Uwe JacobKölns Polizeipräsident geht in Pension – ein Fall hat ihn besonders mitgenommen

Polizeipräsident Uwe Jacob steht vor dem Kölner Polizeipräsidium

Polizeipräsident Uwe Jacob steht vor dem Kölner Polizeipräsidium, wo er seinen Chef-Sessel jetzt räumt und sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.

Tschö, Uwe Jacob! Kölns Polizeipräsident geht in Pension. Der gebürtige Duisburger, der in Moers wohnt, leitet die Behörde seit dem 12. Juli 2017. Jetzt räumt er den Chef-Sessel. Wer ihm nachfolgt, ist noch unbekannt.

von Iris Klingelhöfer (iri)

Als er 2017 zum Kölner Polizeipräsidenten ernannt wurde, sei er selbst am meisten überrascht gewesen, erzählt Uwe Jacob (65) im Interview mit EXPRESS.de. Es folgte eine herausfordernde, erfolgreiche, zum Teil auch Nerven aufreibende Zeit – und es entstand eine Liebe zu Köln, Leverkusen und den Menschen der Stadtregion.

Viereinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt verabschiedet sich Uwe Jacob am Montag (31. Januar 2022) in den Ruhestand. Natürlich mache er an seinem letzten Tag noch ganz normalen Dienst, sagt er. „Und um 14 Uhr, so der Plan, wird Herr Reul mir im Präsidium die Verabschiedungsurkunde übergeben. Ganz offiziell bin ich dann noch bis 24 Uhr Polizeipräsident in Köln und Leverkusen“, erklärt er.

Mit einem Augenzwinkern ergänzt er: „Ich werde mir dann aber die Freiheit nehmen, ab 14 Uhr noch 60 Tage Urlaub und 1200 Überstunden abzufeiern. Das wird auch klappen, denn am 1. Februar ist alles weg.“

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Kölns Polizeichef: Dom „abgepollert“, um Menschen zu schützen 

EXPRESS.de: Als Sie Polizeipräsident wurden: Was haben Sie sich fest vorgenommen – und was konnten Sie davon „erledigen“?

Uwe Jacob: „Das ist nicht meine erste Funktion, die ich übernommen habe. Ich war auch schon Behördenleiter im Landeskriminalamt, war davor im Innenministerium und in vielen anderen Funktionen. Und ich bin immer so verfahren: Ich gucke erstmal, was ich da übernehme. In Köln habe ich eine wohlgeordnete Behörde vorgefunden, wo hochengagierte Menschen arbeiten. Meine Hochachtung ist von Tag zu Tag gestiegen. Als erstes haben wir uns mit aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus beschäftigt. Damals habe ich auch so ‚freche‘ Sätze gesagt, wie ‚Den Hamburger Michel kennen die Hamburger, den Kölner Dom als herausragendes Symbol der Christenheit in Deutschland kennt die ganze Welt‘. Letztendlich sollte dies die damalige außergewöhnlich große, abstrakte Bedrohung verdeutlichen und wir waren uns einig, den Dom ‚abzupollern‘. Die ganze Situation wurde mit der Stadt, mit dem damaligen Herrn Stadtdirektor Keller und mit Frau Oberbürgermeisterin Reker ausführlich erörtert – sollen wir noch mehr absperren, sollen wir die ganze Stadt ‚abpollern‘? Das machte überhaupt keinen Sinn und es ist beim Dom geblieben. Festhalten möchte ich aber ausdrücklich, wir wollten primär nicht den Dom schützen, sondern die vielen tausend Menschen, die täglich rund um den Dom unterwegs sind.“ 

Was war Ihre größte Überraschung?

Uwe Jacob: „Die größte Überraschung war, dass ich Polizeipräsident von Köln geworden bin. Damit hätte ich nie gerechnet, als ich 1974 Polizist geworden und in Duisburg-Hamborn Streife gefahren bin.“ 

Uwe Jacob: Viele beeindruckende Tage als Polizeipräsident

Welchen Tag werden Sie nie vergessen?

Uwe Jacob: „Da gibt es sicherlich viele beeindruckende Tage in diesen viereinhalb Jahren, in denen unglaublich viel passiert ist. Ein für mich sehr emotionaler Moment war, als vier junge Afghanen von der Domplatte aus ‚Allahu Akbar‘ gerufen haben und dann in den Hauptbahnhof gerannt sind. Wir konnten einen bevorstehenden Anschlag nicht ausschließen und haben alle verfügbaren Einsatzkräfte zum Hauptbahnhof geschickt. Ein Kradfahrer, der als erster da war, hatte seine Waffe gezogen und die jungen Afghanen bis zum Eintreffen der Unterstützungskräfte zu Boden gesprochen. Ich habe die beteiligten Kolleginnen und Kollegen hinterher alle ins Präsidium eingeladen und habe mit ihnen geredet. Ich weiß gar nicht warum, aber sie hatten wohl befürchtet, ich würde ihnen nach den bundesweit aufkommenden Rassismusvorwürfen ‚den Kopf waschen wollen‘. Die Polizei hätte wissen müssen, dass es der Tag des Zuckerfestes war. Ich war und bin noch immer der Auffassung: Wer vor dem Dom ‚Allahu Akbar‘ ruft und dann in den Hauptbahnhof läuft, der wird von der Polizei in Köln festgenommen und dann wird die Sache erstmal überprüft. Später habe ich auch mit den jungen Afghanen gesprochen und sie sagten, sie wollten nur mal einen Scherz machen. Da kann ich allerdings keinen Scherz erkennen. In einem sehr persönlichen Gespräch schilderte mir der Kradfahrer seine Sicht der Dinge. Er habe nicht überlegt, sondern nur noch funktioniert – was er da getan hat, sei ihm erst hinterher bewusst geworden, als er abends seine kleine Tochter ins Bett gebracht hat. Da ging ihm das alles noch einmal durch den Kopf und er sagte: Was habe ich da eigentlich gemacht? Was wäre, wenn der wirklich einen Sprengstoffgürtel oder eine Handgranate gehabt hätte? Er sagte, da seien ihm die Tränen gekommen. Und da habe ich gemerkt, unter welchem Druck der Kollege stand. Und ich kann nur sagen: meine Hochachtung. 

