Bonn braucht eine AbkühlungMeteorologe: Meßdorfer Feld „ein Segen“ fürs Stadtklima

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Der Bonner Meteorologe Karsten Brandt möchte, dass sich die Stadt für zukünftige Hitze-Sommer rüstet. Für ihn ist das Meßdorfer Feld fürs Stadtklima besonders wichtig. 

Bonn – Langsam kühlt es ab, aber der Hitzesommer 2020 brennt noch im Gedächtnis der Bonner. Der Meteorologe Dr. Karsten Brandt macht sich große Sorgen um die zunehmende Hitze. Klar ist: Die Stadt Bonn braucht eine Abkühlung, aber wie?

Bonns „Wetterfrosch“ Brandt erklärt im Gespräch mit EXPRESS, warum Freiflächen wie das Meßdorfer Feld „ein Segen“ fürs Stadtklima sind und dass ein Baumdach als Hitzeschild die Stadt runterkühlen könnte. Bonn müsse sich bei Stadtplanung und Häusergestaltung auf die steigenden Temperaturen vorbereiten. 

Bonner Wetterfrosch schlägt Hitze-Alarm

Im August schlug Brandt Alarm, in Bonn werde es immer heißer. Seine Prognose: „Die rasante Erwärmung, Bonn als eine der wärmsten Städte Deutschlands, Hitze, Schwüle, tropische Nächte – das wird zunehmen.“

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Gerade deshalb sei das Meßdorfer Feld im Westen Bonns als Freifläche enorm wichtig. „Die Einwohnerzahl geht rauf, die Flächen werden knapp“, sagt Brandt. Viele Freiflächen – außer den Wäldern Kottenforst und Ennert – gebe es nicht mehr.

Klimaanalyse-Karte zeigt: Bonn fehlen Grün- und Freiflächen

Eine Klimaanalyse-Karte des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) bestätigt die Aussagen Brandts: Gering bebaute Gebiete und Grünflächen (hellgrün und grün markiert), die gut für das Stadtklima sind, liegen vor allem außerhalb der Innenstadt. 

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Die LANUV-Klimaanalyse-Karte für Bonn zeigt, Frei- und Grünflächen (grün markiert) und Siedlungen mit ungünstigen Temperatur-Bedingungen (rot/rosa markiert). 

„Hinzu kommt, dass wir einen rasanten Klimawandel erleben. 35 Grad im September waren vor ein paar Jahren noch undenkbar“, sagt der Bonner Klimaexperte.

Welchen Effekt hat das Meßdorfer Feld aufs Bonner Klima?

„Wenn ich morgen früh erst auf dem Meßdorfer Feld die Temperatur messe und dann auf dem Münsterplatz, werde ich einen Unterschied von 9 bis 10 Grad feststellen“, sagt Brandt. Das Feld sorge aber dafür, dass Nord- und Innenstadt um ein Grad runtergekühlt würden.

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Das Meßdorfer Feld ist wichtiger Frischluft-Lieferant und Erholungsgebiet.

„Ob das nach dem Bau des Tausendfüßlers noch der Fall ist, ist fraglich“, sagt der Meteorologe. Die Pläne von Straßen.NRW, die Brücke der A565 zwischen Bonn-Endenich und Bonn-Nord neu- und auszubauen, sieht er kritisch: „Das ist eine Maßnahme aus einer anderen Zeit. Die Kaltluft vom Meßdorfer Feld könnte so blockiert werden.“

Meßdorfer Feld: CDU fehlen Mehrheiten für Bebauung

Das Meßdorfer Feld ist Landschaftsschutzgebiet, um zwei Randgebiete und eine mögliche Bebauung gibt es allerdings Streit. Die CDU habe diese Gebiete, die ausdrücklich nicht zum Meßdorfer Feld gehörten, nicht völlig abgeschrieben, sagt Bert Moll, planungspolitischer Sprecher der Ratsfraktion.

Man könnte dort Baulücken schließen. Moll meint damit zum einen auf der Dransdorfer Seite das Gelände der alten Stadtgärtnerei, zum anderen das Baugebiet am Bruch 2. Am Haltepunkt „Helmholzstraße“ Wohnungen zu bauen, sei optimal, sagt Moll.

