Hungersteine im RheinNiedrige Pegel legen dramatische Warnungen frei: „Wenn du mich siehst, dann weine“

Niedrigwasser von 75 cm am Rheinufer zwischen Hohenzollernbrücke und Zoobrücke Foto (Foto vom 15.08.2022)

Niedrigwasser von 75 cm am Rheinufer zwischen Hohenzollernbrücke und Zoobrücke Foto (Foto vom 15.08.2022).

Kaum Niederschlag und brennende Sonne. Die Trockenheit in Deutschland und Europa hält weiter an. Die niedrigen Wasserstände des Rheins und der Elbe geben jetzt jahrhundertealte Geheimnisse frei.

von Annabelle Cohnen (ac)

Die Dürre-Periode in Deutschland und Europa spitzt sich weiter zu. Immer mehr Flüsse und Seen erreichen so niedrige Pegelstände wie nie zuvor. Der Rhein hat am Montag (15. August) einen historischen Tiefstand vermeldet. Aufgrund der niedrigen Wasserstände werden jetzt vermehrt Hungersteine freigelegt, beispielsweise im Rhein und in der Elbe.

Diese sogenannten Hungersteine zeigen mit ihren eingemeißelten Gravuren Dürrejahre an und warnen vor Trockenheit, schlechter Ernte, Hungersnot und hohen Preisen. Wenn einer dieser Steine aufgrund des niedrigen Wasserstands frei liegt, dann ritzen Anwohner und Anwohnerinnen traditionsgemäß die aktuelle Jahreszahl hinein.

Mysteriöse Mahnungen unserer Vorfahren

Die älteste und bekannteste Inschrift eines solchen Hungersteins stammt bereits aus dem Jahr 1417. Andere Steine haben ihren Ursprung im Mittelalter oder dem späten 19. Jahrhundert.

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Einer dieser Felsen liegt in der Elbe, nahe der tschechischen Stadt Decin nahe der sächsischen Grenze. Seine Gravur stammt aus dem 19. Jahrhundert und trägt eine eingravierte, mahnende Worte: „Wenn du mich siehst, dann weine“. Dieser Spruch bezieht sich laut Forschenden der Landeshochwasserzentrale und der archäologischen Gesellschaft aus Sachsen auf die aufgrund der Trockenheit erwartbare schlechte Ernte und den damit einhergehenden Hungersnöten.

Auch im Rhein ragen zahlreiche dieser Hungersteine aus dem extremen Niedrigwasser. Bei Leverkusen sind an der Wuppermündung mehrere Exemplare aufgetaucht. Gravierte Kreuzornamente verweisen auf das Jahr 1059, während der andere Stein aus dem Jahr 2003 stammt.

In der Nähe von Remagen wurden ebenfalls Hungerfelsen gesichtet, vermeldete der Bonner General-Anzeiger. Schon seit Anfang August sollen sie sichtbar sein. Im Dürre-Jahr 2018 waren diese sogar zu Fuß erreichen.

In Rheindürkheim in der Nähe von Worms gibt der Rhein weitere veheerende Warnungen aus der Vergangenheit frei. Auf einem der Hungersteine ist die Inschrift ‚Ano 1857‘ zu lesen. Darunter zu lesen sind einige weitere Jahre, in denen der Stein sichtbar wurde.

Klimawandel als Ursache? Künftig droht immer wieder Niedrigwasser

In den kommenden Wochen sei mit einer leichten Entspannung der Lage zu rechnen, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). So deute die jüngste Sechs-Wochen-Vorhersage der Experten seines Hauses „auf leichte Wasseranstiege und eine Stabilisierung der Wasserstände auf niedrigem Niveau hin“.

Die niedrigen Wasserstände machen der deutschen Binnenschifffahrt jedoch zu schaffen - und in Zukunft könnte sich dieses Problem laut Wissing weiter verschärfen. „Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir uns langfristig aufgrund des Klimawandels immer wieder auf extreme Niedrigwasser-Situationen einstellen müssen“, sagte Wissing der „Rheinischen Post“ vom Montag.

Die Variabilität ist beim Wetter sehr hoch. Dennoch: Die gestiegene Summe an Extremereignissen, die wir in den letzten Jahren immer wieder beobachten konnten, weist deutlich auf die Auswirkungen des Klimawandels hin, so ein Bericht des Bundesamts für Umwelt. (ac/dpa)