Die geschlossene Welt des Kölner ErzbischofsMit Methoden wie in autokratischen Systemen verteidigt Woelki nur noch sich selbst

Verheerende Umfragewerte: Kardinal Rainer Maria Woelki genießt laut einer Forsa-Umfrage nur noch wenig Vertrauen unter Kölnerinnen und Kölnern. (Archivbild)

Verheerende Umfragewerte: Kardinal Rainer Maria Woelki genießt laut einer Forsa-Umfrage nur noch wenig Vertrauen unter Kölnerinnen und Kölnern. (Archivbild)

Lediglich von drei Prozent aller Kölnerinnen und Kölner erhält Woelki noch Zustimmung – ein Befund totaler gesellschaftlicher Isolierung.

von Gerald Selch

Es sind die verheerendsten Umfragewerte, die das renommierte Meinungsforschungs-Institut Forsa jemals für eine öffentliche Person gemessen hat: Drei Prozent Zustimmung für Kardinal Rainer Woelki in Köln. Drei. Selbst im älteren Teil der Bevölkerung und bei der christdemokratischen Klientel – also dort, wo er tendenziell am ehesten auf Rückhalt hoffen könnte – kommt Woelki gerade noch auf 6 beziehungsweise 7 Prozent Zustimmung.

Das ist nicht nur Ausdruck eines Vertrauensverlusts. Das ist ein Befund totaler gesellschaftlicher Isolierung. Und das ist, mit Verlaub, nicht die Schuld von Journalisten.

Die Leitung des Erzbistums Köln hat den Kompass verloren

Wer angesichts solcher Zahlen meint, in die Wagenburg flüchten zu müssen, um von dort aus den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und seinen Chefkorrespondenten Joachim Frank zum Feindbild zu erklären, hat den Kompass verloren.

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Der Kardinal und seine Pressestelle suggerieren in einer Pressemitteilung indirekt, die repräsentative Umfrage sei manipulativ, der Journalist habe sie initiiert, sie sei Teil eines persönlichen Feldzugs gegen ihn. Große Nachrichtenagenturen machten den gesamten Vorgang am Donnerstag bundesweit öffentlich.

Zuvor bereits warf Woelkis Amtsleiter Frank Hüppelshäuser unserem Kollegen, obwohl alle Fakten stimmen und auch nicht bestritten werden, eine „menschenverachtende“ Berichterstattung vor. Über die offiziellen Kanäle des Erzbistums.

Dieses Vorgehen ist nicht nur falsch, sondern auch brandgefährlich. Das Erzbistum folgt dem Muster der autokratischen Diskursverschiebung, wie wir sie von Donald Trump oder der AfD kennen: Wenn die Realität nicht gefällt, wird sie diskreditiert. Wenn der Überbringer der Nachricht stört, wird er persönlich angegriffen.

Dabei ist die Stimme eines Erzbischofs und Kardinals gerade in der heutigen Zeit immens wichtig. Er darf – ja: muss – sich in Debatten äußern. Zur Frage des Lebensschutzes, zu ethischen Grenzfragen, zur Sexualmoral – niemand hindert ihn daran, sich zu positionieren, wo immer er sich sieht. Im Gegenteil. Gerade eine Stadt wie Köln würde sich einen Kardinal wünschen, der präsent ist, seine Stimme erhebt und auch gehört wird. Was aber nicht geht: den gesellschaftlichen Konsens über das Grundrecht auf Pressefreiheit aufzubrechen und alles, was nicht ins eigene Weltbild passt, zur Verleumdung zu erklären.

So funktioniert kein Diskurs. So funktioniert Populismus.

Der Kulturkampf, den das Erzbistum Köln mit solch gezielten Diskreditierungen offenbar befeuern will, läuft ins Leere. Es gibt keine linke Verschwörung gegen Woelki, keine medial orchestrierte Hetzjagd. Was es gibt, ist ein Kardinal, der meint, er könne gesellschaftliche Legitimität nicht durch Vertrauen, sondern durch Deutungshoheit gewinnen.

Die Strategie dahinter ist durchschaubar: Nicht überzeugen, sondern ausgrenzen. Nicht zuhören, sondern abschotten. Nicht aufklären, sondern verklären. Alles, was draußen gesagt wird, ist falsch, weil es von draußen kommt. Und drinnen bleibt nur, wer im kleinen Kardinalszirkel mitmarschiert.  

Woelki ist in Köln isoliert

In dieser geschlossenen Welt scheinen eigene Fehler unvorstellbar, persönliche Entschuldigungen ausgeschlossen zu sein. Wohlgemerkt bei einem kirchlichen Würdenträger, für den Selbstkritik und Demut schon von Amts wegen selbstverständlich sein sollten.

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in diesem Jahr. (Archivbild)

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in diesem Jahr. (Archivbild)

Doch selbst als unlängst die Staatsanwaltschaft Köln am Ende eines Ermittlungsverfahrens wegen Meineid-Verdachts glasklar feststellte, Woelki habe wahrheitswidrige Angaben gemacht, ließ dieser trotzig erklären: „Der Kardinal ist und bleibt unschuldig.“ Punkt. Ein „Ich bedauere, tut mir leid“ kommt ihm offenbar nicht in den Sinn, geschweige denn über die Lippen. So ist Woelki, obwohl Rheinländer gerne verzeihen, in der Stadtgesellschaft seit Jahren persona non grata und in seiner Kirche der Hirte ohne Herde.

Kardinal Rainer Maria Woelki sagt, es gehe ihm um den Schutz des Glaubens. Tatsächlich verteidigt er nur noch sich selbst.