Nach Tod von 17-JährigemFrankreich: Unbekannte setzen Haus von Bürgermeister in Brand – Kind verletzt

Bei den Protesten in Frankreich nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen haben Randalierer das Haus eines Bürgermeisters in Brand gesetzt. Zwei Menschen wurden verletzt.

Inmitten der Unruhen in Frankreich haben Unbekannte einen Anschlag auf das Haus des Bürgermeisters einer Gemeinde im Großraum Paris verübt. Sie hätten in der Nacht zum Sonntag (2. Juli 2023) sein Haus mit einem Fahrzeug gerammt und es in Flammen aufgehen lassen, um das Haus in Brand zu stecken, erklärte der Bürgermeister der Stadt L'Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun, am Sonntag auf Twitter.

L’Haÿ-les-Roses ist eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Außenbezirk von Paris.

Bei Paris: Anschlag auf Haus von Bürgermeister verübt, zwei Verletzte

Die Frau des Bürgermeisters und eines seiner beiden jungen Kinder seien beim Versuch, „den Angreifern zu entkommen“, verletzt worden, erklärte Jeanbrun. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Mordversuchs ein.

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Nach Jeanbruns Angaben ereignete sich der Anschlag gegen 01.30 Uhr nachts. Wegen der anhaltenden Ausschreitungen habe er sich zu dem Zeitpunkt, „wie seit drei Nächten“, im Rathaus seiner im Süden von Paris gelegenen Gemeinde aufgehalten, während seine Familie zu Hause schlief.

Jeanbrun sprach von einem „unsäglich feigen Mordversuch“. „Heute Nacht wurde eine neue Stufe des Horrors und der Schändlichkeit erreicht“, erklärte er. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus dem Umfeld des konservativen Politikers erfuhr, wird Jeanbruns Frau wegen einer Knieverletzung im Krankenhaus behandelt, eines ihrer Kinder erlitt leichte Verletzungen. Beide Kinder stünden unter Schock. Demnach wurde der Anschlag „gekonnt organisiert, ohne Rücksicht auf die in dem Haus Lebenden“.

Nach Angaben derselben Quelle steckten die Täter nicht nur ihr Fahrzeug in Brand, sondern auch das Auto von Jeanbruns Familie, bevor sie vor Polizei und Feuerwehr geflüchtet seien. Diese hätten „sehr schnell eingegriffen“.

Frankreich: Anhaltende Ausschreitungen nach Tod eines 17-Jährigen durch Polizei-Schuss

In Frankreich gibt es seit inzwischen fünf Nächten Ausschreitungen, zuletzt aber flaute die Gewalt nach Angaben des Innenministeriums ab. Auslöser der Unruhen war der Tod des 17-jährigen Nahel M., der am Dienstag (27. Juni 2023) von einem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre erschossen worden war.

Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seiner Heimatstadt Nanterre unter Ausschluss der Medien bestattet. An seiner Beerdigung nahmen nach Angaben eines Augenzeugen neben seiner Mutter und seiner Großmutter hunderte weitere Menschen teil. Er sprach von einer „sehr stillen Zeremonie“.

In der Nacht zu Sonntag (2. Juli 2023) sollen in Frankreich mindestens 719 Menschen festgenommen worden sein. Das ging am Sonntagmorgen aus einer vom Innenministerium auf Twitter veröffentlichten ersten Bilanz hervor. 45 Polizeikräfte seien bei den Ausschreitungen verletzt worden, hieß es weiter.

Die weltberühmte Pariser Einkaufsmeile Champs Élysées wurde von einem großen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie „Le Figaro“ berichtete. Auch in Lyon und Nizza kam es erneut zu Plünderungen. Angesichts der Unruhen sagte Präsident Emmanuel Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland ab.

Für Kritik sorgte unterdessen ein scharf formulierter Aufruf zweier Polizeigewerkschaften zum „Krieg“ gegen die Protestierenden. „Jetzt ist nicht die Zeit für den Arbeitskampf, sondern für den Kampf gegen diese ‚Schädlinge‘“, erklärten die Alliance Police Nationale und Unsa Police.

Dank des Einsatzes von 45.000 Polizisten und Polizistinnen und Tausenden Feuerwehrleuten sei es immerhin aber eine „ruhigere Nacht“ gewesen als am Vortag. In der Nacht zu Samstag waren laut Innenministerium mehr als 1300 Menschen festgenommen worden, 406 davon allein in Paris. 79 Polizisten wurden verletzt.

Die portugiesische Zeitung „Público“ kommentiert am Sonntag die Unruhen in Frankreich und das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte wie folgt: „Emmanuel Macron kämpft mit einem Aufstand, von dem noch niemand weiß, wie er enden wird. Es entsteht der Eindruck, dass die Kontrolle über die Situation verloren gegangen ist. Während das traditionelle System implodiert ist, erstarkt die extreme Rechte. Wird nach Italien und Spanien, das sich auf eine PP-Vox-Allianz vorbereitet, Marine Le Pen an der Reihe sein? Das Chaos auf den Straßen Frankreichs gibt ihr Auftrieb.” (afp, dpa)