Umstrittene MethodeWie Benny (17) aus Köln in der Schule plötzlich alle überflügelt

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Nicht ohne mein Handy! Benjamin Hadrigan träumt von einer virtuellen Schule, in der sich Lehrer dem Lerntempo der einzelnen Schüler per Video anpassen.

Köln – Die meisten Eltern haben diesen Satz sicher schon mal gebracht: „Jetzt leg’ doch mal das Handy weg und fang’ endlich an zu lernen!“ Aber warum eigentlich? Benjamin Hadrigan (17) haben WhatsApp, Instagram und Snapshat zum Superschüler gemacht.

Deshalb fordert er – ebenso wie Bitkom-Chef Dr. Bernhard Rohleder: „Weg mit den Smartphone-Verboten! Bindet Handys aktiv in den Unterricht ein.“

Vom Schulversager zum Musterschüler

Er hasste die Penne, er hasste die Lehrer, die ihm das Gefühl gaben, ein Versager zu sein. „Du schaffst doch niemals die volle Punktzahl im Vokabeltest“, sagte eine Lehrerin ihm vor Jahren auf den Kopf zu. 

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Zu dumm? Zu blöd? Nein, das wollte Benjamin Hadrigan nicht auf sich sitzen lassen. Er fing nicht nur an zu pauken, er verschlang auch alles darüber, WIE man am besten Wissen speichern kann.

Lernen mit WhatsApp und Co.

„Mir erschien damals das Karteikartensystem am besten geeignet“, erinnert er sich. Doch weil er „so schlampert“ sei, waren die Karten nie dann zur Stelle, wenn er sie brauchte. Benny fotografierte sie also mit seinem Handy ab, schickte die Stichpunkte per WhatsApp auch an seine Freunde und verfeinerte das digitale Lernsystem von Jahr zu Jahr mehr.

Mittlerweile hat er mehr als 200 Schüler gecoacht, denn seine Devise ist: „Wenn ich erst mal weiß, wie ich das Thema am besten in mein Hirn bekomme, läuft der Rest schon von selbst – und ich bin nicht mehr so abhängig von Lehrern, die den Stoff noch so trocken wie vor 30 Jahren vermitteln.“

Handys im Unterricht verwenden 

Benjamin richtet deshalb einen Appell an die Pädagogen: „Wacht endlich auf, bildet Euch weiter. Jeder 13-Jährige ist digital besser aufgestellt als Ihr.“

Er fände es großartig, wenn Handys in den Unterricht integriert würden. „Das Handy ist längst ein Körperteil von uns Jüngeren – es abtrennen, sprich verbieten – zu wollen, gleicht digitalem Mord.“

Statt Stunden am Tag damit zu verbringen, Fotos zu liken oder zu kommentieren, solle man Schüler erst einmal in Datenschutz schulen und das Handy dann gezielt zum Lernen einsetzen.

Soziale Netzwerke können helfen

Apps wie „Vokabelbox“ oder digitale Mindmaps, YouTube-Seiten wie „TheSimpleClub“, „MrWissen2go“, „Merkhilfe“ und Co. seien ideal, um Schüler zu motivieren. Und wie funktioniert das? Hadrigan gibt Tipps:

Instagram: Statt seines Namens gibt man beim Profil das Fach ein, statt Alter den Prüfungstag, statt Steckbrief kurz den Stoff. Unter die Fotos setzt man statt eines Kommentars die Zusammenfassung des Themas. Vereinfachung, Verknappung, um das Thema überhaupt zu kapieren – dafür sei dieser Kanal ideal.

Snapchat benutze man, um den Stoff zu festigen, abzufragen sowie die Lerngeschwindigkeit zu erhöhen.

WhatsApp sei ideal für Gruppenaufrufe und die Interaktion mit anderen. 

Benjamin Hadrigan hat’s auf diese Weise zum Musterschüler geschafft. Er geht noch zur Schule, rechnet mit einem Abischnitt , der „besser als 1,5 sein wird“, studiert seit zwei Jahren schon neben der Schule Wirtschaftsrecht an der Uni, hat mit 16 sein eigenes Modelabel gegründet und will jetzt mit einem Lernratgeber Jugendliche zu Superschülern trimmen. Verdammt smart, der Junge!

„Schüler sind fit fürs 21. Jahrhundert“

Deutschland ist noch digitale Diaspora. 58 Prozent der Lehrer beklagen laut aktueller Bitkom-Studie, dass entsprechende Geräte für die Nutzung im Unterricht fehlen.

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Kreativ: Am Gymnasium werden auch Filme geschnitten. 

„Geräte wie Beamer, Whiteboards oder Tablets gibt es lediglich als Einzelgeräte oder in speziellen Fachräumen. Dabei sollten sie in allen Unterrichtsräumen Standard sein“, sagt Bitkom-Geschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Wie gut und motiviert Schüler lernen, wenn sie digital top ausgestattet sind, beweist das Evangelisch Stiftisches Gymnasium (ESG) in Gütersloh. Die Smart School ist eine digitale Vorreiterschule in NRW.

Rektor Martin Fugmann sagte uns: „Bei uns werden die Schüler für die Berufswelt des 21. Jahrhunderts fit gemacht.“ Die vier großen K’s – Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken – seien digital gut zu vermitteln. Er stelle bei seinen Schülern ein hohes Maß an Zufriedenheit und eine gute Unterrichtsbeteiligung fest.

Und die Noten? „Der Abi-Schnitt liegt immer über dem Landesdurchschnitt“, betont er. Das liege aber sicherlich auch an dem sozialen Umfeld im gut situierten Gütersloh, gibt er ehrlicherweise zu. 

Lernen auf Schüler zuschneiden

Fugmann ist davon überzeugt, dass das personalisierte Lernen – jeder Schüler „least“ einen Laptop – zu individuelleren Lernwegen und besseren Ergebnissen bei jedem Einzelnen führe. Ziel sei es unter anderem, eine „fundierte kritisch-kreative Medienkompetenz“ zu vermitteln und diese für den eigenen Lernprozess zu nutzen.

Weitere Vorteile:

  • Anders als beim Schreibheft geht man bei Laptop-Texten davon aus, dass sie ausgetauscht werden. Das führt zu mehr Sorgfalt beim Schreiben.
  • Frei reden fällt vielen Dank der Visualisierung leichter.
  • Außerhalb des Unterrichts kann man sich abstrakte Phänomene noch mal in Ruhe ansehen.
  • Es wird häufiger fächerübergreifend gearbeitet.

Fazit: Die Schüler arbeiten intensiver und nachhaltiger!

Digitalpakt: NRW will Lehrer schnell fit machen

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Schulministerin Yvonne Gebauer (Mitte) in der Mobilen Digitalwerkstatt in Köln.

Auf zu neuen, digitalen Ufern! Der Digitalpakt mit einer Anschubfinanzierung von fünf Milliarden Euro soll jetzt dafür sorgen, dass deutsche Schulen im internationalen Vergleich nicht mehr hinterherhinken.

Was bedeutet das konkret für NRW? Erst einmal werden die Lehrer fit gemacht. Die Vermittlung von Medienkompetenz soll in Zukunft Bestandteil sowohl der universitären als auch der schulpraktischen Lehrerausbildung sein. Rund 11 Millionen Euro investiert das Land in die digitale Infrastruktur der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung.

Handlungsbedarf besteht laut Schulministerium auch bei der Infrastruktur. Derzeit sind gerade einmal rund 16 Prozent der Schulen in NRW ans Glasfasernetz angeschlossen, bis Ende 2020 sollen es 60 Prozent sein, 2022 dann endlich 100 Prozent.