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Sexueller MissbrauchErzbistum Köln zahlt Rekordsumme

Missbrauchsopfer Melanie F. im Landgericht Köln bei der Schadenersatzklage gegen das Erzbistum Köln.

Melanie F. mit einem ihrer Anwälte im Landgericht Köln.

Aktualisiert

Eine Rekordzahlung von 360.000 Euro vom Erzbistum, doch bei der Empfängerin kommt keine Freude auf. Für Melanie F. (59) ist das Geld nur ein schwacher Trost für ein zerstörtes Leben – und ihr Kampf um wahre Gerechtigkeit geht in die nächste Runde.

„Ich weiß gar nicht, ob ich mich freuen soll“, mit diesen Worten reagiert Melanie F. (59) auf eine Nachricht, die eigentlich ein Grund zur Freude sein sollte.

Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) der katholischen Kirche hat ihr eine Rekordsumme von 360.000 Euro zugesprochen. Es ist der höchste Betrag, der je im Erzbistum Köln an ein Opfer sexuellen Missbrauchs gezahlt wurde. Das berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Doch für die 59-Jährige ist es nur Geld. Ihre Gefühle, sagt sie, seien zerstört worden. In den 1980er-Jahren wurde sie von ihrem Pflegevater, dem Priester Hans Ue., systematisch vergewaltigt. „Meine Emotionen sind zerstört worden“, sagt sie. Lachen? Das kann sie bis heute kaum.

Der Fall von Melanie F. ist besonders perfide. Der Täter, der 2022 zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, erhielt vom damaligen Kölner Kardinal Joseph Höffner die Erlaubnis, die Vormundschaft für die damals 13-Jährige und einen Jungen zu übernehmen.

Sie lebten als die „Kinder des Kaplans“ mit dem Priester unter einem Dach. Dort erlebte Melanie F. die Hölle. „Immer samstags“, berichtet sie, „zwischen Beichte und Abendmesse“. Nach der Tat nahm der Vergewaltiger ihr die Beichte ab. Zweimal wurde sie schwanger, beim ersten Mal zwang er sie zur Abtreibung.

All das brachte sie vor die UKA. Zunächst erhielt sie 70.000 Euro. Doch dann kam die Wende: 2023 sprach das Landgericht Köln einem anderen Missbrauchsopfer, Georg Menne, 300.000 Euro Schmerzensgeld zu. Ein Paukenschlag!

Da sich die UKA an den Urteilen staatlicher Gerichte orientiert, stiegen die Zahlungen plötzlich an. Melanie F. stellte einen neuen Antrag – mit Erfolg. So wie sie legten Hunderte andere Betroffene Widerspruch ein.

Die Missbrauchsbeauftragte des Bundes, Kerstin Claus, sieht in den hohen Zahlungen ein wichtiges Signal. Es sei eine Anerkennung des erlittenen Leids. Zwar könne Geld eine verlorene Kindheit nicht ersetzen, aber es helfe vielen Betroffenen, die oft von Armut betroffen sind. Claus lobt das strukturierte Verfahren der katholischen Kirche und stellt klar: Die evangelische Kirche hinke „um Jahre hinterher“. Für die dortigen Betroffenen sei das „tatsächlich desaströs“.

Melanie F. fordert 850.000 Euro Schmerzensgeld

Doch für Melanie F. geht es um mehr als die UKA-Zahlung. Sie hat das Erzbistum Köln auf 850.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Sie und ihr Anwalt Eberhard Luetjohann sind überzeugt: Die Kirche muss für die Taten ihres Priesters haften.

Das Landgericht Köln wies die Klage zunächst ab. Die unfassbare Begründung: Der Priester habe in seiner Freizeit gehandelt. Dagegen hat Melanie F. Berufung eingelegt. Die Argumentation sorgt für Empörung, denn nach katholischem Verständnis ist ein Priester immer im Dienst.

Kardinal Rainer Woelki selbst sorgte für eine bemerkenswerte Klarstellung. Ein Priester sei tatsächlich „immer Priester“ und habe „nie einfach Feierabend“. Eine Aussage, die im krassen Gegensatz zur Verteidigungsstrategie seiner Bistumsanwälte und -anwältinnen steht.

Ob Woelkis Worte im Berufungsprozess eine Rolle spielen werden, ist unklar. Doch die Anwälte und Anwältinnen des Bistums haben bereits einen neuen Schachzug vorbereitet. Sie argumentieren: Sollte das Gericht Melanie F. ein Schmerzensgeld zusprechen, müsse die bereits gezahlte UKA-Leistung von 360.000 Euro angerechnet werden.

Der frühere Kölner OLG-Richter Lothar Jaeger hält diese Anrechnung zwar persönlich für falsch, glaubt aber, dass die Richter und Richterinnen am Oberlandesgericht der Argumentation des Erzbistums folgen könnten. (red)

Der Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen spricht von Rosinenpickerei der Kirche. „Wenn Missbrauchsopfer den Klageweg beschreiten und vor einem ordentlichen Gericht Recht bekommen, soll aus der freiwilligen Leistung doch ein Schmerzensgeld werden? Das mag der Form nach angehen, ist aber dem Vorgehen nach dennoch höchst fragwürdig.“

Dieser Inhalt wurde mit Hilfe von KI erstellt.