50 Jahre EXPRESSMysteriöser Mord an Treuhand-Chef Rohwedder

Erschossen in seiner Wohnung in Oberkassel. Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder († 1.4.1991) wurde 58 Jahre alt.

Erschossen in seiner Wohnung in Oberkassel. Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder († 1.4.1991) wurde 58 Jahre alt.

Düsseldorf – Es ist der 1, April 1991 – Ostermontag, 23.55 Uhr. Es wird die dramatischste Nacht, die ich je erlebt habe. Ich will von der Kö nach Lohausen, doch die Stadt ist dicht, abgeriegelt. Überall stehen Streifenwagen quer. Dann erfahre ich: Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder, der Top-Manager, der die DDR-Wirtschaft abwickelte, wurde um 23.31 Uhr in seiner Oberkasseler Wohnung erschossen!

Ein politischer Mordanschlag. Ich dachte an die Stasi, aber nicht an Terroristen. Als EXPRESS-Reporter kenne ich alle Schleichwege, umfahre alle Sperren, werde aber auf dem Kaiser-Friedrich-Ring gestoppt. Vor dem Haus Nummer 71 steht ein Notarztwagen. Polizisten leuchten alles ab, einer richtet den Lampenstrahl auf ein Fenster im Obergeschoss. Ich sehe drei Einschusslöcher.

Hinter dem Fenster – so höre ich – liegt der erschossene Treuhand-Chef. Seine Frau Hergard war ebenfalls getroffen worden. Notärzte kümmern sich um die Opfer. Frau Rohwedder wird schwer verletzt herausgetragen, sie überlebt.

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Hubschrauber kreisen. Die Nacht wird zum Tag. Scheinwerfer werden aufgebaut, die Umgebung wird abgesucht. Bundeskriminalbeamte tauchen auf. Dabei kommt heraus: Der Mordschütze lag 60 Meter entfernt in einem Garten. Da liegen noch ein Feldstecher, drei Patronenhülsen, ein Handtuch, ein Plastikstuhl, ein Bekennerbrief der RAF. Vom Täter, einem Präzisionsschützen, keine Spur.

Nachbarn der Rohwedders, die aus der Stadt kommen, wollen in ihre Häuser. Andere wollen raus. Man lässt sie nicht. Stundenlang müssen sie warten.

Der Mordanschlag erschüttert die Republik. Mehr als 1000 Spuren führen ins Leere. Bewachungspannen und Sicherheitslücken werden bekannt. Warum hatte einer der meistgefährdeten Manager keine Panzerglasscheiben, warum ließ man ihn so schutzlos?

Noch am Gründonnerstag hat Hergard Rohwedder eine Vorahnung und klagt bei der Polizei: „Hier braucht sich was zusammen. Es gibt Morddrohungen.“ Doch es hört niemand auf sie, es geschieht nichts. Neun Jahre später bricht Hergard Rohwedder ihr Schweigen in einem EXPRESS-Interview (siehe unten).

Erst zehn Jahre nach dem Mordanschlag legt das Bundeskriminalamt neue Ermittlungsergebnisse vor. Molekular-genetische Untersuchungen am Handtuch weisen die Herkunft von Haaren nach: Sie sollen Oliver Grams gehören, der 1993 bei einer Schießerei mit einem GSG-9-Kommando in Bad Kleinen ums Leben kam.

Er hatte sich mit RAF-Terroristen verabredet. Auch ein Polizist wurde bei dem Einsatz in Bad Kleinen getötet, Grams soll sich selbst erschossen haben. Der damalige Bundesinnenminister Seiters musste zurücktreten. Generalbundesanwalt Stahl wurde entlassen. Der damalige NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement nennt das Verbrechen „eines der gemeinsten unserer Zeit“.

Von 1971 bis 1993 ermordete die RAF 34 im In- und Ausland Führungskräfte, Begleitpersonen, Soldaten und Polizisten.

Mir als Zeugen, der die dramatische Nacht nach dem Rohwedder-Attentat miterlebte, bleibt eine schreckliche Erinnerung ...