Im EU-Parlament geht’s um die Wurst – und auch Kanzler Friedrich Merz macht sich bei seinem ARD-Auftritt gegen vegane Alternativen stark. Warum haben die Konservativen eigentlich so einen Fleisch-Fetisch entwickelt? Ein Kommentar.
Kommentar zu Merz-AuftrittFür wie dämlich haltet ihr uns eigentlich?

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Friedrich Merz am 5. Oktober bei Caren Miosga.
Aktualisiert
Mit seinen fettigen Fleisch-Posts bei Social Media ist CSU-Chef Markus Söder ja längst zum Meme geworden. Spiegelei mit Speck, ein dicker Burger, und jede Menge bayerisches Allerlei, von Leberkäse bis Grillhendl.
Der Fleisch-Fetisch des CSU-Mannes mit dem großen Appetit greift aber nicht nur in seiner Heimat Bayern um sich. Die (französischen) Konservativen haben einen Antrag ins EU-Parlament gebracht, in dem gefordert wird, dass bestimmte Begriffe nur noch erlaubt sein sollen, wenn Fleisch enthalten ist. Wurst, Burger oder Schnitzel zum Beispiel. Am Mittwoch (8. Oktober) entscheidet Europas Hohes Haus darüber.
Von CDU-Kanzler Friedrich Merz gab’s für diese Idee schon mal einen Daumen nach oben. Bei „Caren Miosga“ erklärte er: „Eine Wurst ist eine Wurst.“
Als hätten wir keine echten Probleme!
„Ein echtes Verwechslungsrisiko“?
Deutschland, uneinig (Veggie)-Schnitzel-Land! Vor allem hierzulande wird über das Thema Fleisch und Fleischersatz so emotional diskutiert, als ginge es ums Überleben. In den Kommentarspalten der sozialen Medien wettern Fleisch-Liebhaber gegen „Veganisierung“ und „Gift-Mischerei“, die andere Seite nutzt Begriffe wie „versklavte Tiere“ und „Mord“.
Ein Argument der Europäischen Volkspartei für ihren Anti-Veggie-Vorstoß: Es bestehe „ein echtes Verwechslungsrisiko“. Pflanzenbasierte Ersatzprodukte böten nicht die gleichen Nährwerte wie ihre tierischen Originale. „Ein Steak ist aus Fleisch gemacht – Punkt“, erklärt, ähnlich wie Merz, die französische Abgeordnete Céline Imart.
Auch der deutsche Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU), gelernter Metzgermeister, faselt etwas von mehr Transparenz und Information. „Für mich persönlich ist ein Schnitzel aus Pute, Kalb oder Schwein.“
Andere Namen für Veggie-Schnitzel schaffen erst Verwirrung
Da fragt man sich als Verbraucherin oder Verbraucher: Für wie dämlich haltet ihr uns eigentlich? Wir sind uns sehr wohl bewusst darüber, was wir da in den Einkaufswagen packen, wenn wir vor dem Wurst- oder Veggie-Regal stehen. Denn bereits heute steht ja sehr deutlich auf der Verpackung, was drin ist.
Und wenn statt „Veggie-Schnitzel“ ein Fantasiebegriff und merkwürdige Bezeichnungen auf der Packung stehen, wer soll da noch durchsehen? Wo soll das „transparent“ sein?
Und seit Jahren sind es immer mehr Menschen, die sich – auch hier: ganz bewusst – für fleischlose Alternativen entscheiden. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber auch Fleisch bleibt wichtig in Deutschland: Vor allem junge Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, teureres Fleisch zu essen – der Umwelt oder des Tierwohls zuliebe. Eine gute Nachricht!
Fest steht: Am Ende entscheidet der Markt und die Menschen in den Supermärkten, was gekauft und gegessen wird. Nicht Söder, nicht Merz, nicht die EVP – und erst recht nicht dubiose Wahlwerbe-Fleisch-Sprüche und Symbol-Politik, die vor allem der eigenen Wählerschaft dienen sollen.
Der Handel und die Wirtschaft werden entscheiden, wie es in puncto Fleisch und Fleischersatz weitergeht – und da ist der Trend ganz klar. Der Veggie-Boom ist längst zu einem echten Wirtschaftsfaktor in Deutschland bekommen, immer neue Produkte werden herausgebracht.
Deutschland ist mittlerweile der größte Markt in Europa für Alternativprodukte, die Produktion hat sich zwischen 2019 und 2024 mehr als verdoppelt. Warum also gerade diesen Wirtschaftszweig schwächen?
Aber auch beim Billig-Fleisch gibt es in den Supermärkten Fortschritte, wie Greenpeace im vergangenen Jahr herausgefunden hat. Die Qualität wird vor allem beim Geflügel besser. Aldi Süd etwa hat Anfang des Jahres entschieden, keine Wurst der untersten Haltungsform-Stufe mehr zu verkaufen, andere Discounter (wollen) folgen. Kein Wunder, dass große Unternehmen wie Aldi Süd, Lidl oder Burger King das geplante Verbot ablehnen, ebenso wie Verbraucherschützer.
Während der deutsche Handel also voranschreitet, wollen Merz und der gelernte Metzgermeister mit aller Macht das Rad der Zeit zurückdrehen. Erst vor kurzem hat er auch noch ein Förderprogramm für tiergerechtere Ställe gestrichen. Mit ihrem Fleisch-Fetisch wollen sich die Politiker „bürgernah“ zeigen – in Wirklichkeit ist das eine Politik völlig am Bürger vorbei.