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Kriegsende in KölnKampf um Niehl – Nazis flüchten durch Kanal

Arbeiten am Düker, der 1929 fertiggestellt wurde.

Arbeiten am Düker, der 1929 fertiggestellt wurde.

Köln – Der Niehler Chronist Johann Lemper (1883-1956) notiert in seinem Haus an der Sebastianstraße die Kriegsgeschehnisse in seinem Viertel.

Es ist Sonntag, der 4.?März 1945, heute vor 70 Jahren, als die US-Truppen auch in Kölns nördlichen Vororten stehen. Sie hatten ihren Vormarsch gestoppt, bis sich die Brand- und Rauchwolken über der zerbombten Stadt verzogen hatten. Seit dem Fliegerangriff vom Freitag, schreibt Lemper, ist Niehl „ohne Wasser, Gas und elektrischen Strom. Kein Telefon funktioniert. Keine Zeitung erscheint. Keine Straßenbahn fährt. Der Bau von Schützengräben wird eingestellt.“

Die sogenannte Düker-Anlage der Kölner Stadtentwässerung am Niehler Damm, eingeweiht 1929, wird zum Schauplatz dramatischer Ereignisse. In diesem Gebäude befindet sich der Düker (niederdeutsch für „Taucher“), ein Leitungssystem aus zwei Röhren mit einem Durchmesser von 1,25 und 1,85 Metern.

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Die Röhren, in die der größte Teil des linksrheinischen Abwassers gelangt, sind 455 Meter lang und führen unter dem Rhein durch ins rechtsrheinische, wo das Klärwerk Stammheim liegt.

"Rhein unterqueren"

In Köln ist nur noch eine einzige Brücke intakt, so dass die Düker-Röhren eine Alternative für die Flucht vor den Amerikanern sind. Nach Lempers Aufzeichnungen befielt der Kölner NS-Spitzenfunktionär Richard Schaller dem Aufseher der Dükeranlage nur Personen, die eine rote Durchlasskarte mit den Nummern 1 bis 35 vorzeigen können, „den Rhein unterqueren zu lassen“. Um 14 Uhr bringe er sich selbst „mit seinen Getreuen“ durch den Dükerkanal „nach rechtsrheinisch in vorläufige Sicherheit.“

Die Bevölkerung in Niehl steht derweil vor einer harten Probe. Das Viertel soll durch Panzersperren gehalten werden, Lemper benennt die Standorte: „Die Merkenicher Straße an der Sebastianstraße zwischen den Häusern Sebastianstraße 157 (Chr. Steinbüchel) und 171 (Schenkel); die Sebastianstraße zwischen 185 und 190 (Nohl, Kulinski); die Feldgärtenstraße kurz vor der Einfahrt zum Krankenhaus, der Niehler Damm südlich der Gaststätte P. Häkes (heute „Damm-Stüffje“), und die Durchfahrt über den Hof des Hauses (Esser/Häkes) Sebastianstraße 208.“

Pro Sperre, so Lemper, sind „4 Kisten Gewehrpatronen und 7 Panzerfäuste“ ausgeliefert worden. Er ergänzt: „Die Anbringung von Schießscharten in der Umfriedung des St.-Agatha-Krankenhauses wurde durch eine Schwester unter Berufung auf das Statut der Genfer Konvention verhindert.“

Abwehr ist zwecklos

Die dem 4.?März und den vorhergehendenTagen zuzuordnenden Ereignisse enden hier.

NS-Funktionäre, die jetzt spöttisch „Goldfasane“ genannt werden, vernichten die Zeugnisse ihrer sterbenden Macht: Nazi-Uniformen und Mitgliedskarten werden verbrannt, die Ortsgruppe Nippes hat die Parteizentrale in der Simon-Meister-Straße in Brand gesteckt.

Es gibt nicht genug zu essen, es kommt zu massenhaften Plünderungen in der Stadt

Der 57-jährige Postangestellte Hans Diefenbach beobachtet: „Volkssturm geht über die Militärringstraße in die Schlacht. Ein Bild des Jammers.“ Der Volksturm, den die Nazis in der Endphase des Krieges in die Schlacht werfen, besteht aus „waffenfähigen Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren“, die die NSDAP zum Kriegseinsatz aufruft.

Die Lage ist grotesk. Diefenbach beobachtet am Abend des 4. März: „...alles hatte sich verkrochen, nur in Nähe des Maarweges kamen zurückgehende Soldaten und fragen nach Stüssgen.“

Bei den Kämpfen um Niehl, die sich am 5.?März verstärken und am 6.?März 1945 ihren Höhepunkt erreichen, kommt es zu Todesopfern auf beiden Seiten. Der 45-jährige deutsche Panzergeneral Harald Freiherr von Elverfeldt, der beim Westfeldzug und der Invasion in Polen und Russland, bei den Kämpfen auf der Krim und in der Normandie beteiligt war, hat im Bunker des Hauses Hillesheimstraße 12 (Familie Kastenholz) die Befehlsstelle zur Verteidigung Niehls eingerichtet.

Aber die Abwehr ist zwecklos. Niehler Zivilisten kommen durch Artillerie ums Leben. Lemper: „An der Ecke Sebastianstraße/Schifferstraße wird ein Mann der Grenzpolizei durch Granatsplitter verwundet. Die ihm zu Hilfe eilenden Josef Kulinski und Peter Walldorf werden mit ihm durch eine folgende Granate getötet.“

Und weiter: „Um 8.45 Uhr ist die Spitze der Amerikaner, ein Panzerspähwagen und sechs Panzer, ohne Kampf bis zum Güterbahnhof vorgedrungen. Die Panzer stehen in einem Abstand von 10 m auf der Scheibenstraße bis zur Pferderennbahn.“

Nachdem sie Niehl erreicht haben, ist der Zollbeamte Gerd Wuske, der mit einem Gewehr auf einen US-Panzer schießt, der erste Niehler Gefangene, den die Army macht.

An der Amsterdamer Straße, hinter der Barbarastraße, wird später der Panzergeneral von Elverfeldt mit seinem Tross vollständig aufgerieben. Er kommt dabei ums Leben.

Die letzten Kriegstage in Köln - wir berichten am 5. & 6. März in unserem historischen Liveticker.

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