„Bin einer der Blödmänner“„heute“-Moderator spricht über seine Vergangenheit als Rapper

Die ZDF-Montage zeigt ZDF-Moderator Mitri Sirin im Studio der 19-Uhr-«heute»-Sendung.

Das undatierte Foto zeigt Mitri Sirin im Studio der „heute“-Nachrichten, die um 19 Uhr im ZDF laufen.

Mitri Sirin (51) ist Moderator, präsentiert die 19-Uhr-„heute“-Nachrichten im ZDF. Mit EXPRESS.de spricht er darüber, wie er in der Schule Rassismus erfahren musste, seine zarten Versuche als Rapper – und Lieblingsrezepte.

von Christof Ernst (che)

Der Mann ist halt Profi: Ursprünglich wollte sich „heute“-Moderator Mitri Sirin (51) mit EXPRESS.de  in Köln zum persönlichen Talk treffen. Dann steckte Sirin auf der A 3 im Stau fest.

Kein Problem: Der TV-Journalist, der seit einem Jahr die ZDF-Nachrichtensendung um 19 Uhr präsentiert, führte das Interview kurzerhand aus dem Auto heraus, während er immer mal wieder einige Meter vorankam.

Mitri Sirin: „heute“-Sprecher war mal Rapper 

Herr Sirin, kriegen Sie heute noch einen ordentlichen Rap hin?Mitri Sirin: Oh mein Gott, Sie haben aber tief in meiner Vergangenheit gegraben. Anfang der 90er-Jahre habe ich in Berlin u. a. für den Sender Kiss FM gearbeitet. Drei Kollegen und ich hatten Spaß am Rap, gaben uns den bescheuerten Namen „Nepper Schlepper schlechte Rapper“. Der Bandname stimmte, denn richtig rappen konnte keiner von uns. War auch eher als Parodie auf den Rap-Hype der 90er gedacht.

Dennoch winkte sogar ein Plattenvertrag. Mitri Sirin: Ja, der damalige Manager der Fantastischen Vier, Fitz Baum, wollte uns bei Sony unterbringen. Wir haben sogar unterschrieben, aber schnell gemerkt, dass uns das zu viel wurde. Wir hatten ja noch unsere Radio-Jobs. Für die Texte, die wir damals geschrieben haben, würde man heute einen Shitstorm nach dem nächsten ernten.

Ist Musik noch wichtig für Sie? Mitri Sirin: Ja, ich höre immer noch gern Black Music, bin aber nicht darauf spezialisiert, sondern höre alles gerne, außer vielleicht Hardrock oder Heavy Metal. Aber seit wir Streamingdienste haben, hat sich mein Hörverhalten grundlegend geändert. Früher konnte ich mich mit einer Platte oder einer CD stundenlang beschäftigen: In welchem Studio wurde die aufgenommen? Wer hat mitgemacht? Heute habe ich zwar noch einige Vinyl-Platten, bin aber ansonsten auch einer der „Blödmänner“, die nur noch streamen.

Auch das Sehverhalten hat sich geändert. Schalten Ihre Kinder um 19 Uhr „heute“ ein, wenn Papa moderiert? Mitri Sirin: Nein, die schauen kein lineares Fernsehen mehr. Ich finde es generell kritisch, wie Kinder und Jugendliche heute Nachrichten konsumieren. Als jemand, der täglich mit News zu tun hat, gerate ich zwar ganz schnell in so eine oberlehrerhafte Rolle. Aber ich halte es schon für wichtig, die Quelle einer Nachricht zu checken, nicht alles ungefiltert aus dem Netz zu übernehmen.

Neben den „heute“-Nachrichten moderieren Sie seit 2011 das „Morgenmagazin“ im ZDF. So auch am 24. Februar, als Russland die Ukraine überfiel. War das ein – unerwünscht – besonderer Moment Ihrer Karriere? Mitri Sirin: Das kann man so sagen. Diese Sendung werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Ich hatte mich auf ein Interview mit Robert Habeck intensiv vorbereitet. Aber als um 3 Uhr der Wecker klingelte, bin ich quasi in einer anderen Welt aufgewacht, wusste, dass sich durch Putins Krieg alles ändert. Ich musste funktionieren, war aber gleichzeitig geschockt, denn man bekommt ja dann auch diffuse Ängste, weil man weiß, dass Moskau nur zwei Flugstunden entfernt ist und man nicht weiß, wozu dieser Kerl noch fähig ist.

