„Wäre kölsch gewesen”Kritik an Corona-Strafe für Köln-Kneipe – und unerwartete Hilfe

rolandeck

Das Roland Eck in der Südstadt.

von Markus Krücken (krue)

Köln – Die Corona-Regeln: scharf und genau richtig? Oder viel zu hart? Die Diskussion nimmt zunehmend an Fahrt auf, je länger das Kontaktverbot andauert.

Vorfall am Roland Eck exemplarisch für die gespannte Lage

Allein 340 Verstöße ahndeten Ordnungsamt und Polizei über die Ostertage.

Und im Fall der Veedelskneipe Roland Eck, deren Wirt eine Buße von 2000 Euro erhielt, da sich Menschen vor dem Lokal versammelt haben, scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Alles zum Thema Polizeimeldungen

Hier lesen Sie mehr: Südstadt-Wirt soll 2000 Euro Corona-Strafe zahlen

Zumindest, wenn es nach einem Kreis von Freunden geht, die sich jetzt lautstark für das Gastro-Ehepaar Slim und Evelyn Chebbi einsetzen.

Künstler Cornel Wachter, Kölschsänger Gerd Köster und Pfarrer Hans Mörtter wandten sich am Sonntag ans Ordnungsamt. Der Geistliche von der Lutherkirche bat schriftlich die Beamten um Gnade!

„Natürlich hatten die Beamten des Ordnungsamtes recht“, heißt es. „Aber Recht und Ordnung können manchmal wie in diesem Fall auch zerstörend sein.“

Die Wirtin habe ihre bedrohliche Erkrankung und Chemotherapie gut überwunden und könne nun wieder arbeiten. „Dann Corona und dann 2000 Euro Strafe. Für die Wirtsleute ist das eine zusätzliche Katastrophe! Es gibt menschliche Ermessensspielräume auch in der Verwaltung.“

Der Pfarrer fordert Erbarmen: „In diesem besonderen Fall bitte ich darum, davon Gebrauch zu machen, weil wir Menschen sind und das in dieser Krise bewahrheiten müssen und ja auch tun. Ich bitte darum, die Strafe auf 500 Euro zu begrenzen, was schon hart genug ist.“

Kölner Ordnungsamt: Vorfälle konsequent bestrafen

Die Antwort des Ordnungsamts folgte prompt. Ein ranghoher Mitarbeiter schrieb: „Bei aller Wertschätzung für Ihr Engagement bitte ich um Verständnis, dass ich die Einzelheiten eines konkreten Ordnungswidrigkeitenverfahrens nicht mit Dritten erörtern darf. (...)

Die ausführenden Behörden auf kommunaler Ebene sind gehalten, Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung entsprechend diesen Vorgaben zu ahnden. (...)

Sofern individuelle Gründe dafür sprechen können, von diesen Regelsätzen abzuweichen, werden diese im Rahmen des Bußgeldverfahrens berücksichtigt. Im Übrigen sollen Verstöße im Sinne des Infektionsschutzes aber konsequent bestraft werden.“

Heißt wohl: Eine Milderung der Buße ist durchaus möglich.

Für die betroffene Zeugin Dr. Wilma Hartung, die selbst als Teil der Versammlung 200 Euro zahlen soll, wäre das nur gerecht.

Roland Eck: Zeugin will Strafe nicht akzeptieren

Sie meldete sich beim EXPRESS und erklärte, dass sie Einspruch einlegen werde: „Es war das erste Mal food to go vom Roland Eck. Ich wollte solidarisch sein und mir was holen. Da waren sieben Leute. Wir standen alle da, haben Abstände eingehalten und auf das Essen gewartet. Mein Mann wartete zu Hause, ich wollte es ja nur abholen. Zwei Leute haben ein Bier in der Hand gehabt. Aber das war kein 'Hoch die Tassen'.“

Die Chemikerin aus dem Veedel weiter: „Ich bin dafür, die Corona-Regeln einzuhalten, aber das fand ich übertrieben. Ich habe mich auch über den Mann von der Stadt geärgert. Er sagte: 'Ihr Kölner, ihr versteht es überhaupt nicht, ihr bevölkert die Parks und tut so, als sei nichts gewesen.'

Sie werde die Strafe nicht akzeptieren. Um das Geld gehe es ihr nicht. „Die Wirte haben es schwer genug, man sollte Fingerspitzengefühl zeigen, es gibt doch einen Spielraum.“

Zoff mit Obdachlosen im Volksgarten

Klar ist: Bei einigen Beteiligten liegen die Nerven in der Krise blank. Am Montagabend kam es im Volksgarten zu einer verbalen Auseinandersetzung, als die Beamten eine Versammlung der hiesigen uneinsichtigen Obdachlosen auflösten.

O-Ton eines wütenden Beamten:. „Ihr rafft es nicht, das kotzt mich an.“

Die Stimmung ist aufgeladen. Klar ist auch: Wer würde den undankbaren Job der Beamten, die sich an die strikten Vorgaben ihrer Vorgesetzten infolge des Infektionsschutzgesetzes zu halten haben, in dieser Lage machen wollen?

Der Geistliche: „Ich sehe die Gefahr, dass es das Denunziantentum wieder gibt“

Pfarrer Mörtter fürchtet, dass auch das Denunziantentum wieder Konjunktur finden könnte. Wenn Nachbarn Nachbarn verpfeifen, weil sie gegen das Kontaktverbot verstoßen.

„Ich sehe die Gefahr, dass es das Denunziantentum wieder gibt. Ob berechtigt oder nicht – da kann man drüber reden. Nehmen Sie das Beispiel Roland Eck: Slim und Evelyn haben einen Fehler gemacht. Aber dass der Bußgeldkatalog in so einer Situation gnadenlos durchgezogen wird, ist im Einzelfall fast unmenschlich. Eine Ermahnung und Patrouille am folgenden Abend, das wäre kölsch gewesen. Wo bleibt die Menschlichkeit?“