Todt und Brawn sprechen aus ErfahrungSchumi-Bosse: „Auch die Topteams kopieren“

Todt_Brawn_Schumi_1997

Das Ferrari-Trio Jean Todt, Ross Brawn und Michael Schumacher gewann zusammen fünf WM-Titel. Dieses Foto entstand am 22. August 1997 beim Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps.

von Oliver Reuter (reu)

Silverstone – Es ist in der Formel 1 das Aufreger-Thema, das Ferraris Fiasko komplett macht: Die rosa Mercedes-Kopie des bisherigen Mittelfeld-Teams Racing Point ist viel schneller als Sebastian Vettels (33) Rote Gurke. Und der 2021 als Aston-Martin-Werksteam antretende Rennstall aus Silverstone lässt sich vor seinem Heimrennen (Sonntag, 15.10 Uhr, RTL & Sky) auch nicht vom Renault-Protest beeindrucken. Doch die Zweifel bleiben: Ist der „Pink Panther“ RP20 einfach nur gut kopiert oder hat Mercedes seinem Kundenteam illegal Teile überlassen?

Racing-Point_Mercedes_Vergleich

Der Vergleich des aktuellen Racing-Point RP20 und dem Mercedes W10 von 2019 zeigt: Sie sind fast identisch.

Knackpunkt sind die Bremsschächte, die vom Weltverband FIA vor der Saison nicht überprüft worden waren. Während es nicht strafbar ist, Formel-1-Autos durch tausende Detailfotos zu kopieren, sind Racing Points verblüffend ähnliche Bremsbelüftungen für Renault bestes Indiz für ihren Vorwurf: Mercedes-Teamchef Toto Wolff (48) soll dem Kundenteam seines Aston-Martin-Geschäftspartner Lawrence Stroll (61) Zeichnungen oder sogar Teile überlassen haben, die von jedem Team zwingend selbst zu entwickeln sind.

Teile überlassen? Mercedes-Teamchef Toto Wolff dementiert

Das dementiert Wolff zwar, freut sich aber, dass die „Pink Panther“ Red Bull und Ferrari Punkte wegnehmen: „Der Racing Point ist ein Podiumskandidat, wenn nicht sogar ein Siegkandidat. Das zeigt, dass es mit der richtigen Führung, den richtigen Entscheidungsprozessen und dem nötigen Investment möglich ist, die Entwicklungskurve zu beschleunigen.“

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Bei diesen Worten dürften die Rivalen um Renault schäumen. Und auch die FIA traut der im Winter abgesegneten Mercedes-Kopie RP20 nicht. Bei den Rennen in Spielberg und Budapest wurden von FIA-Pedant Jo Bauer (59) Bremsschächte konfisziert, um sie mit denen des 2019er-Mercedes W10 zu vergleichen. Mit ersten Ergebnissen wird in Silverstone gerechnet.

Silverstone: Racing Point sieht Ergebnissen gelassen entgegen  

Doch denen sieht Racing-Point-Teamchef Otmar Szafnauer (55) gelassen entgegen: „Es ist unmöglich, dass unsere Bremsschächte illegal sind. Es dauert, diese Teile zu designen und zu bauen. Und wir haben 886 verschiedene Zeichnungen für unsere Bremsschächte. Wir sind da völlig unbesorgt. Wir sind in Österreich damit gefahren, wir sind in Ungarn damit gefahren – und wir werden auch in Silverstone damit fahren.“

Woher rührt diese Gelassenheit? Vielleicht daher, dass die überraschenden Erfolge eines kleinen Teams den Formel-1-Bossen im siebten Jahr der Mercedes-Monotonie ganz gelegen kommen. Jetzt meldet sich einer zu Wort, der mit seinem eigenen Team in der Saison 2009 dank des erst illegalen und nach dem FIA-Segen genialen Doppel-Diffusors sogar zum Titel düste: Ross Brawn (65). „Alle machen es, auch die Topteams“, sagt der Formel-1-Sportchef über das Kopieren bei „ams“.

Jean Todt: „Das geht mit Kopieren schneller als mit Selberbauen.“

Das weiß der Ferrari-Technikchef von Michael Schumacher (51) aus eigener Erfahrung. Nachdem die FIA seinen Doppel-Diffusor für legal erklärt hatte, mussten Ferrari, McLaren und Red Bull ihn schnellstmöglich kopieren. RB-Konstrukteur Adrian Newey (61) erinnert sich, wie das damals lief: „Ob der Doppel-Diffusor legal war oder nicht, war keine technische Entscheidung. Es ging nur darum, dass FIA-Präsident Max Mosley Ferrari und McLaren eine Lektion erteilen wollte.“

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Und auch Mosleys Nachfolger Jean Todt (74) weiß, wie das Spiel läuft. Er sagt über Aston-Martin-Milliardär Stroll: „Wir haben eine neue Generation Rennstallbesitzer. Das sind Leute, die investieren ihr privates Geld. Die wollen so schnell und so billig wie möglich maximalen Erfolg. Das geht mit Kopieren schneller als mit Selberbauen.“