Meßdorfer Feld: SPD und Grünen wollen nicht bauen

Für das Stück auf der Dransdorfer Seite gab es auch schon einen Interessenten, die Initiative Neue Stadtgärtnerei wollte dort ökologisch bauen. Es fehle aber der politische Beschluss, sagt Moll. Die Grünen und die SPD wollen nicht bauen lassen. Ohne Mehrheiten herrsche erst recht nach der Kommunalwahl „tote Hose“.

Stadt Bonn: Keine Schutzverordnung für Meßdorfer Feld

Die Stadt erklärt, dass Freiräume wie das Meßdorfer Feld durch das Projekt Grünes C geschützt werden. 

Die Landschaften müssten erhalten bleiben, sonst würden Fördergelder gestrichen. Aber: Eine Schutzverordnung, die eine Bebauung komplett verbietet, gibt es nach Angaben der Verwaltung nicht.

Frischluft-Lieferanten in Bonn: Andere wichtige Freiflächen

Meteorologe Brandt nennt weitere wichtige Freiflächen, die nicht bebaut werden sollten: Ennerthang, Pützchen, Golfplatz Sankt Augustin, Schwarzrheindorf und die Rheinaue.

Auch das Melbtal sei ein wichtiger Frischluft-Lieferant. Während die kalte Luft von dort früher bis zum Hauptbahnhof strömte, wird sie in Poppelsdorf mittlerweile durch hohe Gebäude, zum Beispiel in der Reuterstraße, aufgehalten, erklärt Brandt. In den 1950er und 1960er Jahren habe man einfach gebaut, ohne sich über das Stadtklima Gedanken zu machen.

Bonner Meteorologe: Richtig bauen gegen die Hitze

Auch das Beueler Stadttor schaffe zwar Wohnraum, wirke aber wie ein Bauriegel gegen Wind, sagt der Bonner Meteorologe. Außerdem sollte heller gebaut werden. Dunkle Gebäude wie am Konrad-Adenauer-Platz oder Urban Soul am Bahnhof heizten sich schneller auf.

Auch Dachbegrünung kann die Stadt abkühlen. Frisches Grün für Fassaden und Dächer soll pro Quadratmeter gefördert werden. Pro Maßnahme soll es maximal 2.000 Euro geben, pro Antragsteller 5.000 Euro. 110.000 Euro will die Stadt dafür aufwenden.

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Hübsch und gut fürs Stadtklima: Dachbegrünungen wie auf diesem Symbolfoto vom Mai 2014.

Ein Baumdach für Bonn als Hitzeschutz?

Bäume spenden Schatten, das weiß jedes Kind. Der Abkühlungs-Effekt sei zum Beispiel spürbar, wenn man von der heißen Königswinterer Straße auf die kühle Julius-Forster-Straße in Oberkassel wechselt, erklärt Brandt. Letztere hat viele Grünflächen und hohe Bäume.

Brandts Vision: Bonn unter einer Baumschicht verstecken. Die Baumabdeckung fange die heiße Luft ab, auf der Straße darunter kühle es um bis zu 10 Grad ab.

„Man müsste viele unterschiedliche Laubbäume anpflanzen, weil man nicht weiß, was in ein paar Jahren hier noch überlebt“, sagt Brandt. Solche Bäume müssten natürlich erstmal so hoch wachsen. Das dauert. Bis dahin bleiben Freiflächen wie das Meßdorfer Feld wichtig, sagt Brandt.

Zukunftsvision Baumdach: Was sagt die Stadt dazu?

Die Stadt Bonn hat 2019 insgesamt 566 neue Bäume gepflanzt, ein Anfang, aber weit entfernt von Baumdach-Plänen.

Der Vorteil eines Baumdachs sei nicht grundsätzlich gegeben, sagt Kristina Buchmiller vom Presseamt: „Es kann auch vorkommen, dass es unter Baumdächern zu Wärmestau und zu erhöhten Feinstaubkonzentrationen kommen kann, wenn keine ausreichende Durchlüftung gegeben ist.“

Bonner Meteorologe: „Wir müssen das Klima selbst in die Hand nehmen“

Brandt geht davon aus, dass es in 30 Jahren noch wärmer ist, und betont: Wie die Stadt heute baut, beeinflusst die nächste Generation in 40, 50 Jahren.

„Wir müssen jetzt handeln, das haben einige noch nicht verstanden“, sagt der Meteorologe aus Bechlinghoven. Ein Gesamtkonzept müsse her: „Wir müssen das Klima selbst in die Hand nehmen.“ (lmc)