Mitri Sirin: Ich schaffe es nicht, Schlaf nachzuholen

Sie haben sechs Stunden lang durch gesendet. Wie ging’s Ihnen danach? Mitri Sirin: Das war sehr krass. Obwohl ich in der Nacht nur sehr wenig geschlafen hatte, habe ich danach auch keine Ruhe gefunden, weil ich so aufgewühlt war. Aber mir ist das inzwischen egal.

Wie? Dass Sie nicht schlafen können? Mitri Sirin: Ja, ich bin kein guter Schläfer, habe es auch nach elf Jahren noch nicht geschafft, den Schlaf tagsüber richtig nachzuholen. Früher hat mich das genervt, inzwischen habe ich es akzeptiert.

„heute“ hat Ihre Bekanntheit gesteigert. Merken Sie das? Mitri Sirin: Ich wusste schon, was auf mich zukommt. Man wird auch in Situationen erkannt, in denen man gar nicht damit rechnet. Ich war im Frühjahr mit meinem Sohn in den Dolomiten wandern. In dieser Gegend, wo absolut nichts los war, sind uns zwei Wanderer entgegengekommen. Im Vorbeigehen höre ich, wie der Mann auf Hessisch sagt: „Ei, is des net der Sirin?!“

Werden Sie öfter um Autogramme oder Selfies gebeten? Mitri Sirin: Ich bin selbst erstaunt, wie in dieser selfie-orientierten Welt immer noch viele von mir ein Autogramm haben wollen. Das mag aber auch am Zuschauerschnitt liegen. Ich glaube, der liegt beim ZDF bei 60 plus.

Sie sind in Deutschland geboren. Haben Sie dennoch rassistische Anfeindungen erlebt? Mitri Sirin: Absolut. Das ging in der Grundschule los. Ich war außer einem russland-deutschen Jungen der einzige Schüler in der Klasse mit Migrationshintergrund. Da ist man schon häufig ausgegrenzt, angemacht und verprügelt worden. Auch später hat alleine mein Name schon ausgereicht, dass mein gutes Deutsch gelobt wurde. Die Anschläge von Lichtenhagen und Solingen haben mich geschockt und politisiert. Da wurde mir schon klar, dass das auch mich hätte treffen können. Ich habe einfach nur Glück gehabt. Heute hat sich das grundsätzlich geändert. Ein Grund: In den Großstädten hat schon jeder Dritte eine Zuwanderungsgeschichte.

Sie haben 2005 Ihre Kinder in Samandag im Südosten der Türkei christlich-orthodox taufen lassen. Warum dort?Mitri Sirin: Ich habe mit der Kirche nicht so viel am Hut. Aber ich habe meiner damals noch lebenden Großmutter versprochen, die Kinder dort taufen zu lassen – mit allem Brimborium. Das ist eine bis zu vier Stunden lange, zähe Zeremonie, viel Weihrauch, viele Sprüche. Für meine deutsche Frau und die Schwiegereltern war das ein echter Culture Clash. Das Tauffest danach auf der Plantage meiner Großmutter war dann sehr schön. Das ganze Dorf hat mitgefeiert.

Ihre Lieblingsgerichte sind Cig Köfte und Fasulye ... Mitri Sirin: Fasulye ist eine Bohnensuppe. Da kommen selbst gemachtes türkisches Tomatenmark und viele Gewürze rein. Die schmeckt mir aber nur, wenn sie meine Mutter gekocht hat. Das gilt auch für Cig Köfte. Das ist Weizengrütze mit rohem Tatar und einer intensiven Gewürzmischung. Das tunkt man in Petersilien-Paprika-Zwiebel-Dipp – extrem köstlich! Ich muss mir das unbedingt von meiner Mutter beibringen lassen. Denn wenn sie mal nicht mehr ist, muss ich mir das genauso selbst zubereiten können.

Mitri Sirin ist multimedial: Radio, TV – und gerappt hat er auch

Mitri Sirin ist türkisch-syrischer Abstammung, wurde am 13. März 1971 in Rheine geboren. Seine Eltern waren Ende der 60er-Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Sirin begann seine Radio- und TV-Laufbahn 1991 beim Berliner Sender Kiss FM, hatte danach mehrere Jobs, u.a. bei Radio-RTL, MBB Jump, RBB Aktuell, und er präsentierte die WDR-Lokalzeit aus Duisburg.

Seit 2009 ist Mitri Sirin beim ZDF, moderiert dort das Morgenmagazin. Im TV-Studio lernte er auch seine Frau Friederike kennen, die damals Redakteurin der Sendung war. Die beiden haben drei Kinder.