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Der Fall FreudenbergMädchen-Gewalt: Wenn aus Kränkung tödliche Wut wird

Zwei Mädchen kämpfen auf einem überdachten Gang in einer Schule.

Gewalt unter Mädchen: Weil Mädchen (und Kinder generell) viel seltener straffällig werden als Erwachsene, ist der Schock nach einer Tat wie in Freudenberg umso größer. Das undatierte Symbolfoto zeigt zwei Mädchen, die sich prügeln.

Der Fall der in Freudenberg getöteten Luise (†12) sorgt noch immer für Fassungslosigkeit und Trauer. Aber wie nur konnten die Täterinnen derart eskalieren? Ein Blick auf das Phänomen Mädchen-Gewalt.

von Stefanie Monien (smo)Alexandra Miebach (mie)

Zwei erst zwölf und 13 Jahre alte Mädchen töten im beschaulichen Freudenberg die kleine Luise (†12), löschen das Leben einer Freundin, eine Klassenkameradin aus. Doch so erschütternd, so monströs die Tat auch ist, so wenig „Monster“ (noch eine der Titulierungen, die durch die sozialen Netzwerke geistern) sind die beiden Siebtklässlerinnen.

Die Tat in Freudenberg: Wegen ihres kindlichen Alters sind beide Täterinnen schuldunfähig. Zwei Kinder, die ein Kind getötet haben – umso unfassbarer erscheint vielen die Tat, weil es Mädchen sind, die sie begangen haben. EXPRESS.de hat mit Diplom-Psychologin Anja Steingen, Gründerin der Anti-Gewalt-Akademie Bonn, gesprochen.

Freudenberg: Waren die Täterinnen wirklich so abgebrüht?

 Auch wenn – und das ist der Expertin auf dem Gebiet der Mädchen-Gewalt wichtig – sie nicht in den Fall Freudenberg involviert ist und ihn somit nicht bewerten kann, so sieht sie doch in den bisher von den Behörden veröffentlichten Details „sehr typisches“ für Mädchengewalt – und zwar Folgendes: „Ehemals beste Freundinnen. Gewalt in der Gruppe verübt. Vorher geplantes Vorgehen – die Tat selbst kann dann anders als die Planung verlaufen sein. Auch das Motiv Rache ist typisch“, sagt die Psychologin.

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Nach der Tat ruft die 13-Jährige Luises Eltern an, sagt, die Mitschülerin sei gegen 17.30 Uhr bei ihr Zuhause losgelaufen. Doch da war Luise schon tot.

„Das, was wir als abgebrüht erleben, spricht für die extreme emotionale Unreife der Täterinnen, die die Folgen ihres Verhaltens sicher nicht voll abschätzen konnten, sondern wahrscheinlich sehr mit sich, ihrer Kränkung, den erlebten Gefühlen von Kontrollverlust und Ohnmacht beschäftigt waren und dem Bedürfnis danach, die Kontrolle wiederherzustellen und die Kränkung zurückzugeben. In diesem Zusammenhang können auch Tötungswünsche entstehen.“

Gewalt unter Mädchen: Der Selbstwert spielt eine entscheidende Rolle

Anja Steingen nennt ein Beispiel, wie sich Kinder und Jugendliche, auch durch Entwicklungsdefizite bedingt, in ihrem Selbstwert bedroht sehen. „Diese Bedrohung können sie als so existenziell erleben, dass ihnen jedes Mittel recht ist, um sie zu beenden. Gewalt erscheint ihnen oft als die einzige Möglichkeit, Kontrolle herzustellen.“

So könne sich ein Mädchen, das „seinen Selbstwert darauf gründet, von ihrem Freund geliebt zu werden, von einem anderen Mädchen bedroht fühlen, wenn dieses ihren Freund angelächelt hat oder der Freund sich vielleicht zu dem anderen Mädchen hingezogen fühlt“.

Zwei Kinder, die ein anderes Kind „auf dem Gewissen“ haben, wie es landläufig heißt. Zwei Kinder, die – so schwer das auch zu begreifen sein mag – noch nicht überblicken, was sie getan haben.

Dass sie die Angehörigen ihres jungen Opfers in unsagbares Leid und Fassungslosigkeit gestürzt haben – und ihre eigenen Familien sicherlich auch. Was wird nun aus ihnen? „Das Jugendamt wird prüfen, welche Interventionen für die Mädchen und ihre Familien die richtigen sind“, sagt Anja Steingen.

Kein einfaches Unterfangen, denn bisher, so ein Sprecher des Landesjugendamtes NRW, „gab es noch nie so einen Fall und entsprechend dafür haben wir auch kein Verfahren“. Einige lassen (gerade in der Anonymität der sozialen Medien) ihrem Hass auf die Täterinnen freien Lauf.

Verständnis dafür aufzubringen, dass diese vermeintlich „ungeschoren“ davon kommen, fällt schwer. Aber: „Grundsätzlich ist die Persönlichkeitsentwicklung in diesem jungen Alter noch lange nicht abgeschlossen und Entwicklungsdefiziten kann oft erfolgreich entgegengewirkt werden. Hierzu gehört unbedingt auch die Auseinandersetzung mit der begangenen Tat und dies ist, wenn es gelingt, ein schmerzhafter und anhaltender Prozess, weil es bedeutet, die Folgen der Tat in ihrem gesamten Ausmaß und Schrecken zu erfassen“, sagt Anja Steingen. Der Fall Freudenberg – er wird die Gesellschaft noch lange beschäftigen.