Im Auftrag des HerrnEXPRESS zu Gast im Kölner Priesterseminar

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Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki bei der Priesterweihe im Kölner Dom.

Köln – Der Kirche laufen die Schäfchen weg – und die Hirten auch, denn immer weniger junge Männer wollen Priester werden.

Was ist denn auch an einem Leben ohne Sex „sexy”? Ohne Ehe, ohne Kinder? EXPRESS hat das Priesterseminar besucht und drei junge Männer getroffen, die sich fürs Priesteramt entschieden haben. Sie erklären, warum sie sich in den Dienst der christlich-katholischen Gemeinschaft stellen und „im Auftrag des Herrn” auf vieles verzichten.

„Es ist ein ganz großartiges Gefühl”, sagt Michael Schiller nach der Priesterweihe. „Ich verzichte auf viel, aber ich bekomme auch viel. Ich fühle mich Gott jetzt noch näher und darf den Weg gehen, auf den Jesus Christus seine Jünger geschickt hat. Das ist doch wunderbar.”

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Priesterweihe: Ein Leben im Zölibat

Michael Schiller hat sich wie Andrzej Bednarz und Christian Figura für ein Leben im Zölibat, ein Leben ohne Partnerschaft, ohne Sex, ohne Ehe und ohne Kinder entschieden.

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„Ich empfinde das wirklich als Opfer und es ist nicht so, dass mir diese Entscheidung leicht gefallen ist”, sagt Figura. „Aber ich bringe dieses Opfer gern, weil es einem höheren Ziel dient. Ich bin so frei, mich jederzeit um die Menschen zu kümmern, die mich brauchen, die mir anvertraut sind – die Kirchengemeinde insgesamt.”

Priesteranwärter in Köln: „Ich wollte auch mal Arzt oder Anwalt werden”

Die drei jungen Männer sind allesamt katholisch sozialisiert, haben schon früh in katholischen Jugendgruppen mitgemacht, dann solche Gruppen geleitet – und Messdiener waren sie sowieso.

Christian Figura wurde 1988 in Düsseldorf geboren, seine Eltern stammen aus Oberschlesien. Er ist ein eher stiller, bedächtiger Mensch. „Ich habe schon im Kommunionsunterricht den Wunsch verspürt, Priester zu werden”, sagt er. „Ich wollte auch mal Arzt oder Anwalt werden, aber der Wunsch, Priester zu werden, kam immer wieder. Der Tod von Papst Johannes Paul II. und der Weltjugendtag in Köln mit Papst Benedikt XVI. haben mich tief bewegt”, sagt Figura. „Danach habe ich Wallfahrtsorte besucht, etwa Tschenstochau in Polen.”

Und dann hat ihn auch noch sein Pfarrer gefragt, ob er sich vorstellen könnte, Priester zu werden. Folgerichtig studierte Christian Figura nach dem Abitur von 2007 bis 2013 in Bonn und München Katholische Theologie und Philosophie.

Im Dienst Gottes stehen – Verzicht gehört dazu

Michael Sylvester Schiller wurde 1983 in Hilden geboren, auch seine Eltern stammen aus Oberschlesien. „Den Menschen dort ist das Katholischsein in die Wiege gelegt”, weiß er. Schiller sagt, für ihn sei es „attraktiv, Priester zu sein, im Dienste Gottes zu stehen und Jesus Christus nachzufolgen”.

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Vor der Priesterweihe sammelte Michael Schiller an St. Michael in Wermelskirchen praktische Erfahrungen. Er ist jetzt Kaplan mehrerer Pfarreien in Morsbach und Friesenhagen (Oberberg).

Er habe schon in der Schule die Vorstellung gehabt, Priester zu werden. Mitschüler hätten ihn damit konfrontiert, dass er dann ja nicht heiraten, keinen Sex haben dürfe, auf Kinder verzichten müsse.

„Das war mir also schon früh bewusst”, sagt Schiller. „Aber es gehört dazu, und ich glaube, dass ich dadurch Christus immer ähnlicher werden kann.”

„Eine tiefe Geborgenheit”

Für Schiller sei es das Größte, den Menschen Gott bringen zu können, zu zeigen, dass Gott existiert. Die Liebe Gottes stehe im Mittelpunkt des Glaubens, und ihm selbst habe sich diese Liebe immer wieder gezeigt, sagt Schiller. „Ich fühle da eine tiefe Geborgenheit.”

