Es klingt unglaublich: Am Gebäude der Technischen Hochschule in der Kölner Südstadt sind zwei stilisierte, aus der Zeit der NS-Herrschaft stammende Halkenkreuze nicht bemerkt worden. Die TH hat entschieden, wie sie damit verfährt: Die Relikte sollen bleiben.
Relikte von 1936Hakenkreuze an Kölner Hochschule

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Verschnörkelt, aber eindeutig: Die Kölner Metallbaufirma Kotthoff gestaltete die Halterung der Fahnenmasten am damaligen „Gauhaus“ in Form eines Hakenkreuzes.
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Ein Hakenkreuz im öffentlichen Raum: Wie beginnt man über 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Geschichte über ein Relikt des Nationalsozialismus, welches nur ein Detail darstellt, das aber heute noch in Köln sichtbar ist – und niemand weiß davon.
Vielleicht so: „Ihre Recherche zum Gebäude Claudiusstraße 1“, ist die E-Mail der Kommunikationsabteilung der Technischen Hochschule Köln an den EXPRESS betitelt. Darin betont Sprecherin Sybille Fuhrmann, dass sich die TH Köln „seit vielen Jahren mit der wechselvollen Geschichte des Hauses“ auseinandersetze. Der transparente Umgang mit dem historischen Erbe des Gebäudes Claudiusstraße 1, auch mit seiner Nutzung als Sitz der Gauleitung in den Jahren der NS-Herrschaft, sei der Hochschule ein Anliegen.
NS-Relikt fiel bei einem Treffen des EXPRESS mit Historiker auf
Die unwahrscheinlichen Relikte sind Teil der original erhaltenen zwei Fahnenmasten am repräsentativen Haupteingang der Hochschule am Römerpark in der Kölner Südstadt. Die jeweils an einem großen Steinsockel angebrachte Halterung der Masten hat die Form eines – leicht verschnörkelten – Hakenkreuzes. Auch das stilisierte Eichenlaub an der Konstruktion entspricht der NS-Symbolik. Die Anlage stammt aus der im Jahre 1882 als Bauschlosserei gegründeten Kölner Kunstschmiedewerkstatt August Kotthoff. Der Name Kotthoff ist im Metall eingeprägt.
Aufgefallen ist das NS-Relikt bei einem Treffens des EXPRESS mit dem Historiker und Autor Dr. Dominik Glorius, der zum Leben des Kölner Gauleiters Josef Grohé (1902-1987) forscht. In den Jahren, in denen Grohé in dem schlossartigen, neobarocken Gebäude residierte, gaben die Nationalsozialisten dem Inneren und Äußeren des 1907 als Sitz der Höheren Handelsschule fertiggestellten, später von der Kölner Universität genutzten Baus ein faschistisches Gesicht.

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Der Eingang des Hauptgebäudes der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) in der Claudiusstraße. Die Fahnenmasten stammen aus der NS-Zeit.
Ein Reichsadler über einem Hakenkreuz und drei schmiedeeiserne Gittertüren mit NS-Emblemen prägten den Eingangsbereich der Parteizentrale. Der Treppenaufgang erschien in Form eines Hitler-„Altars“, nachdem der Brunnen im Zentrum des Treppenhauses zur Gedenk- und Weihestätte für getötete Nationalsozialisten – „Blutzeugen der Bewegung“ – umgestaltet und ein großes „Führer“-Porträt an der Stirnwand des Foyers angebracht wurde.
Erhalten geblieben sind hier der radförmige schmiedeeiserne Kronleuchter mit einem Durchmesser von 2,50 Metern. Auch die vier ebenfalls von der Firma Kotthoff hergestellten Außenlaternen stammen aus der Zeit als „Gauhaus“.
„27 verschiedene Ämter waren in der Kölner NSDAP-Zentrale untergebracht. Auch das Rassenpolitische Amt der NSDAP im Gau Köln-Aachen“, erzählt Dominik Glorius, „mit Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze war eine Eheschließung oder der Eintritt in die Beamtenlaufbahn nur möglich, wenn man einen sogenannten Ariernachweis beibringen konnte. Das waren Behördengänge, die man hier im Haus an der Claudiusstraße erledigte.“
Auf einem Foto aus dem April 1937, das Glorius in einer Ausgabe der Zeitung Der Neue Tag entdeckt hat, sind die beiden Fahnenmasten aus der Zeit der Nazi-Herrschaft zu erkennen. Der Bericht „Gestern Nachmittag am Gauhaus“ handelt von einer Feierstunde zur Eröffnung der „Meldestellen der Hitlerjugend“. Vor der beflaggten Gau-Zentrale stehen Hunderte Kinder und Jugendliche in Formation.

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Der Name der Kölner Firma Kotthoff ist in die Befestigung eingeprägt (oben zu sehen).
Dass jene Fahnenmasten samt Nazi-Symbolik noch immer dort stehen – zwischenzeitlich war das Gebäude 16 Jahre lang Sitz der Deutschen Lufthansa, ehe 1971 die Fachhochschule Köln, später Technische Hochschule, einzog – ist Ende des Jahres 2024 auch einem Studenten der TH aufgefallen.
Die Hochschulleitung erreichte die Anregung, die Relikte zu entfernen. Was tun? In der eingangs zitierten Antwort-Mail teilt die Hochschule gegenüber EXPRESS mit: „Wir sehen es als Aufgabe und gesellschaftliche Verpflichtung, die vorhandenen Halterungen der Fahnenmasten mit ihrer eindeutigen NS-Symbolik als Geschichtszeugnisse nicht zu verdecken. Es ist unser Interesse, gemeinsam mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, Niederlassung Köln, als Eigentümer und der Bezirksregierung Köln als Denkmalbehörde, eine Lösung zu finden, um dieses historische Erbe bzw. die Nutzungsgeschichte des Gebäudes in geeigneter Weise auch dauerhaft zu dokumentieren.“
Ein Mahnmal befindet sich bereits jetzt in unmittelbarer Umgebung der beiden Fahnenmaste und Hakenkreuze: Das in den Jahren 2001 bis 2018 entstandene Bodendenkmal „Namen der Autoren“ erinnert an die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten am 17. Mai 1933, die den Beginn systematischer Verfolgungs- und Vernichtungspolitik markierte – sie fand am Gebäude statt, das damals Sitz der 1919 wiedergegründeten Kölner Universität war. In den Boden sind die Namen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern eingemeißelt, deren Werke unter der Parole „Wider den undeutschen Geist“ vernichtet wurden, von Bertolt Brecht bis Stefan Zweig, von Else Lasker-Schüler bis Anna Seghers.

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Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer
Diese Geschichte stammt aus dem neuen Köln-Buch „Kölner Geheimnisse Band 2/ 50 neue spannende Geschichten aus der Dom-Metropole“, die im Bast-Verlag erschienen ist (192 Seiten, 24 Euro). Sieben Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes sind es diesmal die Autoren Ayhan Demirci und Maira Schröer, die sich auf die Spuren Kölner Geschichte begeben haben und ausgehend von Objekten und Relikten in der Stadt von außergewöhnlichen Begebenheiten erzählen.

