Victor Hugos Reise-TagebuchDie Köln-Lobhudelei des Rheinromantikers

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Dramatiker und Dichter Victor Hugo (1802-1885), der Köln und dem Rhein ein Loblied schrieb.

Köln – Ich liebe Frankreich wie meine Mutter, ich liebe Deutschland wie meine Urmutter“, schreibt der französische Dichter und Dramatiker Victor Hugo („Der Glöckner von Notre-Dame“) im August 1839 seinem deutschen Verleger Johann David Sauerländer.

Victor Hugo: Reise mit seiner Muse Juliette Drouet

Kurz vorher hat Hugo mit seiner Muse, der Schauspielerin Juliette Drouet eine Reise durch das Elsass, die Schweiz und die Provence angetreten. Sie führt beide über Toulouse, Nancy, Zabern und Straßburg erstmals an den Rhein.

Ich ging durch Köln wie ein Barbar

Während dieser ersten Rheinreise kommt Hugo nach Köln und ärgert sich nachher in einem Brief: „Ich bin über mich selbst aufgebracht. Ich ging durch Köln wie ein Barbar.“ Er schreibt, er habe nur die Kathedrale und das Rathaus besucht: „Man muss in einer Stadt wie Köln sein, dass dieses für wenig gelten kann.“

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Der erste Weg führt Hugo zum Kölner Dom 

Sein erster Weg führt den Dichter wie fast alle Reisenden also zum Dom. Besonders beeindruckt ist er von dem großen Baukran: „Der ungeheure symbolische Kran, der von der Höhe des Turms jedem Vorübergehenden verkündet: Dass diese unvollendete Kirche in einem oder zwei Jahrhunderten die größte Kathedrale der Welt sein wird.“

Mit dem Dampfschiff von Köln nach Andernach 

Auch auf seiner zweiten Rheinreise ein Jahr später begleitet ihn Juliette. Hugo aber lässt wissen, er reise allein und „ohne jede andere Absicht, als viel zu träumen und ein wenig nachzudenken“ wieder an den deutschen Strom. Mit dem Dampfschiff von Köln kommend, steigen beide im September im Andernacher Hotel „Zum Russischen Kaiser“ ab.

Der Rhein:  Der Fluss der Krieger und Denker

Hugo ist ohne Zweifel begeistert! Seiner Gattin Adèle schreibt er ins heimische Paris: „Oui, mon ami ..., das ist ein edler, feudaler, republikanischer, imperialer Fluss, dem es gebührt, zugleich deutsch und französisch zu sein. Die ganze Geschichte von Europa … liegt in diesem Fluss der Krieger und Denker…“.

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Der romantische Rhein: Lithographie von Karl Christian Köhler um 1870.

Dass ein Literat seines Kalibers, der viel gesehen hat, der in Paris, Neapel und Madrid aufgewachsen ist, eine solche Begeisterung für den Rhein zeigt – das will was heißen.

Und Hugo kommt aus der Rheinschwärmerei gar nicht mehr heraus: Er lobt St. Goar, schreibt über einen Spaziergang am Rhein: „Schieferbänke, halb abgebröckelt, steigen aus dem Strom und bedecken das Ufer wie riesige Schildkröten-Schalen“.

Bacherach: „Das Wunderland am Rhein“

Über Oberwesel notiert er: „Wie fast alle Rheinstädte hat auch Oberwesel auf seinem Berg eine Burg in Ruinen, den Schönberg, eines der bewunderungswürdigsten Schuttwerke, die es in Europa gibt.“

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Rheinromatik: Bacharach mit der Wernerkapelle (um 1840).

Und auch an Bacharach findet Hugo Gefallen: „Drei Tage brachte ich in Bacharach zu, einer Art Wunderland am Rhein“, schreibt er. „Bacharach ist wohl der älteste von Menschen bewohnte Ort, den ich in meinem Leben gesehen.“

Im Januar 1842 bringt Victor Hugo dann seine zweibändige Ausgabe „Le Rhin. Lettres à un ami“ heraus, noch im gleichen Jahr erscheint in Frankfurt am Main die deutsche Fassung. 

Tagebuch ist heute Klassiker der Reiseliteratur

„Le Rhin“, der Klassiker der Reiseliteratur, ist mehr als ein bloßer Reisebericht. Hugo geht es nicht um das bloße Zusammentragen von Fakten oder die Wiedergabe bekannter Sagen. Er greift unbekannte Erzählungen auf und streut sogar von ihm selbst erfundene Märchen ein. Heute ist dieses literarische Rheindenkmal das Werk, das der Rheinromantik den Schlusspunkt setzt.

Vater der Rheinromantik ist Philosoph Schlegel 

Als Vater der Rheinromantik gilt Kulturphilosoph Friedrich Schlegel, der 1806 auf einer Reise nach Paris die Schönheit der Rheinlandschaft entdeckt: „Für mich sind nur die Gegenden schön, welche man gewöhnlich rau und wild nennt; denn nur diese sind erhaben, nur erhabene Gegenden können schön sein, nur diese erregen den Gedanken der Natur....“.

Als Vorläufer versteht man heute übrigens Rhein-Reiseberichte von Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und Heinrich von Kleist.