Behörden alarmiertNeue Droge auf dem Vormarsch, Betroffener warnt: „Frisst dein Fleisch, wie ein Krokodil“

Die Behörden in den USA sind alarmiert: Denn dort ist eine neue, „fleischfressende“ Droge auf dem Vormarsch. 

Das für den Kampf gegen Drogen und Kriminalität zuständige UN-Büro schlägt in seinem Jahresbericht wegen der weltweiten Verbreitung von synthetischen Drogen Alarm. Die USA können angesichts der seit Jahren anhaltenden Opioid-Krise ein Lied davon singen. Mittlerweile kommt zu dem extrem starken Betäubungsmittel Fentanyl auch noch die aggressive Droge „Tranq“ hinzu. Das aus der Tiermedizin stammende Beruhigungsmittel mit dem offiziellen Namen Xylazin frisst regelrecht Löcher in die Körper der Konsumenten – und ist daher auch als „Zombie-Droge“ bekannt.

Der New Yorker Langzeit-Drogenabhängige Martin hat schon miterlebt, wie Fentanyl Heroin abgelöst hat. Tranq will er aber unbedingt aus dem Weg gehen. „Es reißt Dir Löcher in den Körper, in Deine Haut“, sagt der 45-Jährige. Wunden an seinen Armen und Beinen deuten darauf hin, dass er Xylazin ungewollt schon mehrfach konsumiert hat. Denn das für die Tiermedizin zugelassene Mittel wird zunehmend genutzt, um die Wirkung von Fentanyl zu verstärken.

USA schlagen Alarm: Fleischfressende Droge auf dem Vormarsch

Im April bezeichnete das Weiße Haus die Droge, deren Straßenname sich von dem englischen Wort „tranquilizer“ (Beruhigungsmittel) ableitet, als „aufkommende Bedrohung“. Die Todesfälle durch eine Drogen-Überdosis, bei denen Tranq im Spiel war, stiegen laut der US-Gesundheitsbehörde CDC von 260 im Jahr 2018 auf 3480 im Jahr 2021. Die Zahl der Fentanyl-Toten erreichte demnach im vergangenen Jahr einen Höchststand von fast 110.000 Fällen.

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Fentanyl, das eigentlich in der Anästhesie und bei schweren Schmerzen eingesetzt wird, ist ein synthetisches Opioid, das etwa 50 Mal stärker ist als Heroin. Seine Wirkung hält relativ kurz an, so dass Abhängige es sehr oft konsumieren müssen, um Entzugserscheinungen zu verhindern, wie die Expertin Courtney McKnight von der School of Global Public Health der New York University erläutert.

Der Heroinkonsument Martin, 45, sitzt während eines Interviews mit AFP im St. Ann's Corner of Harm Reduction in New York City am 25. Mai 2023.

Der Heroinkonsument Martin, 45, sitzt während eines Interviews mit AFP im St. Ann's Corner of Harm Reduction in New York City am 25. Mai 2023. Das von der US Food and Drug Administration (FDA) zugelassene Beruhigungsmittel hat den illegalen Drogenmarkt in den USA infiltriert, wobei die Hersteller es zunehmend zur Ergänzung von Fentanyl verwenden.

Xylazin werde offenbar beigemischt, „weil es die Wirksamkeit von Fentanyl verlängern kann“, sagt McKnight. Die Nebenwirkungen seien allerdings „ziemlich stark“.

Betroffener packt aus: „Es frisst Dein Fleisch auf wie ein Krokodil“

„Es frisst Dein Fleisch auf wie ein Krokodil“, schildert es Martin, der seinen Nachnamen nicht nennen will, in der Fixerstube des Hilfzentrums St. Ann's Corner in der New Yorker Bronx. Gesundheitsexperten haben Xylazin im Verdacht, Abszesse und Hautgeschwüre zu verursachen, indem es die Blutgefäße verengt. In manchen Fällen kann das Amputationen notwendig machen.

Hochburg des Tranq-Konsums ist Philadelphia. Aber auch die Mitarbeiter von St. Ann's Corner sehen mittlerweile immer öfter Hautwunden, wenn sie auf der Straße saubere Spritzen und andere Utensilien sowie Essen an Drogenabhängige verteilen.

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„Oft erzählen die Leute, dass es mit kleinen Beulen oder schwarzen Flecken losgeht“, sagt Jazmyna Fanini von dem Hilfszentrum. Danach „stirbt das Gewebe rund um diesen Bereich ab“. Die Wunden könnten „manchmal sehr schlimm werden, sogar bis zum Knochen gehen“, sagt die Krankenschwester.

Im Kampf gegen tödliche Überdosen setzen die Stadt New York und Hilfsorganisationen auf Nasenspray mit dem Wirkstoff Naloxon, der die Wirkung von Opioiden aufhebt. Da Xylazin aber kein Opioid ist, wirkt Naloxon nicht dagegen.

Drogen-Hilfezentrum sicher: Entkriminalisierung würde helfen

Die Strafverfolgungsbehörden werden im Kampf gegen tödliche Überdosen außerdem dadurch behindert, dass Xylazin keinen Beschränkungen unterliegt und einfach im Internet bestellt werden kann. „Selbst wenn man ein riesiges Lager damit fände, könnte man niemanden dafür strafrechtlich verfolgen“, sagt die New Yorker Anti-Drogen-Staatsanwältin Bridget Brennan.

Das Hilfszentrum St. Ann's führt das Auftauchen neuer gefährlicher Drogenmischungen wie Fentanyl mit Tranq auf die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten zurück. Gebraucht werde eine „sichere Lieferkette“ für Abhängige, sagt Team-Leiter Steven Hernandez. Anderenfalls würden Drogenabhängige weiterhin „regelrecht vergiftet“.

Hernandez' Hilfszentrum beteiligt sich an einem Programm der Stadt New York, das Konsumenten ermutigt, die Beschaffenheit ihrer Drogen zu testen, bevor sie diese einnehmen. Den Gesundheitsbehörden soll das ermöglichen, in Echtzeit neue Entwicklungen auf dem Markt für illegale Drogen mitzubekommen.

Noch ist es aus Sicht des Experten Leonardo Dominguez Gomez von der New Yorker Gesundheitsbehörde möglich, Xylazin zu umgehen, da das Mittel noch nicht den gesamten Drogenmarkt überschwemmt habe. Ob es dabei bleibe, könnte die Stadt könne auch mit entsprechenden Gesundheitskampagnen beeinflussen, sagt er.(afp)