„Es besteht ein echtes Risiko“Experte warnt vor Putin-Waffe, die er bislang noch kaum eingebracht hat

Russlands Präsident Wladimir Putin 2018 auf einem Flughafen in Jekaterinburg.

Russlands Präsident Wladimir Putin 2018 auf einem Flughafen in Jekaterinburg: Fachleute rechnen damit, dass Putin angesichts der ukrainischen Gegenoffensive zumindest zum Teil auf Unterstützung von oben setzen wird.

Geheimdienstinformationen, die im vergangenen Monat durchgesickert sind, zeigen, dass die USA nervös sind. Sie befürchten, Putin könnte in den Himmel zurückkehren, um den Kriegsverlauf in der Ukraine zu seinen Gunsten zu verändern. 

von Martin Gätke (mg)

Laut einem Dokument des Pentagon, aus dem verschiedene US-Medien zitieren, könnten die Raketen für die sowjetischen S-300- und Buk-Luftabwehrsysteme mit mittlerer bis großer Reichweite, auf die sich die Ukraine zu Beginn des Krieges verlassen hat, um russische Flugzeuge, Marschflugkörper, Raketen abzuwehren, in diesem Monat vollständig aufgebraucht sein.

Die ukrainische Luftverteidigung wurde demnach durch Moskaus ständige Angriffe auf die Infrastruktur mit Raketen und durch den Beschuss mit Kamikaze-Drohnen geschwächt. Die Sorge: Putin könnte seine Luftwaffe, mit rund 900 Kampfjets und 120 Bombern noch immer die zweitgrößte der Welt – verstärkt einsetzen, um die ukrainische Gegenoffensive abzuwehren. 

Russland: „Luftüberlegenheit, bislang noch nicht voll in den Krieg eingebracht wurde“

Die russische Armee habe „eine überwältigende Luftüberlegenheit, die sie bislang noch nicht voll in den Krieg eingebracht haben“, sagte Dale Buckner, Geschäftsführer des internationalen Sicherheitsunternehmens Global Guardian, gegenüber „Newsweek“. „Russland hat eine sehr große Flotte in Reserve, die zehnmal so groß ist wie die der Ukraine.“

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Die Mig-35, SU-35 und die SU-57 seien modern genug, die ukrainische Gegenoffensive zu bremsen, sollte den großen Kolonnen ukrainischer Panzer und gepanzerter Mannschaftswagen die nötige Luftabwehr fehlen, so Buckner. „Es besteht also ein echtes taktisches Risiko für die Ukrainer, wenn sie keine angemessene Luftverteidigung haben“, fügte der Experte hinzu.

Auch Pentagon-Beamte sagen demnach, dass die Ukraine bedroht sein könnte, vor allem wenn russische Flugzeuge freie Hand bekommen, um Truppenstellungen und wichtige Artillerieziele am Boden anzugreifen und Putin vermehrt seine Kampfjets einsetzt. 

Ukraine: Wird Russland vermehrt Luftüberlegenheit nutzen?

In einer Analyse vom letzten Monat stellte Mark Cancian, Senior Advisor am „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS), fest, dass die Ukraine durchaus in der Lage sein werde, ihre Streitkräfte mit ihrer verbleibenden Luftabwehr zu verteidigen, nicht aber ihre Städte oder Infrastruktur.

Cancian erklärte der Zeitung, dass Russland bisher in der Luft risikoscheu gewesen sei und er daher nicht erwarte, dass Russland den ukrainischen Luftraum in nächster Zeit überfliegen werde. Sollten der Ukraine jedoch die Raketen ausgehen, werden sie nicht in der Lage sein, Marschflugkörper oder Kamikaze-Drohnen abzuschießen.

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„Längerfristig, wenn die Ukraine nicht mehr Mittel zur Luftverteidigung bekommen sollten, denke ich, dass die Russen allmählich in der Lage sein werden, ihre Luftüberlegenheit zu nutzen und einen Vorteil zu erlangen“, sagte Cancian weiter. Allerdings werde es noch eine ganze Weile dauern.

Ukraine: „Wenn sich Luftabwehr verschlechtert, werden Russen immer aggressiver“

Die Regierung Biden kündigte im April an, dass sie im Rahmen eines 2,6 Milliarden Dollar schweren Hilfspakets der Ukraine zusätzliche Abfangjäger und Munition bereitstellen werde, um die Gegenoffensive Kyjiws zu unterstützen. Die NATO hat zudem Flugabwehrraketen-Systeme entsandt, die sich ideal für die Verteidigung ukrainischer Städte und kritischer Infrastrukturen eignen, darunter SAMP/T und NATO Hawk.

Das Land erhielt auch das Patriot-System, doch mit 4 Millionen Dollar pro Rakete sei jeder Abschuss von weitaus billigeren Drohnen sehr kostenintensiv und auf Dauer untauglich, so Cancian. „Wenn sich die ukrainische Luftabwehr weiter verschlechtert, werden die Russen immer aggressiver.“ Er glaube zwar nicht, dass sie über Kyjiw fliegen werden, „aber es kann sein, dass einige von ihnen Teile der Front überfliegen, wo es dann keine sehr gute Luftabwehr gibt“.

Buckner erklärt, das es zu den großen Unbekannten des Krieges gehöre, ob die Luftabwehrsysteme der Ukraine ausreichend seien und ob Putin das Risiko eingeht, seine modernsten Flugzeuge einzusetzen und sie in größerem Umfang zu verlieren. „Jetzt, wo wir in die nächste Phase eintreten, ist es ein Katz-und-Maus-Spiel: Hat die NATO genug Verteidigung aufgebracht oder nicht? Werden die Russen ihre modernsten Luftplattformen einsetzen und wie erfolgreich könnte das die Gegenoffensive abwehren?“