„Verrückt geworden“Putins seltsames Verhalten bei seiner jüngsten Rede wirft jetzt einige Fragen auf

Russlands Präsident Wladimir Putin leistete sich bei seiner Rede in Sotschi am 5. Oktober einige Fehler.

Russlands Präsident Wladimir Putin leistete sich bei seiner Rede in Sotschi am 5. Oktober einige Fehler.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich bei einer mehrstündigen Fragerunde auf der Jahrestagung des Waldai-Forums in Sotschi einige Patzer geleistet, die nun in den sozialen Medien Fragen aufwerfen.

von Martin Gätke (mg)

Zum Abschluss des 20. internationalen Waldai-Diskussionsforums in Sotschi, zu dem in diesem Jahr rund 140 Sicherheitsfachleute, Journalistinnen und Journalisten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen wurden, hielt auch Präsident Wladimir Putin eine Rede.

Der Kremlchef sprach unter anderem darüber, dass er „eine neue Welt errichten“ wolle, stellte die russische Offensive in der Ukraine in den Zusammenhang mit einer „Hegemonie“ des Westens. „Wir stehen im Wesentlichen vor der Aufgabe, eine neue Welt zu errichten“. Er sprach auch über die Rückeroberung der Südkaukasusregion Berg-Karabach durch Aserbaidschan und gibt EU-Ratspräsident Charles Michel eine Mitschuld am Leid der Geflüchteten in der Region.

Putin sorgt mit Rede in Sotschi für einige Verwirrung

Während seiner Ausführungen auf der Bühne in Sotschi zeigte sich der Präsident vergesslich, widersprach sich selbst und leistete sich immer wieder Patzer. Das sorgte für Stirnrunzeln in den sozialen Netzwerken.

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Aserbaidschan hat die armenische Enklave Berg-Barabach mittlerweile erobert, lange Zeit galt Russland als Garant für Armeniens Sicherheit. Doch nach der Militäroffensive durch Aserbaidschan scheint das Land weitere Garantien zu suchen – sehr zum Missfallen des Kremls. Das armenische Parlament hat am Dienstag einem von Russland scharf kritisierten Beitritt des Kaukasuslandes zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zugestimmt, der Kreml hatte vor dem als „extrem feindselig“ gewerteten Schritt gewarnt.

EU-Ratspräsident Charles Michel hielt Russland vor, es habe versäumt, Berg-Karabach während der Militäroffensive Aserbaidschans zu verteidigen, die die armenische Bevölkerung zur Flucht nach Armenien zwang. In Sotschi reagierte Putin nun auf den Vorwurf – mit einem russischen Sprichwort. Allerdings zitierte er dieses völlig falsch und musste sofort vom Moderator korrigiert werden. 

„Sie wissen, was unser Volk sagt: ‚Die Pferde mancher Leute können muhen, deines aber sollte schweigen‘“, erklärte Putin. Er bezog sich dabei auf ein russisches Sprichwort, das in etwa dem deutschen Sprichwort „Ein Esel schimpft den anderen Langohr“ ähnelt. Es dient dazu, jemanden als heuchlerisch zu bezeichnen.

Putin zitiert bekanntes russisches Sprichwort falsch: „Das ist egal“

Allerdings muhen auch im Russischen die Kühe und nicht die Pferde – darauf wies auch sofort der Moderator, Fjodor Lukjanow, hin. „Eine Kuh“, stellte Lukjanow sofort klar. „Kuh, Pferd, das ist egal. Ein Tier, kurz gesagt“, fügte der Präsident schnell hinzu und überspielte seinen Fehler mit einem Lachen.

Doch es blieb nicht der einzige Fauxpas: Putin behauptete auch, den russischen Soziologen und Kremlkritiker Boris Kagarlizki nicht zu kennen, der am 26. Juli wegen „Rechtfertigung von Terrorismus“ verhaftet wurde. Und das, obwohl sich Putin selbst nur wenige Tage nach seiner Verhaftung selbst zu Kagarlizki geäußert hatte. Als Putin dann am Donnerstag (5. Oktober 2023) gefragt wurde, ob er Kagarlizki freilassen wolle, antwortete er: „Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, wer Kagarlizki ist. Ich werde das Papier nehmen, nachsehen und antworten. Das verspreche ich.“

Der Kreml-Chef widersprach sich zudem auch selbst, als er in Sotschi über die Existenz von Privatarmeen im Lande sprach. Er sagte, einige tausend ehemalige Kämpfer der PMC-Wagner-Gruppe hätten Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium unterzeichnet. Wenige Augenblicke später aber behauptete er, dass es in Russland gar keine Privatarmeen gebe und auch nie gegeben habe.

Putins Versprecher werfen Fragen auf: „Verrückt geworden“

Für viele waren Putins Ausführungen auf dem Waldai-Forum schwer nachvollziehbar: In den sozialen Medien hieß es an vielen Stellen, Putin sei „verrückt geworden“, er rede „Unsinn“ und habe möglicherweise Probleme mit seinem Gedächtnis, berichtet „Newsweek“.

Am Ende wirkt es so, als sei Putin sich selbst nicht mehr sicher, welche „offizielle“ Kreml-Version er gegenüber der russischen Öffentlichkeit vertreten soll. Denn wenn es um Privatarmeen in Russland geht, kam es immer wieder zu Kehrtwenden: Ende September gab der Kreml etwa bekannt, dass man sich mit einem ehemaligen Kommandeur der Wagner-Gruppe treffe, um die Bildung von Freiwilligeneinheiten zu erörtern. Im Juli aber sagte Putin noch, dass Wagner nach russischem Recht gar nicht existiere. 

Bevor die Wagner-Gruppe in Putins Krieg in der Ukraine verwickelt wurde, hatte der Kreml immer wieder ihre Existenz geleugnet und behauptet, keine Kenntnis von der Organisation zu haben. Söldner seien nach russischem Recht illegal, privaten militärischen Sicherheitsunternehmen sei es nach russischem Recht nicht gestattet, außerhalb Russlands zu agieren. Eine Lüge, wie sich herausstellte.