Geigen, Gefühle, GewaltKampf um Lützerath: Die einen haben den Rechtsstaat – die anderen recht?

Polizisten tragen bei der Räumung von Lützerath eine Demonstrantin fort.

Polizisten tragen bei der Räumung von Lützerath am 11. Januar 2023 eine Demonstrantin fort.

Klimaaktivisten und -aktivistinnen kämpfen um den Erhalt von Lützerath – teilweise mit Gewalt. Die Polizei vor Ort lässt daraufhin die Muskeln spielen. Aber sollten sich die handelnden Personen nicht lieber Gedanken machen? Ein Kommentar.

von Alexander Haubrichs (ach)

Der Rechtstaat lässt die Muskeln spielen und die erste Antwort war Gewalt. Ja, es gab sie, die Werfer von Molotow-Cocktails und Steinen. Aber es gibt eben auch die Frau aus Immerath, die das Dorf mit dem Dom schon verloren hat und nun um Lützerath kämpft.

Es gibt die junge Frau am Seil, die „Jenseits von Hoffnung und Zweifel: Gedanken zum Widerstand in der Klimakrise“ liest. Das Streicher-Duo, das für die Klimaaktivisten spielt. Die beiden hartgesottenen Typen, die bei den Klängen in Tränen ausbrechen. Die gläubige Katholikin, die sich mit dem Buch von Franziskus im Schlamm den Baggern von RWE in den Weg legt.

Lützerath: Haben die Protestierenden recht?

Der Protest gegen den Abbau der Kohle unter dem kleinen Meiler in Lützerath, der längst zu einem internationalen Symbol geworden ist, hat viele Gesichter. Sie treffen auf ein gigantisches Aufgebot an Polizei- und Ordnungskräften. Der Staat macht für den Energiekonzern den Weg frei, obwohl so mancher in Uniform sich fragen dürfte, ob er auf der richtigen Seite steht.

Alles zum Thema Polizeimeldungen

Jeden Tag erleben wir andere Auswüchse der Klimakatastrophe. 20 Grad an Silvester, kein Schnee in den Alpen, Hochwasserkatastrophen an der Ahr, in Pakistan, in Nigeria. Die tödliche Dürre in Madagaskar. Ein fast ausgetrockneter Rhein im Sommer.

Darf RWE die Kohle unter dem Meiler verbrennen, kann Deutschland seinen Beitrag zum Klimaschutz nicht mehr leisten. Und der ist nötig, wollen wir verhindern, dass global die Kipppunkte erreicht werden.

Die Menschen auf dem Meiler fühlen sich von der Politik im Stich gelassen, insbesondere von den Grünen verraten. Der Tagebau von Garzweiler hat eine gigantische Narbe in die Landschaft gefressen und wird wahrscheinlich am Ende auch Lützerath verschlingen.

Man muss befürchten, dass wir uns in 20 Jahren eingestehen müssen: die Frau am Fenster, die Frau am Seil, die Streicher, die weinenden Kerle, die Christin im Schlamm. Sie hatten recht. Nur war der Rechtsstaat nicht auf ihrer Seite.