Koalition stehtUnion und SPD stellen Pläne vor – Merz kündigt Grenzkontrollen und Zurückweisungen an

Gut sechs Wochen nach der Bundestagswahl haben CDU, CSU und SPD ihre Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung abgeschlossen und sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt.

Die Union und die SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Am Nachmittag stellten die Parteivorsitzenden die Ergebnisse der Verhandlungen vor.

„Vor uns liegt ein starker Plan, mit dem wir unser Land wieder nach vorne bringen können“, so der kommende Kanzler Friedrich Merz (CDU).

Die wichtigsten Erkenntnisse:

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  1. Es soll ein Nationaler Sicherheitsrat geschaffen werden. „Wir entwickeln den Bundessicherheitsrat, im Rahmen des Ressortprinzips, zu einem Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt weiter“, heißt es in dem von den Spitzenvertretern vereinbarten Koalitionsvertrag. Der Sicherheitsrat soll Informationen über Krisenlagen bündeln und schnellere Entscheidungen ermöglichen. „Er soll die wesentlichen Fragen einer integrierten Sicherheitspolitik koordinieren, Strategieentwicklung und strategische Vorausschau leisten, eine gemeinsame Lagebewertung vornehmen und somit das Gremium der gemeinsamen politischen Willensbildung sein“, heißt es in dem vereinbarten Text.
  2. In der Migrationspolitik werde die neue Regierung die von der Union im Wahlkampf angekündigte Verschärfung durchsetzen, sagte Merz. Sie werde „die irreguläre Migration weitgehend beenden“, kündigte er an. Es werde „Kontrollen an den Staatsgrenzen geben und auch Zurückweisungen gegenüber Asylsuchenden“.
  3. Union und SPD wollen in einer gemeinsamen Regierungskoalition einen neuen Wehrdienst einführen, der „zunächst auf Freiwilligkeit“ basiert. „Für die neue Ausgestaltung dieses Dienstes sind die Kriterien Attraktivität, Sinnhaftigkeit und Beitrag zur Aufwuchsfähigkeit leitend“, heißt es im am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag. Vorbild sei das schwedische Modell, noch in diesem Jahr sollen die „Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung“ geschaffen werden.
  4. Das Deutschlandticket für den Nahverkehr soll auch nach 2025 erhalten bleiben, Nutzer müssen sich aber von 2029 an auf Preiserhöhungen einstellen.
  5. Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen. CDU, CSU und SPD haben sich bei ihren Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dass der Familiennachzug für diesen Personenkreis nur noch in Härtefällen erlaubt sein soll. Aktuell gilt für die Angehörigen von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus ein Kontingent von 1.000 Einreiseerlaubnissen pro Monat.
  6. Das Heizungsgesetz soll gestrichen werden. „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“, heißt es dort. Das neue Gebäudeenergiegesetz solle „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung solle „zur zentralen Steuerungsgröße“ werden. Die Union als Wahlsieger hatte angekündigt, das Gebäudeenergiegesetz (GEG), oft als Heizungsgesetz bezeichnet, grundlegend zu überarbeiten. In der SPD gibt es ebenfalls Stimmen für eine Vereinfachung des GEG. Das neue Gebäudeenergiegesetz ist seit Anfang 2024 in Kraft. Ziel sind mehr Klimaschutz im Gebäudebereich und ein schrittweiser Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen. Vorausgegangen waren lange und harte Verhandlungen innerhalb der Ampel-Koalition. Am Gesetz gab es von Anfang an viel Kritik, weil es viele kleinteilige Regelungen gebe.
  7. Statt des üblichen Acht-Stunden-Tags wollen Union und SPD einen wöchentlichen Rahmen für die Arbeitszeit einzuführen. Im Textentwurf heißt es: „Beschäftigte und Unternehmen wünschen sich mehr Flexibilität. Deshalb wollen wir im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen – auch und gerade im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zur konkreten Ausgestaltung werden wir einen Dialog mit den Sozialpartnern durchführen.“ Die Gewerkschaften haben große Bedenken gegen die mögliche Ausweitung der täglichen Arbeitszeit.
  8. Die Pendlerpauschale soll steigen und schon ab 2026 vom ersten Kilometer an bei 38 Cent liegen.
  9. Union und SPD wollen energieintensive Unternehmen mit einem Industriestrompreis entlasten. Wirtschaftsverbände beklagen seit langem im internationalen Vergleich hohe Strompreise. Dies hemme Investitionen in Deutschland. Bereits in ihren Sondierungen hatten sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, die Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert zu senken. Auch Umlagen und Netzentgelte sollen sinken. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen.
  10. Union und SPD wollen daneben die Übertragungsnetzentgelte halbieren, ein Bestandteil des Strompreises. Dauerhaft sollen die Netzentgelte gedeckelt werden. Auch Rechenzentren sollen einbezogen werden. „Für die anderweitig nicht weiter zu entlastenden energieintensiven Unternehmen führen wir im Rahmen der beihilferechtlichen Möglichkeiten eine besondere Entlastung (Industriestrompreis) ein.“ Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox würde eine Senkung der Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert die Stromkosten um knapp 7 Prozent verringern. Eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh müsste 93 Euro weniger bezahlen, ein Zwei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 2.800 kWh könnte mit einer jährlichen Entlastung von 65 Euro rechnen.
  11. Zur Entlastung der Wirtschaft wollen Union und SPD das deutsche Lieferkettengesetz abschaffen.
  12. Die von der Ampel-Regierung beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders gut integrierte Zuwanderer soll wieder abgeschafft werden. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen geeinigt. An der Reduzierung der Wartefrist für normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre und an der Erlaubnis für den Doppelpass will man demnach aber festhalten.
  13. Das heutige Bürgergeld wird verschärft. Mit einer „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“ sollen nach dem schwarz-roten Koalitionsvertrag schärfere Sanktionen bis zum vollständigen Entzug der Leistungen greifen können, wie die neuen Koalitionspartner mitteilten.

Die Vereinbarung soll die Grundlage für die schwarz-rote Regierungsarbeit in den kommenden vier Jahren bilden.

Die Koalitionsverhandlungen hatten am 13. März begonnen, drei Wochen nach der Bundestagswahl am 23. Februar. Zuvor hatten sich Union und SPD in Sondierungsgesprächen bereits auf ein elfseitiges Eckpunktepapier verständigt, das unter anderem die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen vor allem in die Infrastruktur vorsah.