Sechs Termine, die es richtig in sich habenDeutschland droht 2024 ein heftiges Polit-Beben

Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD, im Juli 2023 auf dem Podium bei der Stimmabgabe zur Wahl der Spitzenkandidaten und -kandidatinnen für die Europawahl im Rahmen der Europawahlversammlung in der Messe Magdeburg.

Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD, im Juli 2023 auf dem Podium bei der Stimmabgabe zur Wahl der Spitzenkandidaten und -kandidatinnen für die Europawahl im Rahmen der Europawahlversammlung in der Messe Magdeburg.

Das Jahr 2024 könnte die politische Landschaft in Deutschland erschüttern. Im Mittelpunkt: Die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Ländern. Die AfD hofft auf ein „blaues Wunder“, die Ampel steht vor schwierigen Zeiten und die Union vor einer Entscheidung.

„Das nächste Jahr ist das Jahr der AfD“, sagte der Publizist Michel Friedman im Dezember 2023 bei den Frankfurter Römerberggesprächen. Mit Sorge blickt er Richtung Ende der 20er Jahre – Friedman befürchtet, dass dann vielleicht auf Bundesebene erste Gedankenspiele über Koalitionen mit der Rechts-Partei salonfähig werden könnten.

Das neue Jahr sieht er als Teil einer möglichen Entwicklung dorthin.

2024 droht in Deutschland ein heftiges Polit-Beben

Die seit Monaten hohen Umfragewerte für die AfD wirken wie Vorbeben. Der große Knall könnte im September folgen, sollte sie in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zum ersten Mal seit ihrer Gründung als Siegerin aus einer oder gar mehreren Landtagswahlen hervorgehen.

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Das Wahljahr 2024 steht somit ganz im Zeichen der Frage, ob der Höhenflug der AfD anhält – oder die anderen Parteien ihn stoppen können.

Diese sechs Termine haben es 2024 in sich

Nun kann bis zu den Wahlen im Osten noch viel passieren, die politische Großwetterlage kann sich schnell ändern – und auch eine neue Konkurrenz von links könnte der AfD Wählerinnen und Wähler abspenstig machen.

Der unter Druck stehenden Ampel in Berlin drohen im kommenden Jahr weitere Zerreißproben. Sechs Ereignisse, die in der Summe für ein innenpolitisch besonders turbulentes Jahr sorgen dürften:

Jahresbeginn: Parteigründung Wagenknecht

Gleich zum Jahresbeginn will die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht die deutsche Politik mit der Gründung einer neuen Partei aufmischen. Mit scharfer Opposition zur Wirtschafts-, Klima- und Transformationspolitik der Ampel und mit restriktiver Migrationspolitik will die 54-Jährige der AfD Wählerinnen und Wähler abwerben.

Diejenigen, die auch aus Wut darüber nachdächten, AfD zu wählen, sollten eine seriöse Adresse bekommen, sagt Wagenknecht. Es gehe darum, eine politische Leerstelle im Land zu füllen.

Februar: Entscheidung zur Geheimdienst-Beobachtung der AfD

Im Februar geht es in Münster um eine wichtige juristische Frage, die ebenfalls Einfluss auf den Zuspruch für die AfD haben könnte: Das Oberverwaltungsgericht muss klären, ob der Verfassungsschutz die Partei bundesweit als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen und entsprechend geheimdienstlich beobachten darf, um festzustellen, ob es tatsächlich Bestrebungen gibt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Landes zu untergraben.

Unabhängig davon, wie die Entscheidung jetzt ausfällt, wird die Partei damit versuchen, Anhänger zu mobilisieren: Im Erfolgsfall in Siegerpose gegenüber einem aus ihrer Sicht instrumentalisierten Verfassungsschutz, bei einer Niederlage als vermeintliches Opfer staatlicher Drangsalierung.

Juni: Europawahl und Kommunalwahlen

Der 9. Juni, der Tag der Europawahl, wird zeigen, wie die Stimmungslage im Land wirklich ist.

Schrumpft die Zustimmung für die Ampel weiter, droht der Dauerschwelbrand über Kurs und Prioritäten dieser Regierung vor allem zwischen FDP und Grünen erneut aufzuflammen. Die FDP fühlt sich mit schwindendem Wählerzuspruch immer unwohler in diesem Bündnis, kann es aber schlecht platzen lassen, weil sie bei einer Neuwahl laut Umfragen aus dem Bundestag fliegen könnte.

