Missbrauch Bergisch GladbachAngeklagter (43) gibt vor Kölner Gericht Erklärung ab

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Der Angeklagte verdeckte sein Gesicht am Montag im Saal mit einem Schnellhefter.

Köln – Als der Angeklagte den Saal 210 des Kölner Landgerichts betritt, zittert die Hand, mit der er sich einen roten Schnellhefter vor das Gesicht hält. Die Bühne, die ihn am Montagmorgen (17. August) erwartet, ist ganz anders, als die Welt, in der er seine Taten begangen haben soll: Es herrscht maximale Öffentlichkeit. Eine Traube aus Fotografen und Kameramännern erwartet Jörg L. – ein Andrang, den selbst das Kölner Gericht nicht oft erlebt.

Vor einer Woche war der Prozess-Auftakt wegen eines Feuer-Alarms im Landgericht noch verschoben worden.

Missbrauch Bergisch Gladbach: Start des Prozess gegen Jörg L. (43) 

Was er getan haben soll, wird ihm in einer mehr als einstündigen Anklage referiert: dutzendhafter Missbrauch seiner erst 2017 geborenen Tochter. Im Geheimen. Dann, wenn seine Frau fort und er alleine mit dem Mädchen gewesen sei. Am Wickeltisch, auf dem Ehebett, im Planschbecken.

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Jörg L. steht stellvertretend für den sogenannten Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach, daher das große Interesse.

Missbrauch in Bergisch Gladbach: Der Fall zieht riesige Kreise

Der Fall erstreckt sich mittlerweile auf ganz Deutschland – eine Durchsuchung bei dem Koch und Hotelfachmann im Herbst 2019 brachte ihn ins Rollen. Polizisten fanden riesige Mengen kinderpornografischen Materials. Und sie stießen auf digitale Kontakte zu anderen Männern, die in einer Parallelwelt im Netz Bilder und Videos von Kindesmissbrauch austauschen – im Vertrauen darauf, unter sich zu bleiben. Mittlerweile gehen Ermittler Spuren zu Tausenden Verdächtigen nach.

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Der Prozess-Auftakt war wegen des Feuer-Alarms am 10. August um eine Woche verschoben worden.

Ein weiterer Grund für die Bedeutung des Prozesses sind die massiven Vorwürfe gegen den 43-Jährigen. Insgesamt 79 Taten werden ihm zur Last gelegt. Die meisten betreffen den Missbrauch seiner sehr kleinen Tochter im Einfamilienhaus in Bergisch Gladbach, in dem die Familie gemeinsam lebte. Den Großteil der Taten soll er mit seinem Smartphone dokumentiert haben, um die Bilder und Videos später an gleichgesinnte Männer zu verschicken.

Missbrauchs-Fall vor Kölner Gericht. Schlimme Details in der Anklage

Staatsanwältin Clémence Bangert trägt Details vor, bei denen Beobachtern im Saal der Atem stockt. Etwa, wenn sie beschreibt, wie das Mädchen laut weinend die Worte „Mama! Nein!“ und „Aua!“ rief und sich wehrte, während der Vater ihre Gliedmaßen zurecht gedrückt habe, um den Missbrauch besser filmen zu können.

Umso länger Bangert liest, desto verstörender wird es. Am Ende kommt sie zu Taten, die der Angeklagte gemeinsam mit einem seiner Chat-Partner begangen haben soll - der gemeinsame Missbrauch von anvertrauten Kindern, etwa in einer angemieteten Suite mit Whirlpool und Sauna.

Missbrauch Bergisch Gladbach: Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Der Angeklagte – kahl rasierter Kopf, gestutzter Bart – verfolgt das Gesagte stumm. Im Herbst 2019 wurde er festgenommen, damit endet der Zeitstrahl von Vorwürfen, die im Säuglingsalter seiner Tochter begannen. Vor dem Gericht liegt nun viel Arbeit. Die Anordnung einer Sicherungsverwahrung steht im Raum. Der Angeklagte, dem bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe drohen, wird durch einen psychiatrischen Sachverständigen begutachtet.

Jörg L. soll bereits geholfen haben, Chat-Partner zu identifizieren. Am Montag erklärt er zudem, sich zu den Vorwürfen einlassen zu wollen. Dafür wird aber auf Antrag der Anwältin, die seine Frau und seine Tochter vertritt, die Öffentlichkeit aus dem Saal gebeten. Sie will das Mädchen schützen, wenn die vorgeworfenen Taten im Detail erörtert werden. Auch die Aussage der Mutter soll später ohne Presse erfolgen. (dpa)