Sie lagen im SchuhkartonNie gesehene Fotos aufgetaucht – Kölner Legende zeigt seine Kindheit

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Diese Fotos sind einzigartig und zeigen das Leben in der Kölner Südstadt. Jetzt wurde dazu ein Bildband veröffentlicht.

von Ayhan Demirci (ade)

Ein Kölner Schatz ist gehoben, er lag in einem Schuhkarton, Fotonegative!

Wie der legendäre Kölner Fotograf Chargesheimer um 1957 herum das Alltagsleben in der Kölner Südstadt eingefangen hat – erst jetzt können wir diese einzigartigen Szenen sehen. Schwarz und weiß und ganz hinreißend (siehe Fotogalerie oben).

Faszinierender Blick aufs Kölner Vringsveedel

Der Kölner Eusebius Wirdeier, selbst Fotograf, der sich mit Leben und Werk des mit nur 48 Jahren gestorbenen Chargesheimer beschäftigt, hat die Aufnahmen aus einer vergangenen Epoche im Rheinischen Bildarchiv entdeckt, erforscht und damit druckfähig gemacht: „Fotogeschichten Kölner Südstadt“ (240 Seiten, 49,95 Euro, Emons Verlag) gewährt anhand bislang unbekannter Fotos einen faszinierenden Blick aufs Vringsveedel.

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Und nicht nur das: Fern von irgendeiner Ahnung, was der Name Niedecken einmal für die Stadt und die Kölner und sogar die deutsche Musikgeschichte bedeuten würde, fing Chargesheimer (1924 bis 1971) bei seinen Streifzügen auch Niedecken-Motive ein.

Bilder von früher

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Das Lebensmittelgeschäft von Wolfgang Niedeckens Vater gleich am Fuß der Torburg, Severinstraße 1 – mal am Rande, mal im Zentrum der Beobachtung (im Schneeregen), mal ist es Josef Niedeckens Opel P4, der geparkt auf der Straße vor dem Geschäft steht.

Wer hätte das Auto Baujahr 1936 besser identifizieren können als der 1951 geborene Wolfgang Niedecken? Sein Vater war der BAP. Und so stand Niedecken, der vor wenigen Tagen 73 geworden ist, bei der Entstehung des Bildbandes Pate – als Kind der Südstadt ergänzt er die Chargesheimer-Fotos um eigene Geschichten und Bilder aus dem Familienalbum.

Wolfgang Niedecken stand Pate bei Kölner Bildband

Seine Erinnerungen sind präzise und lebendig, das Zeugnis einer spannenden, abenteuerlichen Kindheit und Jugend.

Drei Südstädter bei der Buchpräsentation: Wolfgang Niedecken (l.), Eusebius Wirdeier (r.) und EXPRESS-Redakteur Ayhan Demirci, (1968 bis 1973, Severinswall).

Drei Südstädter bei der Buchpräsentation: Wolfgang Niedecken (l.), Eusebius Wirdeier (r.) und EXPRESS-Redakteur Ayhan Demirci, (1968 bis 1973, Severinswall).

Die kleine Geschäftswelt am Anfang der Severinstraße mit den ihm bis heute vertrauten Namen von Metzgern, Bäckersfrauen, Gastwirten und den Familien seiner Schulkameraden und -kameradinnen nennt Niedecken den „Broadway meiner kleinen Welt, in der ich mich so sicher aufgehoben fühlte wie in einem Dorf, in dem jeder auf den anderen aufpasste. Vor allem auf die Kinder.“

Die Brauereipferde von Reissdorf sind in Erinnerung geblieben

Der Kosmos rund um den Chlodwigplatz hatte viel zu bieten: Wolfgang Niedecken erzählt von den Brauereipferden der Reissdorf-Brauerei, die beschlagen wurden, vom ganz eigenen Charisma der Hafenarbeiter, die er an der Seite seines Vaters sah, wenn sie gemeinsam Ware abholten, er räumt aber auch freimütig ein: In Richtung Elsaßstraße musste man auf der Hut sein – von den Kindercliquen gab es regelmäßig Abreibungen.

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Und Chargesheimer? Seine Fotos sind berührend. Um so mehr verblüfft es, dass eine Sammlung derart aussagekräftiger Fotos so viele Jahre der Öffentlichkeit verborgen geblieben ist. Aber besser jetzt als nie.

Eusebius Wirdeier, der mit eigenen Südstadt-Fotos zum umfassenden Porträt des Vringsveedels beiträgt, schreibt, dass es noch einer „gründlichen Erschließung“ des künstlerischen Werkes von Chargesheimer bedarf. Am 19. Mai 2024 wäre der als Karl Heinz Hargesheimer in Köln geborene große Fotograf 100 Jahre alt geworden.