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Hitler-Gruß und Spuck-AttackenSchockierende Berichte: So aggressiv geht es in Praxen und Notaufnahmen zu

Ein medizinischer Mitarbeiter wehrt einen Angriff ab.

Es kommt immer häufiger vor, dass Patienten ihren Frust am Personal in der Arztpraxis ablassen.

Die Gewalt in Arztpraxen und Notaufnahmen nimmt zu. Angestellte sowie Mediziner und Medizinerinnen berichten Schockierendes.

von Andrea Kahlmeier (ak)

Sie werden bedroht, bespuckt, getreten und gekratzt. Immer häufiger kommt es zu Übergriffen in Arztpraxen. Vor allem die medizinischen Fachangestellten bekommen am Empfang den geballten Zorn der Patienten ab. „Ihr seid wohl nicht ganz dicht“ ist da noch harmlos, es geht oft kräftig unter die Gürtellinie.

Was tun, um das Geifer-Geschwür in den Griff zu bekommen, das aufgrund der Engpässe im Gesundheitswesen immer größeren Nährboden findet?

Gewalt in der Arztpraxis: Diese Beispiele machen sprachlos

Es sind nur zwei Beispiele aus jüngster Zeit, die belegen, was in Arztpraxen mittlerweile immer häufiger für Entsetzen sorgt: Renitente Patienten und Patientinnen – oder deren Angehörige, die nicht nur verbal ausfallend werden, sondern sogar die Fäuste fliegen lassen:

  • 5. April: Ein 27-jähriger randaliert in einer Arztpraxis in Baden-Baden, attackiert die zugerufene Polizei mit Faustschlägen. Vorausgegangen: ein lautstarker Disput mit der Ärztin über seine Medikation.
  • 31. März: Ein 57-Jähriger wälzt sich in einem Wartezimmer in Hagen auf dem Boden. Die hinzugerufene Polizei brüllt er mit „Verpisst euch ihr Schweine. Ich werde euch f...!“ an und weigert sich, die Praxis zu verlassen.

Und viele Angestellte in Arztpraxen müssen seit Beginn der Corona-Pandemie mit mafiösen Methoden, etwa Androhung von Schlägen oder Geldbestechung, leben.

Alles zum Thema Polizeimeldungen

„Damals ging es um rücksichtsloses Verhalten, wenn Grippe- oder Coronaimpfstoffe nicht vorhanden waren. Jetzt gehen Patienten auf die Barrikaden, wenn sie nicht ihre gewohnten Medikamente, Rehamaßnahmen oder Heilmittel bekommen, lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen oder überhaupt keinen Facharzt mehr finden, wie etwa Eltern mit kleinen Kindern. Und diesen Frust bekommen die medizinischen Fachangestellten als erste ab“, sagt Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe (VmF) im Gespräch mit dem EXPRESS.

Aggression beim Arzt: Morddrohungen und Nazi-Parolen

Wie Leila R. (46), medizinische Fachangestellte in Köln. „Ich bin schon mehr als einmal übel beschimpft worden. Da wollte eine Frau partout die Datenschutz- und Aufklärungsbögen nicht ausfüllen, eine andere weigerte sich lautstark, sich die Hände zu desinfizieren“, sagt sie. Diese Dame sei Tage später noch einmal hereingekommen und habe sich entschuldigt. Offensichtlich die Ausnahme. Auf der Seite Doc.Check schildern Betroffene ihre Erfahrungen. Es scheint ein Trend zu sein, dass Menschen ihren Frust an Helfenden auslassen – und das zieht sich laut König durch alle Schichten und Regionen.

  • „Von einem Patienten wurde ich mit „Sieg Heil“ verabschiedet, eine ältere Dame weigerte sich, von mir behandelt zu werden“, schreibt ein Sanitäter auf Doc.Check. „Dabei spreche ich akzentfrei Deutsch.“
  • Nicht selten gehen die Aggressionen auch von den Angehörigen der Patienten aus. Eine Ärztin berichtet: „Es gab eine Familie, die das drohende Versterben unseres Patienten als unser Verschulden angesehen hat. Uns wurde mit dem Tod gedroht, man hat uns regelmäßig angeschrien, beleidigt und jemand hat auch versucht, mich zu bespucken.“
  • Apotheker und Pharmazeutisch-technische Assistentinnen (PTA) bekommen die „F-Wörter“ an den Kopf geworfen, wenn sie sich weigern, verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept herauszugeben.
  • Vorsicht, Wurfgeschoss! Eine schwangere Frau warf eine Eieruhr auf eine Gynäkologin, nachdem sie wutentbrannt in die Arztpraxis gestürmt war, weil sie keinen Termin bekommen hatte.
  • Und laut Doc.Check kamen auch schon Urinbeutel und Monitore zum Einsatz.

