„Maischberger“Kubicki schießt gegen Grünen-Politikerin: „So naiv können Sie auch nicht sein!“

Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, lieferte sich am Montagabend bei „Maischberger“ ein hitziges Rededuell mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki.

Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, lieferte sich am Montagabend bei „Maischberger“ ein hitziges Rededuell mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki.

„Scheidungsurkunde“ nannte Markus Söder das Zwölf-Punkte-Papier der FDP. Davon will Wolfgang Kubicki nichts wissen. Bei Maischberger traf der stellvertretende Parteichef der FDP am Montagabend auf Svenja Appuhn, die Bundessprecherin der Grünen Jugend zum Duell zwischen „heißem Herz und kühlem Verstand“.

Als „Störfaktor in der Regierung“ hatte die stellvertretende Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, Melanie Amann, den Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki kurz zuvor bezeichnet. Jetzt hatte der stellvertretende Parteichef der FDP selbst einen Dorn im Auge: die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn.

Das Zwölf-Punkte-Papier seiner Partei wäre nicht „geschrieben, um die Ampel zu sprengen“, sondern zur Rettung der „exorbitant schlechten“ deutschen Wirtschaft, hatte er argumentiert. Da wagte die Jungpolitikerin ihn zu unterbrechen: „Woran Ihr Finanzminister großen Anteil hat“, warf sie ein. „Ich möchte mit solchen Phrasen wirklich nicht belästigt werden“, machte Kubicki deutlich, was er davon hielt.

Svenja Appuhn: „Auf einem toten Planeten gibt es weder Jobs noch Wirtschaftswachstum“

Das Stöhnen von Maischberger war hörbar. Auch im FDP-Papier stünden einige Phrasen, wandte sie ein. Man wüsste doch, dass Vorschläge wie der Förderstopp von Erneuerbaren in einer Ampelregierung mit den Grünen nicht umsetzbar wären. „Wir haben Probleme und die können wir nicht negieren oder in die Zukunft verschieben“, ging Kubicki darauf nicht ein. Genauso wenig auf die erneute Unterbrechung seitens Appuhn. „Wie Klimawandel“, meinte diese. Dass die Wirtschaft ein Problem hat, darin stimme sie zwar mit der FDP überein. „Bei den Lösungen gehe ich nicht mit“, erklärte Appuhn.

Alles zum Thema Maischberger

Sie sei froh, so die Grünen-Politikerin, dass es sich beim Zwölf-Punkte-Programm „nur um Wahlkampfgeplänkel“ handele: „Nichts davon steht im Koalitionsvertrag“. Es wären Vorschläge seiner Partei, wie die Wirtschaftskrise zu unterbinden wäre, betonte Kubicki. Denn: „Wir können uns alle Überlegungen zu Sozialem und dem Klima sparen, wenn die Wirtschaft untergeht“, argumentierte er. „Andersrum aber tatsächlich auch“, gab die Bundessprecherin der Grünen Jugend zu bedenken, „auf einem toten Planeten gibt es weder Jobs noch Wirtschaftswachstum“. Der Punkt ging an sie.

Das Zwölf-Punkte-Papier der FDP sei zur Rettung der „exorbitant schlechten“ deutschen Wirtschaft geschrieben worden, verteidigte Wolfgang Kubicki den Beschluss seiner Partei.

Das Zwölf-Punkte-Papier der FDP sei zur Rettung der „exorbitant schlechten“ deutschen Wirtschaft geschrieben worden, verteidigte Wolfgang Kubicki den Beschluss seiner Partei. 

Es blieb nicht der Einzige. Kurz darauf rechtfertigte Kubicki die im Papier genannte Abschaffung der abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren damit, dass seine Frau sich ebenfalls dafür entschieden hätte und „in Kauf nehme, weniger Rentenpunkte zu bekommen.“ Da konnte sich Appuhn den Kommentar nicht verkneifen: „Ich vermute, dass sich Ihre Frau keine Sorgen machen muss, dass sie dann Flaschen sammeln gehen muss“, machte sie auf die prekäre Realität vieler Deutscher aufmerksam. Was das Publikum mit Applaus goutierte, erntete bloß Unverständnis vonseiten des FDP-Politikers: „Ich kann damit wenig anfangen“, meinte er trocken.

Auch lesen: Experten sind sich bei einem Punkt sicher: „Wir müssen mit China rechnen“

Man müsse „nicht nur an Probleme herangehen mit heißen Herzen, sondern auch mit kühlem Verstand“, riet Kubicki. Da die EEG Förderung schon jetzt nicht ausgeschöpft werden, sollte man diese auslaufen lassen und stattdessen die „Sektorziele 1:1 umsetzen“, brachte er einen in der Ampelregierung umstrittenen Punkt in die Diskussion ein. „Da lachen Sie“, kommentierte er die Reaktion von Appuhn.

Am Montagabend diskutierte Sandra Maischberger (rechts) mit der Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, und FDP-Vize Wolfgang Kubicki auch über die Zukunft der Ampelkoalition.

