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Kölner GeheimnisseBriten-Jet liegt begraben unter der Erde

Parkplatz in Köln-Ossendorf

Werner Müller steht auf der von der britischen Militärregierung erbauten Rollbahn auf dem ehemaligen Flugplatz Butzweilerhof.

Aktualisiert

In der Reihe Kölner Geheimnisse geht es diesmal um ein britisches Flugzeugwrack, das unter Kölner Erde liegt – und was die britische RAF außerdem in der Stadt hinterlassen hat. RAF gleich: Royal Air Force.

In den 1920er-Jahren war der Kölner Flughafen Butzweilerhof nach Berlin-Tempelhof die zweitgrößte Flughafenanlage Deutschlands und galt als „Luftkreuz des Westens“. Der 1926 im linksrheinischen Ossendorf aus der umgebauten Anlage der Fliegerstation in Dienst genommene erste Flughafen der Stadt hat eine wechselvolle Geschichte. Keiner weiß das besser als der auf die Kölner Luftfahrt spezialisierte Heimatforscher Werner Müller.

Ein Feld aus mehr als Hundert Betonplatten neben dem Kreisverkehr Mathias-Brüggen-Straße/von-Hünefeld-Straße bildet das Relikt, von dem Müller erzählt. Für die allermeisten ist es nur ein großer Parkplatz, dabei handelt es sich um die Reste einer von der britischen Luftwaffe, der Royal Air Force (RAF), erbauten Rollbahn.

Britischer Royal begutachtete Kölner Flughafen

Die britische Militärregierung hatte den Butzweilerhof beschlagnahmt, von 1947 bis 1967 war die RAF auf dem Flugplatz stationiert. Die Engländer hatten den südlichen Teil bezogen, während für die belgischen Heeresflieger im nördlichen Bereich eine Kaserne erbaut wurde. Insgesamt war der Butzweilerhof eine der größten Kasernen der Royal Air Force in Deutschland.

Die Geschichte wiederholte sich. Die RAF hatte den Flugplatz bereits nach dem Ersten Weltkrieg von 1918 bis 1926 besetzt. Im Winter 1918/19 war hier auch eine australische Fliegereinheit stationiert. Damals inspizierte der Duke of York, der spätere King George VI., Vater von Elisabeth II., die RAF-Station Butzweilerhof.

Illustres erlebte der Flugplatz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die RAF-Big-Band, die Unterhaltung für die Armeeangehörigen in Deutschland bot, hatte in Köln ihr Hauptquartier. Bisweilen flog auch künstlerische Prominenz ein: Die britische Pop-Legende Cliff Richard habe seinen Landsleuten in der ehemaligen, zum Kinosaal umgebauten Empfangshalle des Flughafens ein Konzert gegeben, weiß Müller, dessen Recherchefieber auch nach Jahrzehnten noch brennt, selbst wenn er manchmal nicht hinterherkommt: Der Geschichtsforscher wollte dem 1940 geborenen Richard, Interpret zahlreicher Pop-Hits wie „We Dont Talk Anymore“, schon längst einen Brief geschrieben und nach seinen Erinnerungen an den Auftritt gefragt haben, bevor es zu spät ist.

Popsänger Cliff Richard

Der britische Popsänger Cliff Richard trat vor britischen Armeeangehörigen in der Empfangshalle des Butzweilerhof auf.

So, wie die Briten den „Butz“ anfangs vorfanden, war es nötig, nachzurüsten. Start- und Landebahnen waren für Propellerflugzeuge ausgelegt und bestanden schlicht aus Rasen. „Die britischen Jagdflugzeuge der späten 1940er-Jahre hatten aber schon die ersten Düsenantriebe. Wenn die auf einem Rasenplatz starteten, bliesen sie mit dem Rückstrahl die Grünfläche kaputt, wodurch herumliegende Rasenstücke und Erde in die Triebwerke gelangen konnten“, erklärt Müller.