Fluchtinstinkt und Zweifel

Wie Christian Figura, der von einem „Fluchtinstinkt” spricht, der sich im Laufe seines Studiums gelegt habe, so hatte auch Schiller „manchmal Zweifel, ob das der richtige Weg ist”, wie er gegenüber EXPRESS einräumt.

„Ich hatte auch eine Freundin, habe ihr dann aber gesagt, dass mein Weg ein anderer ist. Und diesen Weg gehe ich mit ganzem Herzen.”

Schiller will den Glauben nicht „verwalten” und sagt: „Die Kirche ist kein Elfenbeinturm, sondern der Ort, an dem die Gemeinde zusammenkommt. Diesen Menschen muss ich treu sein, gleichzeitig ist es aber unsere Aufgabe als Priester, rauszugehen und zu missionieren, den Menschen Gott näher zu bringen, ihnen zu zeigen, dass man mit Gottes Hilfe alles schaffen kann.”

Priesteranwärter hat vorher Kippen und Handys verkauft

Einen ganz anderen Weg hat Andrzej Bednarz beschritten. Er wurde 1975 im polnischen Myszków geboren. „Ich habe schon sehr früh den Wunsch verspürt, Priester zu werden, aber ein Unfall hat diese Pläne zunächst zunichte gemacht.”

Mit 17 wurde er Verkäufer in einem Kiosk. „Ich habe Zeitungen, Zigaretten und so weiter verkauft”, sagt Bednarz. „Ich war schon immer ein tiefgläubiger Mensch, ich glaube an die Liebe Gottes und daran, dass Jesus Christus den Menschen diese Liebe bringt und uns den Weg zum Frieden zeigt. 1999 habe ich eine geistliche Gemeinschaft kennengelernt, ich fühlte mich da angenommen und gut aufgehoben. Und 2005 habe ich mich erneut entschieden, Priester zu werden.”

Bednarz musste ein Berufungszentrum in Warschau besuchen, dort wurde er auf Herz und Nieren geprüft, ob er Priester werden will. 2008 holte er in Tschenstochau das Abitur nach, um studieren zu können. „Dann kam ich ins Priesterseminar.”

Bednarz ist sicher: „Gott hat mich von Anfang an begleitet – und ich habe seinen Ruf gehört. Die Fakten zeigen das: Ohne Gottes Hilfe hätte ich den Wunsch, Priester zu werden, nicht äußern können, ich hätte das Abitur nicht nachgeholt, keine Sprachkurse gemacht – und wäre auch nicht ins Kölner Priesterseminar gekommen.”

Er sei ein sehr zufriedener Mensch, sagt Bednarz. „Ich darf Gott antworten auf seinen Ruf – das kann wahrscheinlich kaum jemand verstehen und es ist auch schwer zu erklären, weil auch dies ein Geheimnis des Glaubens ist. Das ist für mich stärker als jeder Wunsch, den ich haben kann. Ich will bei Christus sein, den Menschen dienen. Das ist kein Opfer, es macht mich glücklich.”

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Christian Figura, Andrzej Bednarz und Michael Schiller haben es geschafft – nach langer Ausbildung sind sie Priester.

Priesterseminar in Köln: Praktika und Ausbildung gehören dazu

Während der Ausbildung am Priesterseminar konnten die angehenden Priester das Gelernte in den Gemeinden anwenden, denen sie zugeteilt waren: Bednarz im Seelsorgebereich St. Johannes XXIII. in Köln-Chorweiler, Figura im Seelsorgebereich Neuss-Nord und Schiller in St. Michael und Apollinaris in Wermelskirchen.

Für alle drei ist auch die Gemeinschaft mit den anderen Priestern wichtig, der Austausch, das füreinander da sein. Das wird auch im Priesterseminar in der Kardinal-Frings-Straße gelebt. Hier lernten die drei Kandidaten die praktischen Fertigkeiten, die man als Priester braucht.

