„Es ist unvermeidlich“Brisante E-Mails durchgesickert: Russischer Agent spricht Warnung aus

Ein Foto Wladimir Putins liegt in einem zerbrochenen Bilderrahmen.

Die Spannungen im engeren Zirkel um Russlands Präsident Wladimir Putin wachsen zunehmend. Das Foto zeigt ein zerstörtes Porträt in Cherson Mitte November. Nachdem auch Cherson von der Ukraine zurückerobert wurde, wächst die Unzufriedenheit auch in Russlands Eliten noch weiter.

Die Unzufriedenheit über Putins Angriffskrieg in der Ukraine wächst – nicht nur in Teilen Russlands, sondern auch in seinem engsten Zirkel. Und in wichtigen Behörden. Nachdem auch Cherson von der Ukraine zurückerobert wurde, scheinen die internen Spannungen zuzunehmen, wie nun ein US-Bericht mit Verweis auf vertrauliche Dokumente nahelegt. 

von Martin Gätke (mg)

Nach und nach erobert sich die Ukraine ihr Land zurück, Putin erlebt einen militärischen Rückschlag nach dem anderen. Nachdem das strategisch so wichtige Cherson wieder in ukrainische Hand gefallen ist, wächst die Unzufriedenheit auch in Putins engem Umfeld, wie Berichte nahelegen. 

Durchgesickerte E-Mails eines Whistleblowers des Inlandsgeheimdienstes der Russischen Föderation FSB zeigen nun, welche Konsequenzen dies haben könnte: Sie sagen nun einen „unvermeidlichen Bürgerkrieg“ unter den engsten Verbündeten von Präsident Wladimir Putin voraus, während seine Invasion in der Ukraine weiter ins Stocken gerät.

Putin: Mails durchgesickert – Spannungen in den eigenen Reihen wachsen

Laut dem US-Nachrichtenmagazin „Newsweek“, dem die Mails vorliegen sollen, schreibt der als „Wind of Change“ bezeichnete Agent regelmäßig Nachrichten an den im Exil lebenden russischen Dissidenten und Menschenrechtsaktivisten Wladimir Osechkin und offenbart die Wut und Unzufriedenheit innerhalb des FSB über den Krieg, der mit Putins Einmarsch in die benachbarte Ukraine am 24. Februar 2022 begann.

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Die E-Mails seien laut Newsweek von Igor Sushko, dem Geschäftsführer einer in Washington ansässigen gemeinnützigen Organisation, zur Verfügung gestellt worden. Er habe die Mails auch übersetzt. Christo Grozev, ein FSB-Experte, sagte, er habe die E-Mails zwei Offizieren gezeigt, die „keinen Zweifel daran hatten, dass sie von einem Kollegen geschrieben worden waren“. 

In den jüngsten Mails des Agenten, die im November veröffentlicht wurden, würden innere Unruhen und Konflikte innerhalb des Kremls beschrieben, ein „unvermeidlicher“ Bürgerkrieg werde vorausgesagt und Russland werde bald „in den Abgrund des Terrors hinabsteigen“, da die Menschen des Krieges immer müder würden.

Der Whistleblower konzentriert sich auf den Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ein Unternehmer und enger Verbündeter Putins, der auch „Putins Koch“ genannt wird, sowie auf den tschetschenischen Führer Ramsan Kadyrow.

Putin: Prigoschin könnte „Bedrohung für Putins Herrschaft darstellen“

Sowohl Prigoschin als auch Kadyrow haben zuletzt vermehrt die Art und Weise, wie Putins Krieg gegen die Ukraine geführt wird, scharf kritisiert. Beide forderten als radikaler Flügel der Moskauer Eliten eine weitere Eskalation des Krieges. Es gebe Hinweise darauf, dass sich innerhalb des Kremls längst Risse bildeten. Auch die US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ (ISW) kam Ende Oktober zu der Einschätzung, dass Prigoschin und seine militärische Gruppe „eine Bedrohung für Putins Herrschaft darstellen“ könnten.

In der Mail wird zudem erklärt, wie der Bürgerkrieg ablaufen könnte. In Russland gebe es „kein Modell des einfachen Machtwechsels“, ein gewaltsamer Umsturz sei daher wahrscheinlich: „Am Anfang könnte es einen wahllosen Aufruhr geben, bei dem es nur zu Plünderungen und chaotischen Scharmützeln zwischen allen Beteiligten kommt.“ Es sei möglich, dass sich Prigoschin und Kadyrow profilieren wollten und eine Reihe von gezielten Provokationen planten, um die „Unfähigkeit des FSB“ aufzuzeigen.

Putin: Russischer Agent warnt vor „Bürgerkrieg“

Zwischen den Sicherheitsbehörden und Prigoschin könnte es zum Konflikt kommen. Der Whistblower deutet auch an, dass es für den Kreml nicht so einfach sein werde, Prigoschin in seine Schranken zu weisen. Laut ISW baue er bereits eine „Anhängerschaft“ und eine eigene Kampftruppe auf, die nicht unter der direkten Kontrolle des russischen Militärs oder des Verteidigungsministeriums stehe.

Die Kämpfe könnten zunächst in einzelnen Regionen stattfinden, dann gehe es etwa um die Aufteilung von Ressourcen oder die Kontrolle. Das Land könne im totalen Chaos versinken, so der Agent weiter. „Laut unseren Analysen versteht man innerhalb der Behörde, dass der Grad der Unzufriedenheit in der Bevölkerung exponentiell wächst und wir nicht in der Lage sein werden, sie mit legalen Methoden zu unterdrücken“, wird der Informant weiter zitiert. 

„Newsweek“ zufolge warnte der Whistleblower bereits am 8. November, dass Prigoschin Proteste und Unruhen in Russland über die Lage in der Ukraine nutze, um die Wagner-Söldner auf „innerstaatlichen Terror“ vorzubereiten. Und auf den sei der FSB nicht vorbereitet.