Dramatischer Polizeieinsatz in Bochum: Weil eine Zwölfjährige die Einsatzkräfte mit zwei Messern attackierte, machten die Beamten von der Schusswaffe Gebrauch. Das Mädchen wurde schwer verletzt.
Polizei schießt in NRW auf Mädchen (12)Jetzt spricht Mutter über den Horror
Aktualisiert
Ein schrecklicher Vorfall, der viele Fragen aufwirft. Einsatzkräfte der Polizei Bochum fuhren in der Nacht auf Montag (17. November) gegen 0.30 Uhr zu einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Hamme. Dort sollte sich eine als vermisst gemeldete Zwölfjährige aufhalten.
Als die Mutter der Zwölfjährigen gegen 1.30 Uhr die Wohnungstür öffnete, trafen die Einsatzkräfte auf das Mädchen. Plötzlich sei das Kind mit zwei Messern in der Hand auf die Polizistinnen und Polizisten zugegangen. Um den Angriff abzuwehren, setzten die Beamten zeitgleich einen Taser (Distanzelektroimpulsgerät) und eine Schusswaffe ein.
Das Mädchen mit deutscher und serbischer Staatsangehörigkeit war zuvor aus einer Wohngruppe verschwunden. Sie ist auf lebenswichtige Medikamente angewiesen. Zudem ist die Zwölfjährige, genau wie ihre Mutter, gehörlos. Der Mutter war das Sorgerecht bereits entzogen worden.
Die Polizistinnen und Polizisten leisteten bis zum Eintreffen der Rettungskräfte Erste Hilfe. Das schwer verletzte Mädchen wurde intensivmedizinisch in einem Krankenhaus versorgt.
„Sie hat die OP gut überstanden“, sagte ein Polizeisprecher. „Der Zustand des Mädchens ist kritisch, aber stabil.“
Wie Staatsanwalt Jan Finke der „WAZ“ sagte, wurde gegen den Beamten, der geschossen hat, ein Verfahren eingeleitet. „Er ist formal als Beschuldigter belehrt worden und macht von seinem Schweigerecht Gebrauch.“
Dem Sender RTL gab die Mutter des Mädchens ein schriftliches Interview. Die Frau ist, genau wie ihre Tochter, gehörlos. Sie erklärte, dass die Zwölfjährige von ihrer Wohngruppe weggelaufen sei, zuvor soll es Streit in der Schule gegeben haben. Dann sei das Kind in der Wohnung der Mutter in Bochum aufgetaucht. „Sie sagte, ‚ich kann das nicht mehr ertragen‘“, erklärte die Mutter.
Mitten in der Nacht gegen 1.30 Uhr öffnete die Mutter dort den Polizisten die Wohnungstür. Dann überschlugen sich der Schilderung der Polizei zufolge die Ereignisse. Nach bisherigen Ermittlungen gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, dass das Mädchen beim Eintreffen der Beamten mit zwei Messern in der Hand auf die Polizisten zuging.
Die fühlten sich bedroht und zogen ihre Waffen. Ein Beamter nutzte sein Elektroimpulsgerät – eine Waffe, die den Getroffenen durch einen Stromstoß kurz handlungsunfähig macht, aber nicht lebensgefährlich verletzt. Ein anderer griff zu seiner Dienstwaffe und gab einen oder mehrere Schüsse ab – und verletzte das Mädchen dabei lebensgefährlich.
Aus Neutralitätsgründen hat eine Mordkommission der Polizei Essen die Ermittlungen übernommen.
Extrem belastendes Ereignis für alle Beteiligten
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) betonte, der Vorfall sei ein „extrem belastendes Ereignis für alle Beteiligten“. Der Einsatz von Schusswaffen gegen Kinder sei gesetzlich noch strenger gefasst als gegen Erwachsene.
So dürfen Schusswaffen gegen Menschen unter 14 Jahren laut Polizeigesetz eigentlich gar nicht eingesetzt werden - außer um eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren, betonte die Gewerkschaft.
Gleichzeitig zeige der Einsatz erneut, wie unberechenbar solche „Messerlagen“ seien, sagte der NRW-Landesvorsitzende Patrick Schlüter der Deutschen Presse-Agentur. Sie gehörten zu den „riskantesten Einsatzlagen, weil sie plötzlich passieren, kaum vorhersehbar sind und in Sekundenbruchteilen eskalieren“. (red mit dpa)
