„Ich habe Angst“Russen entsetzt über Post im Briefkasten – am 1. April geht's los

Auf unserem Foto stehen zwei Menschen Mitte Februar auf einem Hügel mit Blick auf Moskau.

Russlands Männer bekommen erneut Post vom russischen Militär, diesmal auch in großen Metropolen wie Moskau. Auf unserem Foto stehen zwei Menschen Mitte Februar auf einem Hügel mit Blick auf Moskau.

Russlands Männer bekommen erneut Post vom russischen Militär – diesmal auch in großen Metropolen, die bislang glimpflich davon gekommen sind. Nun geht die Angst um. 

von Martin Gätke (mg)

Am 1. April soll es losgehen, dann beginnen die regulären Rekrutierungen der russischen Armee für den kommenden Sommer. Und Soldaten braucht Putin dringend, denn die Verluste an der Front sind immens, die Friedhöfe in seinem Land werden immer größer. 400.000 Vertragssoldaten will Putin bis zum Sommer mit einem angeblichen „Freiwilligen-Programm“ anwerben.

Doch „freiwillig“ wollen viel zu wenig Männer in seinen Krieg ziehen. Fachleute gehen davon aus, dass der Kreml es nicht schaffen wird, diesen großen Bedarf an Soldaten mit dem „Freiwilligen-Programm“ zu decken. Jetzt mehren sich die Berichte, dass viele Männer gezwungen werden. Viele von ihnen haben bereits Post aus den Melde- und Rekrutierungsbüros erhalten. Die Angst geht um. 

Russland: Männer haben Angst, als sie Post erhalten

Offiziell will der Kreml eine zweite Mobilmachung vermeiden: Im Oktober 2022 verkündete Russland das Ende der sogenannten Teil-Mobilmachung, eine weitere solle es nicht geben. Damals zog man rund 300.000 Mann ein.

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Nun beginnt in Putins Reich der reguläre Rekrutierungszyklus der Armee, viele russische Männer haben bereits Anfang März Post erhalten – bis zum Ende des Monats in rund der Hälfte der Regionen des Landes. Darunter auch jene Städte, die bisher glimpflich davongekommenen sind: Moskau und St. Petersburg. 

Offiziell steht in den Briefen, dass es sich um eine „Überprüfung von Daten“ handle, nicht um eine Musterung. Auch russische Behörden leugnen, dass es eine Mobilisierung wie 2022 geben werde. Doch viele Männer haben Angst, wie zahlreichen Beiträgen in den sozialen Netzwerken zu entnehmen ist. 

Russland: „Habe Angst, dass aus ‚Datenerfassung‘ eine Einberufung wird“

„Die Teilnahme ist strengstens vorgeschrieben – so steht es da. Aber ich gehe nirgendwohin! Ich habe Angst, dass aus der ‚Datenerfassung‘ irgendwann eine Einberufung wird, und dann finde ich mich irgendwo an der Front unter Granaten wieder“, so schildert es ein Student aus Jekaterinburg.

Studierende sollen laut Medienberichten zudem ihre Abschlüsse vorenthalten werden, wenn sie nicht in den Krieg ziehen wollen. So soll an der Moskauer MAI-Universität die Ausstellung von Diplomen mit Vorladungen verknüpft sein.  Nehmen Sie hier an der EXPRESS.de-Umfrage zum Ukraine-Krieg teil:

„Wir haben ein Fachstudium absolviert, und jetzt werden wir zur Musterung zitiert. Ich bin nicht hingegangen, aber andere sagen, dass sie dort neue Vertragssoldaten rekrutieren. Man geht mit dieser Aufforderung zum Einwohnermeldeamt, und es wird einem gesagt: ‚Gehen Sie zum Rekrutierungsbüro, unterschreiben Sie einen Vertrag, und dann geben wir Ihnen ein Dokument, mit dem Sie Ihr Diplom erhalten können‘“, wird ein Student vom „Tagesspiegel“ zitiert.

Russland: „Mobilisierungswelle hat viele Leute zutiefst erschreckt“

Die russische Politikwissenschaftlerin Ekaterina Shulman erklärt gegenüber der Zeitung, dass sie in dieser schleichenden Mobilisierung für Moskau eine bequemere Methode sehe, um die russischen Männer an die Front zu bekommen: „Die vorherige Mobilisierungswelle hat viele Leute zutiefst erschreckt. Deswegen versucht man nun, ein ähnliches Vorgehen zu vermeiden.“

Auch die erschreckenden Berichte von zahlreichen Soldaten, die bereits an der Front kämpfen, dürften viele Russen abschrecken: Sie sprechen darüber, dass sie nur Kanonenfutter seien, über fragwürdige Befehle, Schikanen, Misshandlungen, den Mangel an Nahrung. Sogar die versprochenen Zahlungen (umgerechnet 2350 Euro im Monat ohne Prämien) sollen ausbleiben. 

Einige Soldaten haben sich gar direkt an Putin gewandt: Als Oberkommandierender der Streitkräfte solle er sich darum kümmern, dass die Kommandeure ihre Arbeit machten, sagte jüngst ein vermummter Soldat in einem Telegram-Video. Er beklagte vor allem fehlende Ausrüstung und mangelnde Führung. Auch andere Aufnahmen zeigen, dass Putin mehr und mehr den Rückhalt seiner Soldaten verliert.