Am Montagabend diskutierte Sandra Maischberger (rechts) mit der Bundessprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, und FDP-Vize Wolfgang Kubicki auch über die Zukunft der Ampelkoalition.

Den griff Maischberger sofort auf: Nachdem der Verkehrssektor dreimal seine Ziele verfehlt hatte, hätte sich der Vorschlag der FDP durchgesetzt, die Ziele aller Sektoren gemeinsam zu betrachten. „Die FDP hat in letzten 2,5 Jahren im Klimaschutz Arbeitsverweigerung gemacht“, fand die Bundessprecherin der Grünen deutlich härtere Worte. Dass Robert Habeck zugestimmt habe, wie Maischberger ergänzte, hielte sie für falsch.

„Się haben eine sehr interessante Strategie“, merkte Kubicki an, „was die Grünen in der Regierung machen, halten Sie für falsch, aber werfen es der FDP vor?“ In der Koalitionsvereinbarung verpflichte sich Deutschland, jedes Jahr CO₂-Mengen zu reduzieren. Das werde eingehalten. Ob es Sinn mache, an starren Sektorzielen festzuhalten, bezweifle er: „Wenn Sie dreimal so viele Schnelllastkraftwagen auf die Straße bringen, weil Sie Windkraftanlagen transportieren müssen, wird der Verkehrssektor CO₂ belastet oder schreiben wir das dem Sektor Energie zu?“

CO2-Einsparung durch Tempolimit? Kubicki: „Falsch, völliger Unsinn!“

„Sie könnten auch Geld in die Deutsche Bahn stecken, dann könnte man das auf die Schiene verlagern“, ließ sich Appuhn davon nicht in die Irre führen. Dass 40 Milliarden in die DB investiert würden, die sie nicht verarbeiten könnte – wie Kubicki konterte – wäre falsch: „Es sind nur 28 Milliarden, und das bei einem Investitionsstopp der DB von 90 Milliarden. Da kann man sich ausrechnen, wie die Verspätungsquoten in ein paar Jahren sind. Entweder es geht jetzt los, oder es ist zu spät“, verwies die Jungpolitikerin auf jahrzehntelange Planungszeiträume. „Da kann man nicht mit Zahlen herumhauen, das verstehen die Zuschauer jetzt nicht“, machte sich der stellvertretende FDP-Parteichef plötzlich Sorgen um das Publikum. Ängste, die Maischberger von sich wies: „Die Zuschauer verstehen sehr viel.“

Wie zur Bestätigung stellte sie ein paar weitere Zahlen zur Diskussion: Im Verkehrssektor betrage die Lücke zwischen vereinbarten und ausgestoßenen Treibhausgasen 13 Millionen Tonnen. Berechnungen des deutschen Umweltbundesamts zufolge könnte man 14 Millionen Tonnen durch ein Tempolimit einsparen. „Falsch, völliger Unsinn“, widersprach Kubicki, „ich glaube nicht mal, dass es sechs Millionen sind.“ Warum dieses Spiel betrieben würde, wollte er wissen: Die Änderung des Klimaschutzgesetzes wäre bereits vor sechs Monaten eingereicht worden, und die Grünen blockierten es Nächste Woche soll es verabschiedet werden.

„Maischberger“: Appuhn fordert Besteuerung der Superreichen

Schneller fand die Einigung beim Cannabis- oder dem Selbstbestimmungsgesetz statt. Während Appuhn Letzteres „als ganz großen Erfolg“ für die Menschenrechte feierte, fand es Kubicki zwar für eine kleine Gruppe als richtig: „Von der Wichtigkeit der Problembewältigung ist es aber nicht ganz so wichtig wie die Frage, wie können wir die Wirtschaft am Leben halten und verhindern, dass Unternehmen aus Deutschland abwandern, die wir dringend brauchen.“

Die Grünen-Politikerin war empört („Ich sehe keinen Grund, das gegeneinander auszuspielen.“), sprach kurze Zeit später aber von einem der Probleme der Koalition, sich nur bei Themen zu einigen, die nichts kosten: „Man kann keinen Fortschritt machen, ohne Geld in die Hand zu nehmen.“ Die ökonomische Verunsicherung provoziere, so Appuhn, gesellschaftliche Gegenwehr und mache Menschen anfällig für Hass wie Hetze, „Um langfristig gesellschaftlichen Fortschritt zu machen, kommt man nicht herum, diese Gerechtigkeitsfragen anzugehen und das tut Ampel nicht.“

Für sie würde sich die Zukunft der Regierung beim nächsten Haushalt entscheiden: Entweder schaffe man es, „endlich Schluss zu machen mit dieser wirklich ideologisch verblendeten Schuldenbremse oder – das ist mein Favorit – Superreichen zu besteuern.“ Dass das mit der FDP gelingt, ist angesichts der Reaktion von Kubicki unwahrscheinlich: „Glauben Sie, dass diese Vorgehensweise die deutsche Wirtschaft freut, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze behalten?“, meinte er und fügte mit Blick auf die junge Kollegin hinzu: „So naiv können Sie auch nicht sein!“ (tsch)