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Überraschendes Urteil in KölnEr sollte Obdachlose töten: Angeklagter (61) geht als freier Mann

Der 61-Jährige sitzt neben seinem Anwalt auf der Anklagebank.

Er wollte Obdachlose erlösen: Ein 61-Jähriger, hier beim Prozessauftakt am 19. April 2023 mit seinem Verteidiger Sven Nelke, wird nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. 

Der Fall sorgte für Aufsehen: Ein 61-Jähriger machte mit einem Schießkugelschreiber Jagd auf Kölner Obdachlose. Jetzt ist das Urteil in dem Prozess gefallen. 

von Iris Klingelhöfer (iri)

Stimmen befahlen ihm, Obdachlose zu „erlösen“, sprich zu töten ... Am Mittwoch (21. Juni 2023) ist vor dem Kölner Landgericht das Urteil gegen einen 61-Jährigen gefallen, der mit einem Schießkugelschreiber auf Obdachlose geschossen hat.

Der Fall ist nicht nur wegen der Tatwaffe ungewöhnlich. Dem Beschuldigten, der laut Anklage die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit beging, drohte die Unterbringung im „Psycho-Knast“. Doch es kam anders.

Schießkuli-Fall: Urteil vor Kölner Landgericht gefallen

„Der Antrag auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird abgelehnt“, erklärte der Vorsitzende Richter im Urteil. Der Beschuldigte war bereits vor einigen Tagen aus der LVR-Klinik Essen, in der er seit seiner Festnahme untergebracht war, entlassen worden.

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In der Urteilsbegründung erklärte der Richter, dass der 61-Jährige erheblich vermindert steuerungsfähig, seine Steuerungsfähigkeit möglicherweise sogar aufgehoben gewesen sei. Demnach habe er ohne Schuld gehandelt. Die Stimmen seien an dem Tag für den 61-Jährigen handlungsbestimmend geworden, so der Vorsitzende Richter.

Auf der anderen Seite sei der 61-Jährige jedoch psychisch gesund. Es habe weder Anzeichen für eine Psychose, Schizophrenie noch konkrete Anhaltspunkte auf Neben- oder Wechselwirkungen mit den Medikamenten, die der Frührentner einnimmt, gegeben. Der Vorsitzende Richter: „Man hat keine greifbare Diagnose, keine Erklärung.“ Es sei aber wissenschaftlich anerkannt, dass auch gesunde Menschen durchaus Stimmen hören können. 

Urteil im Schießkuli-Prozess: „Da haben die Stimmen Überhand genommen“

Der 61-Jährige leitet an Multiple Sklerose und einer Trigeminusneuralgie (chronische Schmerzerkrankung), wurde deswegen frühverrentet und zog sich aus dem sozialen Leben zurück. Stimmen hatte er bereits vor der Tat als diffuses Geräusch wahrgenommen, das er aber durch Musikhören dämpfen konnte.

Kurz vor der Tat sei zudem eine depressive Stimmung dazugekommen, schilderte der Vorsitzender Richter. Dazu gab es Probleme mit der Ehefrau. Unmittelbar vor der Tat habe diese nach einem Streit das Haus verlassen. „Da haben die Stimmen Überhand genommen“, so der Richter. Der Beschuldigte habe den Entschluss gefasst, den Stimmen zu folgen, damit sie aufhören.

Mit Schießkuli Jagd auf Obdachlose am Kölner Hauptbahnhof

Am Abend des 19. Oktober 2022 fuhr der 61-Jährige, bewaffnet mit einem Schießkugelschreiber samt neun Patronen (Kaliber 22) und einem Klappmesser, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Kölner Hauptbahnhof. Dort fand er schnell sein erstes Opfer. Einen schlafenden Obdachlosen, auf den er den Schießkuli richtete und abdrückte. 

Ein Schießkugelschreiber

Mit solch einem Schießkugelschreiber schoss der 61-Jährige am Kölner Hauptbahnhof auf Obdachlose. 

Die Waffe hatte aber Ladehemmung. Nachdem der Beschuldigte draufhin außerhalb des Hauptbahnhofs einen erfolgreichen Probeschuss abgab, zielte er – geleitet von den Stimmen – auf den Kopf eines anderen Obdachlosen. Dieser wurde an der Hand, die er schlafend an seine Wange gehalten hatte, getroffen. In der Unterführung zur Johannesstraße schoss er auf einen dritten Obdachlosen. Die Kugel traf diesen am Jochbein. 

Der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegrüundung: „Er hätte weiterschießen können, hätte auch das Messer ziehen können – doch er hat von den Opfern abgelassen.“

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Stattdessen ging der 61-Jährige mit erhobenen Händen auf Kräfte der Bundespolizei zu und ergab sich. Auch im Prozess hatte sich der Mann aus Erftstadt von Anfang an geständig gezeigt. Er beteuerte, dass die Stimmen direkt nach den Taten aufgehört hätten und nicht wiedergekommen seien. Von den Opfern konnte keines zu dem Prozess geladen werden. Alle habe keine feste Adresse, gehören der Obdachlosenszene an. 

Gemeinsam mit seiner Frau, die im Gerichtssaal im Publikum saß, konnte der 61-Jährige das Kölner Landgericht als freier Mann verlassen. Im letzten Wort hatte er erklärt: „Sie werden mich hier nicht wiedersehen.“