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Der 9. Juni wird auch der erste Testlauf für Wagenknechts neue Partei. Kann sie aus dem Stand so viele Wähler gewinnen, dass das Projekt trägt, oder geht ihm nur wenige Monate nach der Gründung schon die Luft aus? Sie hofft auf ein zweistelliges Ergebnis.

Doch nicht nur die Europawahl wird ein Fingerzeig. Am selben Tag und zum Teil auch schon davor werden in acht Bundesländern, darunter in allen fünf ostdeutschen Ländern, Kreistage, Gemeindevertretungen und Bürgermeister gewählt.

Kommunalpolitiker sind nicht für Migration, Inflation, Klima und Energie zuständig, doch die Bundesthemen könnten durchschlagen - und die AfD versucht, sich in den Kommunen weitere Ämter zu sichern, wie zuletzt schon vereinzelt geschehen.

September: Landtagswahlen

Am 1. September könnte Deutschland schließlich ziemlich hart auf dem Boden der politischen Tatsachen landen.

In Sachsen und Thüringen werden neue Landtage gewählt, am 22. September ist Brandenburg dran. In Umfragen lag die AfD zuletzt in allen drei Ländern mit zum Teil deutlich über 30 Prozent klar vorn. Es wäre das erste Mal, dass die AfD eine Landtagswahl gewinnt.

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Zwar sind Umfragen nur Momentaufnahmen und keine Prognosen auf den Wahlausgang, dennoch spricht die Partei bereits öffentlich von absoluten Mehrheiten und einem Ministerpräsidenten Höcke in Thüringen.

Mit den derzeitigen Werten erscheint das unwahrscheinlich, aber Fachleuten zufolge ist auch nicht völlig auszuschließen, dass die AfD an die Macht kommt.

Legt sie noch mehr zu und die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde (die Möglichkeit deutete sich zumindest für Sachsen in einer Insa-Umfrage im Sommer an), könnte es knapp werden. 

Herbst: Kanzlerkandidatur der Union – ist Wüst bald am Zug?

Rund um die Landtagswahlen, im Spätsommer 2024, soll auch die wichtigste Entscheidung des Jahres bei der Union fallen.

CDU und CSU wollen dann die Frage der Kanzlerkandidatur beantworten und damit, wer bei der nächsten Bundestagswahl Herausforderer oder Herausforderin von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird. Der genaue Termin steht noch nicht fest.

CSU-Chef Markus Söder würde gerne den Urnengang im Osten abwarten. Das würde allerdings die Frage, ob es CDU-Chef Friedrich Merz wird, mit diesen Wahlergebnissen verknüpfen: Schafft Merz es, seine Partei auf stabilem Niveau zu halten oder sogar Zugewinne zu verbuchen, ist ihm die Kür in der K-Frage so gut wie sicher.

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Verliert die CDU im Osten spürbar, könnte die Stunde der Konkurrenten schlagen: Söder oder die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Hendrik Wüst und Daniel Günther, die für den milderen Merkel-Mitte-Kurs stehen.

Die interne Debatte darüber, ob dieser oder der knallige Merz-Kurs besser bei den Wählern zieht und Stimmen für die AfD verhindert, ist noch nicht entschieden.

November: Wird Trump wiedergewählt?

Die US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 wird nicht nur außenpolitisch eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres.

Sollte der Republikaner Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt werden, hätte das auch wieder Einfluss auf die deutsche Innenpolitik und das AfD-Thema. Die Rechten würden Rückenwind für sich und ihr Argument reklamieren, dass überall im Westen die Gegenbewegung zum, wie sie es nennen, „linksgrünen Mainstream“ die Oberhand gewinne.

Gemutmaßt wird außerdem, dass unter Trump die US-Unterstützung für die Ukraine zurückgeschraubt werden könnte, was Russlands Präsident Wladimir Putin in die Hände spielen würde. Ob die Europäer dauerhaft ohne die USA genug Unterstützung für die Ukraine leisten können und wollen, um Putins Expansionsbestrebungen entgegenzutreten, ist fraglich. (dpa/mg)