Weil das „Maß an Aggression nochmals deutlich zugenommen hat und auch im ärztlichen Bereitschaftsdienst der Ton nach unserer Wahrnehmung spürbar rauer geworden ist, hat die Vertreterversammlung der Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein im Rahmen eines Antrags Staat und Justiz aufgefordert, entschlossen rechtlich gegen Personen vorzugehen, die Ärztinnen und Ärzte oder ihre Teams diffamieren oder gar persönlich angegriffen haben.

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„Getan hat sich allerdings wenig“, sagt Pressereferent Thomas Petersdorff. Die Politik müsse das Thema ernst nehmen, fordert auch Hannelore König. Beispiel: „Ärzte können bei Meldestellen der Ärztekammern Übergriffe melden, auch medizinische Fachangestellte sollten die Möglichkeit bekommen.“

Kölner HNO-Arzt: Offene Sprechstunde und Humor gegen Aggression

Auch HNO-Arzt Taufik Shahab hat schon mal den ein oder anderen randalierenden Patienten „mit sanfter Gewalt“ aus seiner Praxis am Neumarkt in Köln heraus komplimentieren müssen. Doch das sei die Ausnahme. „Wichtig ist es, glaube ich, vor allem, ein relativ gutes Terminmanagement zu haben“, sagt er. „Ich biete zum Beispiel fast jeden Tag eine offene Sprechstunde an, da kann jeder reinkommen und muss nicht ausrasten, weil er drei Monate auf einen Facharzttermin warten soll.“

Der Kölner HNO-Arzt Taufik Shahab

Taufik Shahab ist HNO-Arzt in Köln und vertritt die Devise: „Humor hilft.“

Wenn jemand seinen Angestellten gegenüber übergriffig werde, wissen diese, dass er sofort gerufen werden will. „Egal, was ich gerade mache. Der Schutz der Mitarbeiterinnen hat immer Vorrang.“ Da wurde schon mal die 110 gerufen. Aber für gewöhnlich versuche er, in kritischen Situationen mit einer Portion Humor zu deeskalieren.

„Typisches Beispiel: Da geht jemand, zum Beispiel mit arabischem Hintergrund, an die Decke, weil ich kein Arabisch spreche, was er oder sie bei meinem Namen aber vermutet hatte. Wenn ich sage, nicht jeder Kevin kommt aus den USA und nicht jede Chantal aus Paris, lachen wir gemeinsam.“

Doch wenn jemand partout weiter schimpfe, zeige er gern auf die Praxistür: „Habe ich Sie die Treppe hochgeholt? Keineswegs! Auf mosernde Patienten kann ich getrost verzichten.“

Aggressive Patienten: Profi rät zu Codewörtern und Sand-Schale

Polizist Christian Henke leitet Deeskalationskurse. Dazu gehören nicht nur Selbstverteidigungstechniken und verbale Retourkutschen, sondern ganz konkrete Tipps, um das persönliche Sicherheitsgefühl zu stärken: „Hinterm Tresen, in Griffweite, eine Schale mit Vogelsand deponieren. Oder eine offene Dose mit Büroklammern, die man dem Angreifer im Ernstfall entgegenwerfen kann. „Das ist besser als Pfefferspray“, sagt Henke im „Ärzteblatt“.

Oder: Codewörter etablieren. Der Ausruf „Bring’ mir mal die Akte xy“ könne zum Beispiel das Signal an das Team sein, die Polizei zu verständigen. Schreibtische würden häufig falsch stehen und jede Möglichkeit, sich aus einer Situation zurückziehen zu können, verbauen. Sein Tipp: „Stellen Sie die Möbel so, dass im Falle eines Übergriffs jederzeit die Flucht möglich ist.“ „Gegenstände, die fliegen können, sollten man besser wegräumen“, rät der Polizist.