Eine Mutter berichtetMeine Tochter (6) wurde von einer Mitschülerin missbraucht

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Wenn Kinder in Situationen geraten, die sie nicht einordnen können. (Symbolfoto)

Kathrin H.* hat erlebt, was Eltern sich nicht vorzustellen wagen. Ihre sechsjährige Tochter Lisa wurde in der Schule von einem älteren Kind missbraucht. Auf ihrem Blog Knuffigklein hat Kathrin dazu einen bewegenden Beitrag geschrieben. Im Interview erzählt sie, was sie und ihre Tochter erlebt haben, auch um über dieses Thema aufzuklären. Zum Schutz ihrer Tochter will sie bei der Beschreibung der Taten keine Details erzählen.

Wann haben Sie gemerkt, dass mit Lisa etwas nicht stimmt?

Katrhin H.: Vor den Winterferien wollte sie nicht mehr zur Schule gehen. Wir dachten, sie sei ein bisschen überfordert, weil es das erste Schuljahr in der Förderschule ist und haben das erst gar nicht richtig beachtet. Aber am ersten Schultag nach den Ferien hat sie geweint und erbrochen. Sie wollte absolut nicht mehr zur Schule gehen. Am vierten Tag war es so schlimm, dass ich sie zuhause behalten habe. Sie hat angefangen, sich selbst zu verletzen und hat ihrer Schwester weh getan, was wir gar nicht kannten. Sie wusste nicht, wohin mit sich.

In der gleichen Woche hatte mich eine Freundin angerufen, deren Sohn auch in Lisas Klasse geht. Sie sagte, der Junge habe ihr etwas erzählt und sie wisse nicht, wie sie damit umgehen soll. Ich solle meine Tochter fragen, ob etwas mit einem älteren Mädchen vorgefallen ist. Lisa sagte, „ja, sie ärgert mich“, aber wollte nicht mehr erzählen. Erst als wir ihr versichert hatten, dass sie uns immer alles erzählen könne und nichts passiert, kam sie mit der Sprache raus.

Was war Ihrer Tochter in der Schule passiert?

Kathrin H.: Schon auf der Fahrt morgens mit dem kleinen Schulbus fing es an: Meiner Tochter wurde zwischen die Beine gepackt. Auf dem Nachhauseweg das Gleiche. In der Schule ging es weiter, sie musste in der Pause mit diesem Mädchen auf die Toilette gehen und dort wurden Handlungen im Intimbereich vorgenommen. Beim Sohn meiner Freundin war es dasselbe.

Darüber hinaus wurden die beiden von drei anderen Mädchen erpresst. Sie sagten zu meiner Tochter und ihrem Freund: „Wenn ihr das irgendjemandem erzählt, dann sterbt ihr und dann sterben eure Eltern.“ Es gab zwar nur ein Mädchen, das die Handlungen vorgenommen hat, aber was die anderen drei getan haben, ist für mich genauso schlimm.

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Die Mädchen drohten: Wenn Lisa etwas sage, dann würde sie sterben.

Furchtbar, so etwas zu erfahren. Wie haben Sie reagiert? Und was ist danach passiert?

Kathrin H.: Wir haben Lisa natürlich zuhause gelassen und es sofort der Schule gemeldet. Dann wurde erst einmal die 9-jährige Täterin befragt. Sie hat es gleich zugegeben und alles erzählt. Das Mädchen ist jetzt in einer Klinik in psychiatrischer Behandlung. Die Schule hat aber entschieden, dass sie in ein paar Monaten wiederkommen kann – da sie schulpflichtig ist und keine andere Schule gefunden wurde, die sie aufnimmt.

Wie kann es sein, dass eine 9-Jährige sexuelle Handlungen vornimmt?

Kathrin H.: Uns wurde gesagt, dass das Mädchen selbst Opfer sei und im näheren Umfeld Missbrauch erlebt habe. Hier ist ein Opfer zum Täter geworden. Das hat uns die Sache erklärt, es aber nicht einfacher gemacht. Und doch sind wir froh, dass die Sache herausgekommen ist und man ihr damit auch helfen konnte. Ich gebe dem Kind auch gar keine Schuld, gerade wenn es so etwas mitgemacht hat.

Was raten Sie anderen Eltern, damit sie in so einem Fall schneller merken, was ihrem Kind passiert?

Kathrin H.: Ich kann einfach nur raten, genau hinzuhorchen. Genau zu schauen, wie sich das Kind verhält. Die Kinderpsychologin hat uns einen guten Tipp gegeben, was man zu den Kinder sagen könnte: „Es gibt gute Geheimnisse wie Geschenke zum Geburtstag oder Lustiges was man der Freundin erzählt, aber auch schlechte Geheimnisse, die Bauchweh machen und dich zum Weinen bringen. Solche Geheimnisse darfst du nie für dich behalten.“

Wo und wie haben Sie Hilfe gefunden?

Kathrin H.: Wir haben uns an die sexuelle Beratungsstelle unseres Ortes gewandt, die vom „Weißen Ring“ betrieben wird. Außerdem bekamen wir Hilfe von der Kinderpsychologin der Schule. Da unsere Tochter stark auf Tiere reagiert, machen wir eine Reittherapie mit ihr. Es ist am wichtigsten, dass man auf das Kind hört und schaut, was es in so einer Situation braucht.

Wie geht es ihrer Tochter jetzt?

Kathrin H.: Meine Tochter ist wirklich stark traumatisiert. Ich glaube, es wird auch noch eine ganze Weile dauern, das aufzuarbeiten. Sie weint jeden Abend und morgens bringe ich sie weinend zum Bus. Die Schule sagt, wenn sie erst einmal dort ist, sei sie ein fröhliches ausgelassenes Kind. Ich muss mich einfach darauf verlassen. Wir können sie jetzt ja nicht ewig daheim lassen. 

*Namen wurden von der Redaktion geändert.

Sind Sie selbst betroffen? Hier finden Sie Hilfe.

Weißer Ring – Tipps zum Schutz vor sexuellem Missbrauch

Verein Zartbitter e.V.

Hilfeportal Sexueller Missbrauch des Familienministeriums

Stibb – Kinder schützen, Opfern helfen

gegen-missbrauch e.V., Verein für Betroffene

Kostenfreies Hilfetelefon bei sexuellem Missbrauch: 0800 - 2255 530

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