Deshalb wurden ab Dezember 1946 im westlichen Bereich des Butzweilerhofs sogenannte PSP-Bahnen – Pierced Steel Planking – verlegt, also gelochte Stahlplatten, die ineinander gehakt wurden. „Eine Erfindung des US-Marinecorps im Pazifik, die damit ihre Feldflugplätze auf den Inseln ausgelegt haben“, erläutert Werner Müller. In den späteren Jahren wurden diese Stahlbahnen dann durch die Betonrollbahn ersetzt.

Auch das heutige Umfeld des Geländes ist bemerkenswert: Östlich grenzt an die ehemalige Rollbahn eine der ungewöhnlichsten Aldi-Filialen Deutschlands mit komplett verspiegelter Fassade, westlich befindet sich vis-à-vis die Produktionsstätte der Kofferfirma Rimowa. Letztere verdankt ihren Kultstatus der parallel gefalzten Rillenstruktur der Kofferschalen, die an die Aluminiumaußenhaut von Junkers-Flugzeugen erinnert. Passt ja.

Statt Junkers-Flugzeugen war der „Butz“ mit dem Einzug der Briten zum Schauplatz der Royal Air Force-Maschinen geworden, darunter die „Vampire“. Das einstrahlige Kampfflugzeug des Herstellers „de Havilland“ war 1945 in Dienst gestellt worden, nahm aber nicht mehr an Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges teil. Die Flugzeuge blieben bis 1955 im Einsatz – dem Flughafen Butzweilerhof fiel dann eine besondere Rolle zu: „Hier wurden die alten Flugzeuge der RAF gelandet, demontiert und die Reste verschrottet“, erzählt Werner Müller.

Flugzeug-Leiche in Köln begraben

Im Sommer 1953 hatte eine Panne bei der Landung noch zu einer ungeplanten Verschrottung geführt. Einer „Vampire“ war auf den stählernen PSP-Bahnen ein Reifen geplatzt, der Pilot hatte die Kontrolle verloren und die Maschine „rutschte mit Funken über die Bleche“, so der Luftfahrtexperte. Das Flugzeug habe dadurch einen Totalschaden erlitten, sei ausgeschlachtet, anschließend in eine nahe gelegene Kiesgrube gebracht, mit Erde überdeckt und begraben worden.

Laut Müller wurde die Grube im Lauf der Zeit verfüllt und überbaut, sodass heute nichts mehr sichtbar ist. Das Wrack der „Vampire“ befindet sich wohl unter dem unbebauten Grundstück neben der heutigen Günter-Plüschow-Straße. „Schade eigentlich“, meint Müller. „Es gibt weltweit nur vier Museumsmaschinen. Damit dürfte die ‚Vampire‘ in Köln die fünfte noch existierende Maschine sein, auch wenn sie sich in schlechtem Zustand befindet. Die Außenstelle des Imperial War Museums in Duxford hat auf Nachfrage bestätigt, dass es sich um ein wertvolles Stück Luftfahrtgeschichte handelt, das unbedingt geborgen werden sollte.“

Dabei wäre Werner Müller schon froh, wenn die ehemalige Rollbahn – potenzielles Bauland – als Relikt der weltweit unvergleichlich reichen Kölner Luftfahrtgeschichte, zu der auch die Ära der Luftschiffe, Köln als Zentrale der Lufthansa, ein weiterer Flugplatz in Köln-Ostheim sowie die Wasserflugzeughäfen auf dem Rhein gehören, möglichst erhalten bliebe.

Diese Geschichte stammt aus dem Köln-Buch „Kölner Geheimnisse Band 2/ 50 neue spannende Geschichten aus der Dom-Metropole“, das im Bast-Verlag erschienen ist (192 Seiten, 24 Euro). Sieben Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes sind es diesmal die Autoren Ayhan Demirci und Maira Schröer, die sich auf die Spuren Kölner Geschichte begeben haben und ausgehend von Objekten und Relikten in der Stadt von außergewöhnlichen Begebenheiten erzählen.

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer

Cover Kölner Geheimnisse Band 2 von Ayhan Demirci und Maira Schröer