Ein Kölner pendelt zwischen seiner Heimat und dem Ukraine-Krieg.
Kölner kämpft für die Ukraine„Ich kann selten ohne Tablette schlafen“

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Hugo bei einem Einsatz in der Ukraine. Das Bild wurde leicht bearbeitet, um die genaue Position unkenntlich zu machen. Das Originalfoto liegt der Redaktion vor. (Archivbild)
Aktualisiert
„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Wenn Hugo spricht, spürt man die Frustration. Der Mann aus Köln sitzt in einem Café, doch seine Gedanken sind an der Front in der Ukraine. „Ich kann nichts Gutes erzählen“, wiederholt er. Dieses Jahr war er bereits für zwei Einsätze im ukrainischen Militär.
Kurz vor dem Gespräch in Köln sorgte der 28-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump für Aufsehen. Viele Kritiker und Kritikerinnen sehen darin eine reine Wunschliste des Kremls: Gebietsabtretungen, eine verkleinerte ukrainische Armee und der Verzicht auf einen Nato-Beitritt.
Hugo, 38 Jahre alt, mit kurzen, blonden Haaren, wurde in Wowtschansk geboren, einer kleinen ukrainischen Stadt nahe der russischen Grenze. 2010 kam er für seine Freundin nach Deutschland und wurde deutscher Staatsbürger.
Als Russland am 24. Februar 2022 die gesamte Ukraine angriff, zögerte er nicht: Er schrieb sein Testament, verabschiedete sich und zog in den Krieg. Sein Heimatort Wowtschansk liegt heute in Trümmern, das Haus seiner Großmutter ist abgebrannt.
Hugo, der in Wirklichkeit anders heißt, hat bereits zuvor mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über sein Leben zwischen den Welten gesprochen. Er erzählte von der trügerischen Hoffnung vor dem Angriff und seinem grausamen Alltag im Krieg. Kurz vor Weihnachten steht nun seine zehnte Rotation an – es geht zurück in die Ukraine.
„Im Krieg ist kein Platz für Optimisten“
„Im Krieg ist kein Platz für Optimisten.“ Das hat mein erster Hauptmann uns zu Beginn der Vollinvasion gesagt. „Seid zu 70 Prozent Pessimisten, um zu erkennen, was passieren kann. Seid zu 30 Prozent Realisten und bereitet euch auf diese Situationen vor. Aber vergesst den Optimismus.“ Heute verstehe ich ihn. Hoffnung schafft nur Illusionen, sie verdreht die Realität. Hoffnung ist Gift.
In diesem Jahr war ich bei zwei Einsätzen dabei. Einmal habe ich am Stützpunkt neue Soldaten und Soldatinnen ausgebildet, das andere Mal war ich an einer Stellung nahe der Gefechtslinie. Wir leben dort in Tunneln, koordinieren, reparieren und trainieren. Von dort evakuieren wir auch Infanterie-Soldaten und -Soldatinnen von den vordersten Stellungen. Unsere Stellung wurde zweimal bombardiert. Es fällt mir nicht mehr schwer, danach zum Alltag zurückzufinden. Schwarzer Humor hilft und der Adrenalin-Schock. Du fühlst dich unfassbar gut, weil du merkst: Ich lebe noch. Aber das hat seinen Preis. Ich kann selten ohne Tablette schlafen.
Die Infanterie-Einheiten und ihre Fahrer und Fahrerinnen gehen das größte Risiko ein. Der Weg zur vordersten Position und zurück ist der gefährlichste Teil. Man fährt durch eine von Drohnen verseuchte Todeszone. Es ist die Hölle. Die Drohnen warten überall versteckt: am Boden, auf Mauern, auf Dächern. Kommt jemand vorbei, greifen sie an. Der Bereich dahinter ist die Rote Zone, wo Drohnenangriffe ebenfalls alltäglich sind. Diese Zone ist breiter geworden, weil die Drohnen heute dutzende Kilometer weit fliegen können.

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Hugo beim Einsatz in der Ukraine. Das Bild wurde leicht bearbeitet, um unter anderem die genaue Position unkenntlich zu machen. Das Originalfoto liegt der Redaktion vor.
Dieses schrille Surren der Drohnen macht die Menschen kaputt. Einige Soldaten und Soldatinnen blicken nach ihrer Rückkehr nur noch zum Himmel, selbst wenn sie in Sicherheit sind. Ihre Gesichter, ihre Augen bei der Rückkehr sind unvorstellbar. Manche können nicht mehr schlafen, wenn irgendwo ein rotes oder grünes Licht blinkt.
