Telefon-Seelsorge in KölnExpertin erklärt: Homeoffice und Lockdown sorgen für Angst

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Dr. Doris Felsch von der Telefon-Seelsorge Köln hat durch Corona eine Veränderung der Gesprächs-Themen festgestellt.

Köln – Die Corona-Pandemie hätte wie ein Brennglas auf manche Menschen gewirkt – Themen wie Einsamkeit und Familiäre Konflikte wurden durch die Krise nochmal verstärkt, erzählt Dr. Dorit Felsch.

Sie arbeitet seit drei Jahren als Leiterin der Evangelischen TelefonSeelsorge in Köln und betreut eins der 104 Telefone, die deutschlandweit verteilt und täglich 24 Stunden erreichbar sind.

Telefonseelsorge ist während Corona-Lockdown sehr gefragt

Zu Beginn des Lockdowns waren ihre Mitarbeiter permanent im Einsatz. „Das Telefon hat rund um die Uhr geklingelt, Pausen gab es da keine”, erzählt sie.

Alles zum Thema Corona

In der Corona-Krise sind es vor allem finanzielle Sorgen, die einige zu einem Anruf bewegen. Auch Menschen, die verstärkt unter Ängsten leiden, sehen sich jetzt mit ganz neuen Situationen konfrontiert.

Und auch das Thema Einsamkeit spielt bei vielen durch Social Distancing aktuell eine verstärkte Rolle: „Es gibt Menschen, die sich generell sehr einsam fühlen, aber für Gesellschaft gerne regelmäßig in ein Restaurant gehen, oder den täglichen Kontakt zu den Kollegen sehr schätzen. Für sie ist es besonders schwierig, wenn auf einmal die Läden geschlossen sind und alle im Homeoffice arbeiten”, erklärt Felsch.

Ehrenamtliche werden bei Telefonseelsorge mit Verlust und Trauer konfrontiert

Unabhängig von der Krise ist die Telefonseelsorge ein viel genutztes Angebot.

Wie viele Menschen täglich anrufen, ist allerdings schwer zu sagen. Auch bei der Telefonseelsorge kann es passieren, dass alle Leitungen belegt sind und Betroffene auflegen und nochmal anrufen müssen. Die Zahl der geführten Telefonate liegt allerdings, alleine in Köln, bei rund 12.000 Anrufen pro Jahr.

Im Durchschnitt dauert ein Telefonat 20 Minuten, je nach Gesprächsbedarf kann daraus aber auch eine Stunde werden. Jeder Anruf ist individuell, ein Schema F gibt es nicht. Wichtig ist: Jedes Thema hat seine Berechtigung.

„Ihnen wird am Telefon alles begegnen“ – mit diesem Satz bereitet Dorit Felsch die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihrer einjährigen Ausbildung auf ihre Arbeit am Telefon vor.

Telefonseelsorge: Schwierige Themen hinterlassen Spuren

In sechs bis acht Stunden Schichten werden die insgesamt 70 Ehrenamtlichen bei ihrem Dienst in der Kölner Zweigstelle von Einsamkeit und Trauer, bis hin zu Suizidgedanken, mit jeglicher Form von persönlicher Not konfrontiert.

„Viele haben das Gefühl, mit ihren Problemen alleine zu sein. Dass sie mit uns darüber reden können und es jemanden gibt, der das eigene Problem ernst nimmt und es mit ihnen durchsteht, kann oft helfen”, erklärt Felsch.

Bei manchen Themen fehlen aber selbst der erfahrenen Leiterin manchmal einfach die Worte. „Es gibt auch Situationen, in denen jedes Wort erst einmal zu banal klingt. Dann muss ich nicht sofort etwas Schlaues sagen können, manchmal tut es auch einfach gut, gemeinsam für einen Moment zu schweigen.”

Telefonseelsorge Köln: Telefonat muss nicht zielführend sein

Der Sinn eines Telefonats soll nicht zwingend darin liegen, eine Lösung zu finden, „wenn es eine einfache Lösung gäbe, dann hätten sie die Betroffenen bereits selbst gefunden. Ich kann die äußere Situation zwar auch nicht verändern, aber ich kann verhindern, dass die Person in dem Moment alleine ist.”

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Es sei entscheidend, dem Gesprächspartner ordentlich zuzuhören und ihn spüren zu lassen, dass jemand wirklich ernsthaftes Interesse an ihm zeigt.

Telefonseelsorge in Deutschland wird von Kirche finanziert

Obwohl die Telefonseelsorge in Deutschland in Trägerschaft der Kirchen steht und über die Kirchensteuer finanziert wird, spielt die eigene Religion bei den Gesprächen keine Rolle. „Das ist auch einer unserer Grundsätze”, so Felsch. In Köln ist die Seelsorge gleich zweimal sowohl durch die evangelische, als auch die katholische Kirche vertreten.

Über ihre Arbeit sagt Felsch: „Keine andere Institution in der Gesellschaft hat mit einer solchen Bandbreite an Leben zu tun. Für mich gibt es bei meiner Arbeit keinen Moment, in dem ich Zweifel daran habe, dass es sinnvoll ist, was ich mache.”

Köln: Mitarbeiter der Telefonseelsorge freuen sich über Rückmeldungen

Eine der größten Herausforderungen für die Mitarbeiter ist es, nicht zu wissen, wie das Gespräch ausgeht und was danach passiert.

Die Anonymität bei der Seelsorge kann besonders bei schwierigen Themen für die Mitarbeiter belastend sein, denn selbst im akuten Notfall können und werden die Ehrenamtlichen nichts gegen den Willen des Betroffenen unternehmen.

„Wir erhalten aber manchmal Anrufe, bei denen Betroffene uns davon erzählen, wie wir ihnen mit einem Gespräch aus einer Krise geholfen haben. Wenn uns solche Nachrichten erreichen, dann schreiben wir sie auf einen Zettel und hängen sie bei uns ans schwarze Brett. So etwas bestätigt uns einfach und tut wahnsinnig gut zu hören”, erzählt Felsch.

Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:

Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins "Nummer gegen Kummer" richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams "Jugendliche beraten Jugendliche" die Gespräche an. nummergegenkummer.de

Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de