Nach langem HickhackBergisch Gladbach impft mit Spezial-Spritze – so funktioniert sie

BiontechSpritze

In einer Petrischale liegen Spritzen gefüllt mit Corona-Impfstoff.

von Stefanie Monien (smo)

Bergisch Gladbach – In Bergisch Gladbach wird wieder „volle Am-Pulle“ geimpft. Dank einer sogenannten Zero-Residual – also Null-Rest-Spritze, mit deren Hilfe aus jeder Ampulle mit Biontech/Pfizer-Impfstoff sieben statt sechs Dosen gezogen werden können. Bis dahin allerdings war’s ein langer, beschwerlicher Weg – Kopfschütteln inklusive.

  • In Bergisch Gladbach wird kein Biontech/Pfizer-Impfstoff mehr verschwendet
  • Impfärzte in Bergisch Gladbach impfen mit Spezialspritze
  • Procedere um Spezialspritze in Bergisch Gladbach gleicht einer Posse

Nach unfassbarem Hickhack, durch Hartnäckigkeit eines Leitenden Impfarztes, und nicht zuletzt durch eine Äußerung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in der Talkshow von Sandra Maischberger kommt in Bergisch Gladbach die Spezialspritze nun wieder zum Einsatz.

In Bergisch Gladbach holen Impfärzte eine Dosis mehr aus jeder Ampulle

Aber der Reihe nach: Dr. Hans-Christian Meyer, einer von drei Leitenden Impfärzten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) aus dem Impfzentrum Bergisch Gladbach, ärgerte sich über Impfstoff-Verschwendung.

Alles zum Thema Sandra Maischberger

Verschwendung deswegen, weil bei Verwendung der Spritzen, die das NRW-Gesundheitsministerium (MAGS) genehmigt hatte, eine volle Impfdosis – immerhin 0,3 Milliliter – in der Ampulle zurückblieb.

1500 Impfdosen in Bergisch Gladbach nicht verimpft

„Doktor Meyer ist ein aktiver und innovativer Mensch, der gern schnell impfen möchte und es vor allem nicht leiden kann, wenn wertvoller Impfstoff verschwendet wird“, sagt Birgit Bär, Sprecherin des Rheinisch-Bergischen Kreises, dem EXPRESS.

Mit der Spezialspritze können 15 Prozent mehr Menschen aus einer Ampulle geimpft werden. In Bergisch Gladbach wurden mehr als 1500 Dosen nicht verimpft, weil das NRW-Gesundheitsministerium die Verwendung der Spezialspritzen gestoppt hatte.

Bergisch Gladbacher Impfarzt entdeckt „Null-Rest“-Spritze

Kreissprecherin Birgit Bär erläutert weiter, dass Hans-Christian Meyer Spritzen eines niederländischen Herstellers aufgetan habe, die nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Dänemark und Norwegen zum Einsatz kommen.

Nach Rücksprache mit Landrat Stephan Santelmann und dem Landtagsabgeordneten Rainer Deppe seien 25.000 Zero-Residual-Spritzen bestellt worden – für einen Pilotversuch.

Laut der Kreissprecherin hatte sich Rainer Deppe zuvor beim NRW-Gesundheitsministerium um die Erlaubnis bemüht, aus einer Ampulle Biontech/Pfizer-Impfstoff sieben statt der per Ministeriumserlass genehmigten sechs Dosen Impfstoff zu gewinnen.

Das sei auch bewilligt worden, so Birgit Bär zum EXPRESS. Allerdings nur für Spritzen, die das Land NRW genehmigt hat.

Bergisch Gladbach: Auf die Sp(r)itze getrieben

Schließlich kam ein Erlass der Apothekenaufsicht NRW, der die Verwendung der Zero-Residual-Spritze untersagte. „Das ging dann rund vier Wochen hin und her“, so Birgit Bär. Die Hausjuristin des Kreises, der für die logistische Seite beim Impfen (also auch die Beschaffung der Spritzen) zuständig ist, habe sich weiter um die Genehmigung gekümmert.

Bergisch Gladbacher Spritzenstreit: Laschet spricht Machtwort bei Maischberger

Und dann trat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am 17. März bei „Maischberger“ auf. Dort brachte er das Beispiel Bergisch Gladbach aufs Tapet und sagte: „Bei der Frage, wie viele Spritzen darf man ziehen? Es gibt ja einen in Bergisch Gladbach, der sieben aus einer Ampulle zieht. Da haben wir gesagt: Machen!“

NRW-Ministerpräsident: „Nicht die ganze Bürokratie immer“

Sandra Maischberger wirft mit Blick auf den Spritzen-Streit ein, dass das aber „am Anfang nicht so gewesen“ sei. Daraufhin kontert Laschet:

Nach dem Interview habe der Kreis das Ministerium erneut mit der Bitte um Genehmigung der Spritzen angeschrieben, so Birgit Bär. Das habe mitgeteilt, dass Spritzen baugleicher Art zertifiziert seien, nicht aber das Modell, das der Rheinisch-Bergische Kreis auf Anraten von Impfarzt Dr. Meyer angeschafft habe.

Spritzen-Streit in Bergisch Gladbach beigelegt

Der Kreis setzt nun im Impfzentrum Bergisch Gladbach die Spezialspritzen eigenverantwortlich wieder ein, lässt alles dokumentieren.

„Wir sind froh, dass wir schlussendlich gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium das Pilotprojekt weiterbringen können“, sagt Kreissprecherin Birgit Bär und sagt weiter: „Wir alle brauchen in diesen Zeiten doch eine Ermöglichungs- statt einer Verhinderungskultur.“

Versöhnliche Worte als hoffentlicher Schluss-Strich unter einen Hickhack, der angesichts der allgemeinen Impfsituation in Deutschland und insbesondere in NRW anmutet wie ein Stück aus dem ministerialen Tollhaus. (smo)