Tönnies-SkandalKölns Fleischer-Boss liefert erschreckende Fakten über uns Verbraucher

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Schweine drängen sich am 20. Juli 2020 in einem Transporter, der auf das Betriebsgelände der Firma Tönnies fährt.

von Jan Wördenweber (jan)

Köln  – Erinnern Sie sich noch an BSE? Die Rinderwahn-Seuche haben viele schon vergessen. Dann kamen Gammelfleisch und Pferd in der Lasagne – und im Zuge von Corona und den Vorgängen beim Fleisch-Riesen Tönnies ist das Thema Massentierhaltung einmal mehr in den Fokus gerückt.

Fall Tönnies: Kölner Wirtschaftsclub diskutiert über Fleisch-Konsum in Corona-Zeiten

Immer mehr Verbrauchern vergeht die Lust auf Schnitzel und Co. Auch der Kölner Wirtschaftsclub um Christian Kerner diskutierte jetzt über den Konsum und die Zustände in der verarbeitenden Fleischindustrie. Dabei wurde vor allem eines klar: Für einen Großteil der Dinge, über die sich die Öffentlichkeit beklagt, ist die Mehrheit der Verbraucher verantwortlich!

Astrid Schmitz vom traditionsreichen Kölner Fleisch- und Wurstwarenhersteller „GS Schmitz“ hob die Macht der großen Supermärkte und Discounter hervor. So hat die Kölner Firma Biofleisch von „glücklichen Schweinen“ im Angebot. Dieses werde jedoch nur online vertrieben – denn den Preis für ein solch hochwertiges Produkt seien nur wenige bereit zu bezahlen. Schmitz: „Der Supermarkt macht nur mit, wenn der Verbraucher mitmacht. Aber die Nachfrage sei nicht stark genug, wird uns erzählt.“

Alles zum Thema Rewe

Frank Remagen, Chef des Hürther Wurst-Imperiums „Hardy Remagen“, pflichtete ihr bei: „Wir haben mit Anno 1718 auch so ein Produkt, das aber auch einen entsprechenden Preis hat. Der Handel sagt mir dann: Brauchen wir nicht, der Verbraucher kauft das nicht.“

„Ich habe es selbst neulich noch im Supermarkt gesehen“, berichtete Artur Tybussek vom Vorstand der Kölner Fleischer-Innung. „Da kaufte eine Frau Hackfleisch für 49 Cent pro 100 Gramm, und danach Futter für ihre Katze, bei dem 100 Gramm 1,49 Euro kosteten. Das ist doch Wahnsinn.“

Andere Verbraucher hätten immer mal wieder gefragt, warum es in Frankreich oder Belgien solch hochwertige und besondere Wurstwaren oder Fleischterrinen gebe. Und dann: Können das die deutschen Metzger nicht? Kölns Fleischer Boss lieferte prompt die Antwort: „Natürlich können die das, aber wenn es dann keiner kauft und die Ware schlecht wird, lassen sie es irgendwann! Von daher: Der Kunde trägt einen Teil der Verantwortung!“ 

Kölner Schlachthof ist seit 2010 Geschichte

Tybussek nahm auch die Politik in die Verantwortung, erinnerte daran, dass es in vielen Städten keine kleinen Schlachthöfe mehr gebe. So auch in Köln, 2010 wurde er in Ehrenfeld geschlossen. Die Folgen liegen auf der Hand, so Tybussek: Die Transportwege der Tiere zum Schlachten würden immer länger.

„In Köln wurden zuletzt 140.000 Tiere pro Jahr geschlachtet. In Rheda-Wiedenbrück bei Tönnies sind es allein bis zu 25.000 Schweine am Tag. Tönnies schlachtet so viel wie einst Köln in einem ganzen Jahr!" Dass bei dieser Menge der Respekt vorm Tier verloren gehen kann, sei nicht verwunderlich.

Tybussek hob zudem die Benachteiligung kleiner mittelständischer Betriebe im Vergleich zu den Branchenriesen hervor, etwa bei den Strompreisen. 

Metzgereien in Köln: Rewe, Edeka und Co. größte Konkurrenz

Vor gut 30 Jahren habe es in Köln 170 Metzgereien gegeben, derzeit seien es nur noch 25. Dazu hätten auch die großen Supermarktketten mit ihren eigenen Metzgereien beigetragen. Aber diese, so pflichtete auch Frank Remagen Tybussek bei, produzierten Fleisch und Wurstwaren in einem so großem Umfang, dass es Parallelen zu Tönnies gebe. 

Artur Tybussek: Gehen Sie zu Ihrem Kölner Metzger

„Gehen Sie zu Ihrem Metzger", appellierte Tybussek an seine Zuhörer. „Und der wird Ihnen die Telefonnummer von dem Bauern geben und sagen: Schauen Sie sich an, wo das Fleisch herkommt. Der Verbraucher kann sich selbst überzeugen. Es muss auch nicht gleich Bio sein. Ich kenne konventionelle Betriebe, da stehen die Tiere auch auf der Weide und nicht zusammengepfercht auf Gülle-Spalten."