Was für eine KatastropheWarum mich die Oscars jetzt einfach todtraurig machen

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Schauspielerin Frances McDormand nimmt den Oscar für den besten Film für „Nomadland” entgegen. Sie hielt einen flammenden Appell dafür, alle Filme auf der größtmöglichen Leinwand anzuschauen.

von Martin Gätke (mg)

Köln – In diesem Jahr fand die wohl bemerkenswerteste Oscarverleihung statt: Zum 93. Mal wurde der Goldjunge vergeben – trotz Corona. Trotz Kriege und Krisen sind die Oscars seit 1929 niemals ausgefallen. Doch in diesem Jahr haben sie einen besonders bitteren Beigeschmack. Ein flammender Appell von Frances McDormand (Beste Hauptdarstellerin in diesem Jahr) machte mich dann todtraurig. Ein Kommentar.

„Nomadland“ ist der beste Film des Jahres – und sie die Gewinnerin des Jahres: Frances McDormand bekam den Preis für die beste weibliche Hauptrolle. Sie spielt Fern, eine Frau in ihren Sechzigern, die, nachdem sie alles in der Großen Rezession verloren hat, all ihr Hab und Gut in ein Auto packt und als Nomadin durch die USA zieht.

Es hat einen bitteren Beigeschmack, dass sie ausgerechnet für ihre Darstellung einer Frau in großer wirtschaftlicher Not ihren Oscar erhält. Denn die Oscars fanden diesmal in einer der größten Krisen statt, der Corona-Krise. Nach einem Jahr Pause für die meisten Filmproduktionen und Kinos. Nach einer ganzen Welle an schlechten Nachrichten.

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Frances McDormand und Regisseurin Chloé Zhao mit ihren Oscars für „Nomadland”.

Und während viele Schauspieler auf einer großen Bühne ihre Goldjungen in Empfang nahmen, während das coronagetestete Publikum in den USA ihre Stars feiert, ist es seit einem Jahr dunkel in den Kinos. Auch in Deutschland. Die wirtschaftliche und persönliche Krise, ein Kernthema des besten Films in diesem Jahr, sie ist längst nicht nur in den Lichtspielhäusern, sondern auch bei vielen Menschen angekommen.

Oscars 2021: Seit Monaten bleiben die Kinos leer

Normalerweise sind Kinos die Orte, wo wir zusammen lachen, weinen, Angst haben können. Wo wir Filme einfach gemeinsam feiern können. Doch diese Zeit scheint gerade in weiter Ferne zu sein, die Ränge der Kinos bleiben leer: Die Kinoumsätze sind allein im vergangenen Jahr weltweit um unfassbare 72 Prozent zurückgegangen (im Vergleich zu 2019). Laut Motion Picture Association of Amerika von 42,2 Mrd. auf 12 Mrd. Dollar.

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Frances McDormand als Fern in einer Szene des Films „Nomadland”. Sie bekam den Oscar als beste Hauptdarstellerin in diesem Jahr.

Stattdessen wird der Film zu Hause geschaut, im Lockdown, allein vor dem Fernseher statt auf der großen Leinwand. Gemeinsam lachen und weinen? Unmöglich. Der Geruch von Popcorn, die Spannung, wenn der rote Vorhang sich lüftet, wenn die Titelmusik einsetzt – unmöglich. Stattdessen gibt es Blockbuster auf Knopfdruck, Streamingdienste sind die großen Gewinner der Krise.

Oscars 2021: Frances McDormand hält flammenden Appell

Das weiß auch die großartige Frances McDormand: Sie hielt einen flammenden Appell bei der Verleihung. „Bitte, schauen Sie sich unseren Film auf der größtmöglichen Leinwand an und bringen Sie eines Tages alle, die Sie kennen, mit. Sitzen Sie Schulter an Schulter im Kino und schauen Sie sich jeden Film an, der heute Abend vertreten ist”, sagte sie. Und verdrückte dabei eine Träne, so schien es. Ein Satz, der auch mich todtraurig macht.

Sorgt Corona dafür, dass bald Streamingdienste vollends das Kinogeschäft bestimmen? Gewöhnen wir uns gerade daran, Filme auf der heimischen Couch zu schauen? Ist die Zeit des großen Kinos und der großen Leinwand bald vorbei?

Ich will nicht daran glauben, ich habe Sehnsucht nach Kino. Und viele andere Menschen auch. Ich habe die Hoffnung, dass wir sehr bald die großartigen Filme und die Schauspielerinnen und Schauspieler auf der großen Leinwand in unserem Kino um die Ecke bewundern dürfen. Und endlich wieder zusammen Popcorn knabbern.