Sportchef verrät Transfer-PlanKeller: „Interessant, dass der zum 1. FC Köln wechselt“

Christian Keller hält eine Rede im Rhein-Energie-Stadion.

Christian Keller nach dem letzten Saison-Spiel des 1. FC Köln, am 27. Mai 2023 gegen den FC Bayern München

Auf welchen Positionen sucht der 1. FC Köln neue Spieler? Was ist mit Benedict Hollerbach und Kingsley Schindler? Sportchef Christian Keller klärt auf.

Eine intensive Saison liegt hinter dem 1. FC Köln, ein extrem wichtiger Transfer-Sommer wartet. Sport-Geschäftsführer Christian Keller (44) verrät im Interview mit EXPRESS.de, welche Positionen auf seinem Wunschzettel stehen und wie die finanzielle Situation aussieht, er spricht über heiß diskutierte Personalien und hat eine klare Meinung zu Spieler-Verkäufen. Lesen Sie hier den ersten Teil.

Christian Keller, blicken wir zunächst auf die abgelaufene Saison zurück. Wie zufrieden sind Sie?

Keller: Fangen wir mal mit dem für uns Zentralsten an: der Leistung. Es gilt der Grundsatz Leistung vor Ergebnis, und da war ich – im Rahmen dessen, was diese Mannschaft leisten kann – über den Saisonverlauf hinweg echt zufrieden. Mit den Ergebnissen war ich dagegen nicht ganz zufrieden. Es waren mehrere Spiele dabei, wo wir mehr Punkte hätten holen können. Das liegt ein Stück weit daran, dass uns die Effizienz im letzten Drittel teilweise gefehlt hat.

Alles zum Thema Fußball-Bundesliga

Christian Keller: „Eine ganz große Stärke unserer Mannschaft“

War es für Sie persönlich die bisher intensivste Saison im Profi-Fußball?

Keller: Ich habe vor vielen Jahren einmal eine Saison erlebt, wo mein Auto zerkratzt wurde, die Stadt plakatiert war mit „Suchen neuen Sport-Geschäftsführer“ und die Leute bei fast jedem Spiel „Keller raus“ geschrien haben – insofern habe ich schon ganz anderes mitgemacht. Aber natürlich war die Saison intensiv. In der Conference League haben wir alles Undenkbare mitgenommen. Mit dem Gewalt-Eklat in Nizza über die mehrfache Spielunterbrechung in Belgrad bis zur Spielverlegung in Tschechien. Dann die Transfer-Sperre, die vielen Verletzten, die ewig lange WM-Pause und andere Nebenkriegsschauplätze wie das Leverkusen-Spiel – es war viel los.

Steffen Baumgart und seine Mannschaft mussten vielen Widerständen trotzen.

Keller: Diese Fähigkeit ist eine ganz große Stärke unserer Mannschaft – und des Trainerteams, das vorlebt, dass es immer weitergeht. Wir müssen nicht drumherum reden: Das Bestreben, physisch und mental an den 100 Prozent zu kratzen, brauchen wir auch weiterhin. Es gibt Mannschaften, die in der individuellen Qualität hochwertiger besetzt sind. Manche Klubs investieren finanziell das Doppelte, Dreifache oder noch mehr. Das müssen wir mit anderen Waffen kompensieren. Mit einem stabilen Kollektiv, einer systematischen Spielidee, einer klaren Führung, einer herausragenden Physis und der steten Bereitschaft, alles zu geben.

Sind diese 100 Prozent auf Dauer möglich oder braucht der Kader zusätzlich auch einfach mehr Qualität?

Keller: Ich denke, dass sich die Qualität automatisch erhöhen wird über Weiterentwicklung. Wir haben etliche Spieler, die vor einem Jahr noch keine Bundesliga-Profis waren und sich nun – der eine mehr, der andere weniger – zu solchen entwickelt haben. Nehmen wir mal Eric Martel, der am Schluss konstant sehr solides Bundesliga-Niveau gespielt hat. Er hat einen brutalen Sprung hingelegt und ist noch lange nicht fertig. Linton Maina genauso. Ich könnte noch ein paar Namen hinzufügen. Daher bin ich guten Mutes, dass wir konkurrenzfähig sind und bleiben.

Für welche Positionen suchen Sie aktuell neue Spieler?

Keller: Wir brauchen einen Torwart, der unser Quartett komplettiert. Denn es ist die klare Absicht, Jonas Urbig zu verlängern und erneut zu verleihen, um ihm noch mal Spielpraxis zu ermöglichen. Außerdem brauchen wir einen Sechser und einen etwaigen Rechtsverteidiger, was von der Verlängerung eines Bestandsspielers abhängt. Dazu in der Offensive sicherlich noch einen Spieler, der im Idealfall als zweite Spitze und Zehner spielen kann, sowie eine Alternative für die offensive Außenbahn.

Kingsley Schindler „hat ein Vertragsangebot vorliegen“

Sie sprechen die ungeklärte Zukunft von Rechtsverteidiger Kingsley Schindler an. Soll er bleiben? Wie ist der Stand in den Vertragsgesprächen?

