Missbrauchs-Prozess in NRWMuss Opfer Marvin K. (16) vor seinem Peiniger aussagen?

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Der Angeklagte steht am Freitag (5. Juni) zu Beginn seines Prozesses mit einem Aktenmappe vor dem Gesicht im Landgericht im Gerichtssaal. Der 45-jährige aus Recklinghausen soll einen Jugendlichen zwischen 2017 und 2019 in seiner Wohnung versteckt und sexuell missbraucht haben.

Bochum – Dieser Artikel wurde am 16. November 2020 aktualisiert.  Nachdem im Dezember 2019 in Recklinghausen der zweieinhalb Jahre lang vermisste Jugendliche Marvin K. (16) gefunden wurde, steht sein 45-jähriger Peiniger seit Juni 2020 wegen 475-fachen Missbrauchs vor Gericht. 

Nun hätte auch das Missbrauchsopfer endlich aussagen sollen – doch durch einen Corona-Fall innerhalb des Gerichtshofes musste der Termin erneut verschoben werden.

  • Im Dezember 2019 wurde der seit zweieinhalb Jahren vermisster Marvin K. aus Duisburg in einer Wohnung in Recklinghausen gefunden.
  • Ein 45-Jähriger soll den Jugendlichen 475-fach missbraucht haben – ein Gerichtsprozess gegen ihn läuft seit Juni 2020
  • Aussage von Marvin K. musste aufgrund eines Corona-Falles erneut verschoben werden

Recklinghausen: Missbrauchsprozess gegen Lars H. zum vierten Mal unterbrochen

Es ist bereits das vierte Mal, dass eine Sitzung im Missbrauchsprozess gegen den 45-jährigen Lars H. aus Recklinghausen abgesagt und verschoben werden muss.

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Am vergangenen Samstag (14. November) hätte das Opfer Marvin K. vor Ausschluss der Öffentlichkeit endlich eine Aussage machen sollen.

Doch auch der vierte Versuch, den Jugendlichen zu vernehmen, scheiterte.

Wegen Corona: Vernehmung von Missbrauchsopfer Marvin K. erneut verschoben

Einer der Schöffen soll im Anschluss auf den letzten Sitzungstag am 4. November positiv auf das Corona-Virus getestet worden sein. Somit mussten sich alle Berufsrichter der achten Strafkammer in Quarantäne begeben.

Die drei geplanten Sitzungstermine am 14., 15. und 17. November wurden infolgedessen aufgehoben.

Geplant sei es, die Sitzung am 21. November stattfinden zu lassen – allerdings könnte dies bedeuten, dass Marvin K. in Anwesenheit des Täters aussagen müsste.

Recklinghausen: Muss Marvin K. seinem Peiniger vor Gericht erneut begegnen?

Im Sommer hatte sich der Jugendliche mit einem Brief an das Gericht gewandt, in dem er klarmacht, dass er sich deutlich gegen eine Aussage vor dem Mann, der ihm „all das angetan hat“, weigere. Ein Gutachten über die psychischen Folgen einer Konfrontation mit dem Täter steht noch aus.

Der mittlerweile 16-Jährige war im Juni 2017 spurlos verschwunden. Damals war er noch 13 Jahre alt und hatte in einer Jugendwohngruppe in Oer-Erkenschwick am Rand des Ruhrgebiets gelebt.

Mann missbraucht Junge in Recklinghausen hundertfach

Laut Anklage war es beim Treffen in einem Waldstück bereits zuvor zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und dem Kind gekommen. Dabei soll der Junge bis zu 50 Euro Bargeld oder Zigaretten erhalten haben.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Teenager anschließend in der Wohnung des Angeklagten untergetaucht und dort durchweg gelebt hat. Dabei soll er immer wieder sexuell missbraucht worden sein - als angebliche Gegenleistung für Kost und Logis.

An Flucht dachte der Junge offenbar nicht. Er hatte angeblich Angst, bestraft zu werden, wenn er zur Wohngruppe zurückkehren würde.

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Recklinghausen: Ein Streifenwagen der Polizei steht am 20. Dezember 2019 vor dem Mehrfamilienhaus, in dem ein vermisster Junge gefunden wurde.

Seine Entdeckung war schließlich Zufall. Die Polizei hatte die Wohnung des heute 45-Jährigen eigentlich durchsucht, weil er unter Verdacht stand, kinderpornografisches Material zu verbreiten. Dabei war auch der Schrank geöffnet worden, in dem sich der Junge versteckt hielt.

Zum Prozessauftakt am Freitag erklärte der Angeklagte, dass er sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern werde.

Anwältin Marie Lingnau, die den heute 16-jährigen Jugendlichen vertritt, sagte vor Prozessbeginn: „Der Junge war in den Fängen eines Mannes, der sehr manipulativ war.“ Seit seiner Befreiung versuche er, in den Alltag zurückzukehren. Das sei ein sehr schwieriger und langer Weg.

Junge im Schrank: Hinweise nach „Aktenzeichen XY“-Sendung

Der Vermisstenfall war bereits im Juli 2019 Thema der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ gewesen. Obwohl es bereits direkt nach der Ausstrahlung Hinweise auf den Angeklagten gegeben haben soll, war es erst fünf Monate später zu der Durchsuchung der Wohnung gekommen. Ein Fernsehzuschauer soll die Ermittler darauf hingewiesen haben, dass der Teenager schon vor dessen Verschwinden Kontakt mit dem Angeklagten gehabt habe.

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Zum Zeitpunkt des Anrufs war bereits bekannt, dass der Angeklagte wegen Besitzes von kinderpornografischem Material zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt worden war. Dieses Urteil war im März 2018 ergangen.

Prozess in Bochum: Urteil Ende Juni erwartet

Im aktuellen Prozess sind sämtliche 475 Fälle von der Bochumer Staatsanwaltschaft als sexueller Missbrauch gegen Entgelt oder unter Ausnutzung einer Zwangslage angeklagt.

Wie das Bochumer Landgericht bestätigte, ist der 15-Jährige als Nebenkläger zugelassen worden - vertreten durch dessen Mutter. Für den Prozess hat die zuständige 8. Strafkammer vorerst zehn Verhandlungstage bis zum 25. Juni 2020 angesetzt.

Zusätzlich ist noch eine weitere Anklage erhoben worden - wegen Besitzes und Verbreitung kinder- und jugendpornografischen Materials. Diese Anklage wird mitverhandelt. (lg/dpa)