“, kritisierte der Ökonom.
„Das war letztlich der Sargnagel für die Wirtschaftswende von Friedrich Merz“
Journalistin Julia Löhr stimmte zu und ergänzte: „Wir brauchen (...) ein umfassendes Reformpaket, was allen gleichermaßen wehtut - was der Union etwas abverlangt, was der SPD etwas abverlangt. Was den Besserverdienern etwas abverlangt, was aber auch den Bürgergeldempfängern etwas abverlangt. (...) Jeder muss etwas reintun, weil nur so wird das funktionieren und wird politisch durchsetzbar sein.“

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Autor Harald Jähner (rechts) sagte mit Blick auf die stagnierende Wirtschaft in Deutschland: „Die Spielräume des Staates sind extrem begrenzt.“ (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Volkswirt Andreas Peichl sprach in dem Zusammenhang aktuelle Beschlüsse der Regierung aus Union und SPD an kritisierte, dass anstelle der geplanten Senkung der Stromsteuer die sogenante „Mütterrente“ durchgesetzt worden sei, „was ungefähr das Gleiche kostet“. Ein fataler Fehler, wie auch Journalistin Julia Löhr deutlich machte.
Sie stellte klar: „Die Stromsteuer, das ist für mich wirklich der Knackpunkt auch jetzt dieser schwarz-roten Koalition. (...) Das war letztlich der Sargnagel für die Wirtschaftswende von Friedrich Merz, die er angekündigt hat. Da hätte die Regierung ein Zeichen setzen können.“
Autor warnt vor Panikmache: „Nervosität wird demokratiegefährdend“
Bei „Markus Lanz“ wurde deutlich, dass die deutsche Wirtschaft in einer tiefen Krise steckt. Ob das Ruder noch umzureißen ist? Ökonom Moritz Schularick reagierte skeptisch, denn: „Wir verlieren gerade so ein bisschen die Zukunft und den Glauben an die Zukunft.“ Ökonom Rüdiger Bachmann konnte dem nur zustimmen und offenbarte im Gespräch mit Lanz, dass er „besorgt über die Zukunft“ sei.
Eine Meinung, die Autor Harald Jähner nicht ganz teilen wollte. Er erläuterte, dass die deutsche Gesellschaft zu einer Panikmache tendiere, wenn es um Wirtschaftsfragen gehe: „Wir tun alles, um uns psychisch so zu überlasten und zu stressen, dass tatsächlich die Nervosität unerträglich wird und demokratiegefährdend.“
Jähner ergänzte in dem Zusammenhang, dass „die Spielräume des Staates extrem begrenzt sind“. Er fügte hinzu: „Den Staat als so eine Art Dienstleistungsunternehmen zu betrachten, der jetzt (...) liefern muss, das finde ich fatal. Man muss schon unterscheiden zwischen (...) staatlichem Versagen auf der einen Seite und objektiven Schwierigkeiten.“ (tsch)