Niemand will zur Infanterie, aber es ist notwendig. Manche werden dorthin versetzt. Andere sind so voller Wut, dass sie sich freiwillig melden. Ich kenne einen Kameraden, der seit 2014 kämpft und schon in russischer Kriegsgefangenschaft war. Ein Großteil seiner Familie wurde bei Angriffen getötet. Ich glaube, er hat sich freiwillig gemeldet, weil er nichts mehr zu verlieren hat.
Im Februar sind es vier Jahre Krieg. Vier Jahre, in denen die Ukraine die zweitstärkste Armee der Welt aufgehalten hat. Das hat uns erfahrener und militärisch stärker gemacht, aber auch wütender und hasserfüllter. Der Hass wächst mit jedem Angriff, mit jedem getöteten Kameraden und jeder getöteten Kameradin.
„Was sollen wir ihnen sagen? Tut uns leid, ihr seid umsonst gestorben?“
Auf seinem Handy zeigt Hugo Videos, die lieber für sich sprechen sollen. Ein verlassenes Dorf an der Front. Ukrainische Soldaten und Soldatinnen, die einen streunenden Hund kraulen. Auf der Straße liegt ein toter russischer Soldat. Dann ein Video aus einem Tunnel der ukrainischen Stellung, wo ein kleiner Kater namens Pedro über ein Feldbett läuft. Plötzlich erschüttert eine Explosion das Bild, das Licht flackert, Erde rieselt von der Decke.
Hugo wischt weiter. Eine ukrainische Drohne filmt die Evakuierung seiner Einheit. Ihr Fahrzeug rast über einen Feldweg, zwei Minen explodieren. Der Fahrer wird langsamer, wendet, gibt wieder Gas. Doch es ist zu spät. Eine russische Rakete schlägt von hinten ein.
„Kurz nach meinem Einsatz ist ein Soldat gefallen, den ich selbst ausgebildet hatte. Wir nannten ihn Mars*. Seine Familie kontaktierte mich besorgt. Ein Anruf bei einem Kameraden brachte die traurige Gewissheit: Mars war tot. Ein anderer Freund, Kelvin*, war Fahrer und Sanitäter. Es war sein Fahrzeug, das in dem Video von der russischen Rakete getroffen wurde.“
Viele meiner Kameraden und Kameradinnen sind gefallen, um unsere Stellungen zu halten. Auch deshalb kann die Ukraine den „Friedensplan“ von Trump nicht akzeptieren. Was sollten wir ihnen sagen? „Tut uns leid, ihr seid umsonst gestorben?“ Sollen wir die Kriegsverbrechen vergessen, die russische Soldaten und Soldatinnen verübt haben? Das geht nicht. Der Plan verlangt, dass wir Gebiete aufgeben, die Russland noch gar nicht erobert hat. Das wäre unser Ende.
Hugo warnt: „Ich sage seit Jahren, dass Russlands Pläne weiter gehen als die Ukraine. Europa ist darauf nicht vorbereitet.“ Bei einem Treffen mit Bundeswehr-Angehörigen und Reservisten und Reservistinnen fragte er nach Kampferfahrung. Sein Urteil: „Vergesst sie. Wer vor 2024 gekämpft hat, kennt keinen modernen Krieg. Selbst unsere Soldaten und Soldatinnen, die zuletzt 2023 im Einsatz waren, wären 2025 völlig überfordert.“
Die letzten vier Jahre haben ihm die Hoffnung geraubt. „Auf die westlichen Länder, die uns nur genug Waffen geben, um unsere Stellungen gerade so zu halten. Auf die Menschheit. Ich habe keine Lust mehr.“ Er fühle sich, als habe er schon fünf Leben gelebt. „Ich habe weder Wünsche noch Pläne“, sagt er resigniert.
„Um Weihnachten fahre ich zurück in die Ukraine zu meinem nächsten Einsatz“, erzählt Hugo. Einmal, vor zwei Jahren, feierte er Weihnachten an der Front. „Damals war die Stimmung mies, also habe ich mit einem Kameraden Zutaten für ein Weihnachtsessen besorgt. Nichts Besonderes. Aber wir konnten essen, reden und ein bisschen feiern.“ (red)
*Namen wurden geändert
Dieser Inhalt wurde mit Hilfe von KI erstellt.