Ein weiterer Fall ist die Sonderkommission ‚BAO Berg‘, die mich zwei Jahre begleitet hat, mit ganz vielen grauenhaften Schicksalen. Aber auch mit sehr positiven Elementen, wenn man sah, wie die Kolleginnen und Kollegen sich gefreut haben, wenn sie wieder helfen konnten und wieder ein Kind befreit wurde. Das sind sicherlich solche Momente gewesen.

Wie auch die großen Vereidigungsfeiern vor Corona in der Lanxess-Arena, die wir für das ganzes Land Nordrhein-Westfalen ausgerichtet haben. Wenn sie die Angehörigen sehen, wie stolz die auf ihre jungen Töchter und Söhne, Ehepartner oder Freunde sind. Und wie diese sich freuen, in der riesigen Arena vereidigt zu werden.

Oder auch relativ kleine Dinge: wir machen hier jährlich Charity-Aktionen, selbst in Coronazeiten, wo wir einen riesigen Weihnachtsbaum im Foyer haben, wo wir mit Kinderheimen kooperieren und sich die Kinder kleine Geschenke wünschen dürfen – und innerhalb eines Tages sind alle Wünsche erfüllt. Die Kolleginnen und Kollegen verpacken die Geschenke dann liebevoll und ich durfte sie übergeben. Wenn man dann in die Kinderaugen guckt, das ist einfach großartig.”

BAO Berg: Auch Politiker sollte sehen, was für ein Grauen verübt wird

Welcher Fall hat sie besonders mitgenommen?

Uwe Jacob: „Das ist sicher die BAO Berg und alles, was damit zusammenhängt. Ich hatte ja auch beim LKA die Zentrale Auswertungsstelle Kinderpornografie, in der entsprechende Informationen gesammelt werden. Dort habe ich mir Beispiele einen ganzen Tag lang vorführen, zeigen und erläutern lassen – und wenn sie dann die abscheulichen sexuellen Missbräuche an Kindern sehen; das sind Geräusche und Bilder, die kann man nicht vergessen. Ich meine aber, dass Führungskräfte so etwas auch zur Erfüllung ihrer Fürsorgepflichten gesehen haben müssen. Ebenso Politiker sollten sehen, was für ein Grauen da verübt wird, um die angemessenen gesetzlichen Maßnahmen in den Parlamenten zu beschließen. Viele Menschen denken, diese Kriminalität findet irgendwo auf der Erde statt, aber nicht in meiner Nähe – nein, die findet mitten unter uns in der Nachbarschaft und in den Familien statt – und das viel zu häufig.“ 

Was werden Sie als Pensionär als erstes tun, auf was freuen Sie sich am meisten?

Uwe Jacob: „Als erstes werde ich ausschlafen. Ich habe aber nicht den großen Masterplan und will auch kein Buch schreiben. Natürlich wollen meine Frau und ich reisen, sie ist aber noch eineinhalb Jahre berufstätig. Wir haben an unserem Haus einiges vor. Vielleicht sehe ich meine Enkelkinder häufiger, wenn sie es wollen. Ich glaube nicht, dass ich Langeweile haben werde. Allerdings werde ich das Präsidium und die Menschen in Köln und Leverkusen sehr vermissen.“

Was werden Sie besonders vermissen?

Uwe Jacob: „Das sind sicherlich zuerst meine Kolleginnen und Kollegen. Da sind zum Teil in viereinhalb Jahren echte Freundschaften entstanden. Ich kannte Köln, die Behörde ja gar nicht. Auch in der Stadtgesellschaft werde ich die engen Kontakte, die in dieser Zeit entstanden sind, vermissen. Um nur einige aufzuzählen: die Städte Köln und Leverkusen, die Justiz, das Festkomitee, die verschiedenen Gesellschaften beim Karneval, die Kontakte zum FC und zu anderen Vereinen. In diesen Netzwerken konnte und durfte ich mich einbringen. Hier ist über das Berufliche hinaus mehr entstanden und das ist einfach toll. Diesen Zusammenhalt habe ich noch nie vorher erlebt. Deswegen genieße ich hier jede Minute – und mache bis zum letzten Tag meinen Dienst. Es war mir eine große Freude und ein Ehre!“