Zwei Gleisarbeiter kamen im Mai 2023 bei einem schrecklichen Zugunglück in Hürth ums Leben, fünf weitere konnten sich in letzter Sekunde retten. Nun, über zwei Jahre später, startet am 1. Juli der Gerichtsprozess.
Tragödie in HürthProzess nach tödlichem Zugunglück: Zwei Gleisarbeiter starben

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Der Intercity, der gegen 11 Uhr bei Hürth zwei Arbeiter erfasst hat, wird abgeschleppt (Archivfoto).
Mehr als zwei Jahre nach dem verheerenden Zugunglück in Hürth-Kalscheuren, bei dem zwei Gleisarbeiter ihr Leben verloren, beginnt am 1. Juli der Prozess vor dem Amtsgericht Brühl.
Ein 54-jähriger Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens muss sich dort wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Dies bestätigte die Direktorin des Amtsgerichts auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Intercity 2005 rauschte mit Tempo 160 auf den Bautrupp zu
Doch was genau geschah am Donnerstag, dem 4. Mai 2023? An der Bahnstrecke in Hürth-Kalscheuren (Höhe Marktweg) waren sogenannte Handstopfarbeiten geplant. Dabei werden Gleise manuell bearbeitet, um die korrekte Spurweite und Schienenhöhe zu gewährleisten.
Ein Tiefbauunternehmen hatte die Gleisbauarbeiten übernommen, die Absicherung der Baustelle oblag einer Sicherungsgesellschaft. Der nun Angeklagte soll als deren Mitarbeiter die Verantwortung getragen haben.
Um 11.18 Uhr raste der Intercity 2005, unterwegs von Emden über Köln nach Koblenz, mit 160 km/h auf den Bautrupp zu. Der Lokführer leitete eine Notbremsung ein, als er die Menschen auf den Gleisen sah. Fünf der insgesamt sieben Arbeiter und Arbeiterinnen konnten sich in letzter Sekunde durch einen Sprung zur Seite retten. Doch die beiden 27 und 31 Jahre alten Männer, die direkt im Gleis standen, wurden vom Zug erfasst und tödlich verletzt. Der Intercity benötigte laut Aktenlage einen Bremsweg von 608 Metern.
Nach Prüfung und Sichtung aller Dokumente sowie der Befragung von Zeugen und Zeuginnen wurde zunächst gegen zwei Beschuldigte ermittelt. Doch gegen einen der Männer stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts wieder ein.
Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer erklärte damals: „Gegen ihn stand der Vorwurf im Raum, als sogenannter ‚Technischer Berechtigter‘ pflichtwidrig die vermeintliche Sperrung der betreffenden Gleise zur Durchführung notwendiger Arbeiten kommuniziert zu haben mit der Folge, dass sich die betreffenden Arbeiter in den – tatsächlich nicht gesperrten – Gleisabschnitt begaben und zwei Personen von einem heranfahrenden Intercity tödlich erfasst wurden. Nach Durchführung umfangreicher Ermittlungen hat sich ein solcher Sorgfaltspflichtverstoß jedoch nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit belegen lassen.“
Im Dezember 2024, rund eineinhalb Jahre nach dem Unglück, reichte die Staatsanwaltschaft Köln die Anklage gegen den zweiten Mann beim Amtsgericht Brühl ein.
Die Anklage legt dar, dass eine klare Anweisung über Verantwortlichkeiten und Arbeitsabläufe in Form einer Betriebs- und Bauanweisung der Auftraggeberin existierte. Demnach durften die Arbeiten erst starten, wenn alle betrieblichen Voraussetzungen erfüllt, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen und der zuständige Fahrdienstleiter dem Technischen Berechtigten die Freigabe erteilt hatte.
Automatisches Warnsystem lag im Kofferraum
Der Sicherungsplan sah vor, das Gleis an der Arbeitsstelle zu sperren. Für das nicht gesperrte Nachbargleis war zusätzlich ein Sicherungsposten eingeplant. Näherte sich ein Zug, sollten die Arbeiter und Arbeiterinnen durch akustische Signale einer sogenannten ATWS-Anlage gewarnt werden. ATWS steht für Automatic Track Warning Systems und ist ein spezielles Sicherungssystem für Gleisbauarbeiten.
Das Amtsgericht teilt weiter mit, dass der Angeklagte „entgegen dieses Sicherheitsplans den Gleisbauarbeitern und Gleisarbeiterinnen die Sperrung des Gleisabschnitts mitgeteilt und die Freigabe der Arbeiten erklärt haben soll, obwohl die Sperrung des Gleises nicht bestätigt worden war. Zudem soll der Angeklagte die Sicherungsposten nicht vorschriftsgemäß eingewiesen und positioniert, sowie nicht mit der ATWS-Anlage ausgestattet haben. Die Anlage soll sich im Kofferraum des Angeklagten befunden haben.“ (red)