Keller: Kingsley ist ein Spieler, der für unsere Mannschaft – unabhängig der sportlichen Bewertung – extrem wichtig ist. Er ist ein super Charakter, für die Homogenität der Gruppe Gold wert. Darüber hinaus passt er sich an jede Situation an und akzeptiert sie. Selbst wenn er draußen sitzt, ist er zu 100 Prozent auf Sendung. Sportlich hat er in gewissen Phasen gezeigt, dass er sehr solides Bundesliga-Niveau spielen kann – auch hinten rechts. Er wäre bei uns variabel eingeplant, wir hätten mit ihm auch einen zweiten Rechtsverteidiger.

Hängt seine Verlängerung an Vertragsinhalten?

Keller: Die sind ausgetauscht. Kingsley hat ein Vertragsangebot vorliegen. Ob er es annimmt, bleibt abzuwarten.

Ein Kandidat für die Offensive ist Wiesbadens Benedict Hollerbach. Können Sie bereits mehr verraten?

Keller: Das ist ein Spieler, den wir uns anschauen.

Ändert der Zweitliga-Aufstieg von Wehen, durch den Hollerbach nun Ablöse kostet, etwas an einem möglichen Wechsel zum FC?

Keller: Das ändert schon maßgeblich etwas, der Spieler kostet – wie Sie sagen – nun Ablöse. Sportlich ist er interessant. Das heißt aber nicht, dass wir ihn verpflichten.

Bekommen Sie nach dem langen Warten durch das Fifa-Urteil überhaupt noch ablösefreie Spieler?

Keller: Der Markt an interessanten, für uns zugänglichen ablösefreien Spielern ist nicht mehr allzu groß.

„Wir verlieren überdurchschnittliche Bundesliga-Qualität“

Wie wollen Sie auch nur annähernd die Verluste von Jonas Hector und Ellyes Skhiri auffangen?

Keller: Wir verlieren zweimal überdurchschnittliche Bundesliga-Qualität. Auf der Linksverteidiger-Position haben wir uns sehr gut aufgestellt – mit dem Benchmark-Spieler der 2. Bundesliga, dem wir zutrauen, auch in der Bundesliga eine gute Rolle zu spielen. Leart Paqarada ist ein spielender Linksverteidiger, wie Jonas auch. Den Verlust von Jonas kann aber kein Spieler eins zu eins kompensieren. Das erwarten wir von Leart auch gar nicht. Auch auf der Sechs werden wir versuchen, einen Spieler zu holen, der direkt gutes Bundesliga-Niveau spielen kann. Daran arbeiten wir. Für ein stabiles Kollektiv brauchen wir in der zentralen Achse Spieler, die wenig Leistungsausschläge haben.

Wie sieht der finanzielle Rahmen für die anstehende Transferperiode aus?

Keller: Der Rahmen ist klar gesetzt, über diesen entscheide ich als Geschäftsführer ja mit. Wir haben generell das klare Commitment: Den FC gesund kriegen, ein stabiles Fundament herstellen – und danach können wir gerne wieder mehr Geld für den Sport ausgeben. Dieses Fundament müssen wir gemeinsam anstreben, um aufbauend langfristig wieder realistischerweise höhere Ambitionen verfolgen zu können. Dieser Weg schließt aber nicht aus, auch aktuell mal einen gestandenen Spieler zu holen.

Ist mehr Handlungsspielraum als vergangenen Sommer da?

Keller: Vergangene Saison haben wir den Personaletat um fast 25 Prozent reduziert. Jetzt müssen wir das nicht tun, aber wir können den Etat auch nicht erweitern. Uns ist klar, dass wir ein gewisses Vabanque-Spiel gehen im Vergleich zur Konkurrenz, die sich mitunter mehr fertige Spieler holen kann.

Nach den Verkäufen von Özcan und Modeste, den Europapokal-Einnahmen und Abschieden von Großverdienern wie Horn und Hector sollte doch mehr Geld für Spieler da sein …

Keller: Natürlich sind vermeintliche Großverdiener von der Payroll runter. Das heißt aber nicht, dass sich dadurch der Etat massiv senkt, sodass wir viel Spielraum nach oben haben. Auf den Positionen, auf denen wir suchen, haben wir ja nicht nur Spieler aus der Regionalliga eingeplant. Da taucht vielleicht auch mal einer auf, den Sie kennen, ohne ihn googeln zu müssen (lacht). Denis Huseinbasic war im vergangenen Jahr wohl den wenigsten Menschen ein Begriff. Vielleicht kommt nun auch mal ein Spieler, wo man sagt: Okay, interessant, dass der zum 1. FC Köln wechselt.

Sind Leihen eine Option?

Keller: Ich fand Leihgeschäfte schon immer gut und kann der Tatsache, dass man dadurch gegebenenfalls einen Spieler bekommt, den man eigentlich nicht kriegen würde, etwas abgewinnen. Einen ordentlich verdienenden Spieler, der bei seinem aktuellen Stamm-Klub ein bisschen ins Hintertreffen geraten ist, aber sagt: Das Gehalt ist mir eigentlich nicht mehr so wichtig, ich würde gerne mehr spielen. Im Idealfall gibt uns der Stamm-Klub noch eine Kaufoption mit, dann kann man nicht viel falsch machen. Da unsere Mittel begrenzt sind, können wir nun mal nicht im höchsten Regal einkaufen.