Priesteranwärter üben an „Rainer”

Zum Beispiel, wie man als Priester richtig tauft. Dafür gibt es sogar eine Puppe – die immer den Namen des amtierenden Erzbischofs trägt. Und so wird im großen Kreis mit anderen Seminaristen regelmäßig geübt, wie man „Rainer” richtig hält, an welche Stelle seiner Stirn man wie viel Wasser gießt.

Auch Trauungen werden geübt, wie man die Beichte abnimmt, Krankensalbung. Und natürlich – zentrales Element – das Feiern der Heiligen Messe, der Eucharistie. Sogar eine kleine Übungskapelle gibt es, in die sich angehende Priester zurückziehen und vor einem Spiegel üben können. Daneben werden Kurse in Medienkommunikation oder Pastoralpsychologie angeboten.

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Regens Prälat Hans-Josef Radermacher und Subregens Tobias Hopmann leiten das Kölner Priesterseminar.

„Das Studium der Theologie ist das Eine. Damit ist man aber noch kein Priester”, sagt Prälat Hans-Josef Radermacher, der Regens (Leiter) des Priesterseminars. „Wir betreuen hier die Priesteramtskandidaten auf ihrem Weg in den geistlichen Dienst”, ergänzt Subregens (Vize-Chef) Tobias Hopmann, der auch Dom-Zeremoniar ist.

Nicht jeder ist als Priester geeignet

Für die Menschen sei der Glaube wichtig. „Und unsere Aufgabe als Priester ist es, diesen Glauben in die Welt zu tragen”, sagt Radermacher. „Dafür ist aber nicht jeder geeignet. Wir sind für die angehenden Priester jederzeit ansprechbar, bei allen Sorgen und Nöten, mögen sie privat sein oder theologisch begründet.”

Zweifel seien nicht selten. „Und manchmal muss man einem Kandidaten auch sagen: Du bist zwar ein guter Theologe, aber Du wirst kein guter Priester. Dann muss man denen helfen, eine andere Berufung, einen anderen Beruf in der Seelsorge zu finden.”

Pfarrer Regamy Thillainathan ist Direktor der Diözesanstelle für Berufungspastoral im Erzbistum Köln. Er hat seine Berufung bereits gefunden und steht jungen Menschen, die sich für die Arbeit als Seelsorgerin oder Seelsorger im Erzbistum Köln interessieren oder den Weg beschreiten wollen, zur Seite. Er ist ein stets fröhlicher Mensch, mit einem gewinnenden Lächeln.

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Die Priesterweihe im Kölner Dom mit dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki.

Priesterweihe in Köln: Wer will eigentlich Priester werden?

„Natürlich haben wir diese Stelle auch eingerichtet, weil wir wissen, dass wir Nachwuchssorgen haben”, sagt Thillainathan. „Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die tief im Glauben verwurzelt sind, sich aber über die vielen Möglichkeiten, seelsorgerisch tätig zu sein – bis hin zum Priesterberuf – gar nicht im Klaren sind. Denen wollen wir helfen.” (Infos: www.berufen.de).

Diese Hilfe brauchen Michael Schiller, Christian Figura und Andrzej Bednarz nicht mehr – sie sind Priester, mit allen Vollmachten und Pflichten des Amtes, gehorsam gegenüber Erzbischof Woelki und natürlich unterwegs im Namen des Herrn!

So läuft die Priesterweihe im Kölner Dom

Der Dom ist voll, Familie und Freunde von Andrzej Bednarz, Christian Figura und Michael Schiller sind gekommen. Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki ruft die Männer nacheinander auf, legt jedem sanft die Hand aufs Haupt.

Sie geloben Ehrfurcht und Gehorsam gegenüber dem Erzbischof und seinen Nachfolgern, die Gemeinde umsichtig „unter Führung des Heiligen Geistes” zu leiten, den Dienst am Wort Gottes treu zu erfüllen, das Evangelium zu verkündigen, die Sakramente gemäß der Überlieferung der Kirche zu feiern, den Armen und Kranken, den Heimatlosen und Notleidenden zu helfen, sich mit Christus jeden Tag enger zu verbinden.

„Mit Gottes Hilfe bin ich bereit”, antwortet ein jeder. Die Handauflegung und das Weihegebet des Bischofs sind die zentralen Handlungen der Priesterweihe. Dann werden Schillers, Figuras und Bednarz’ Hände mit Chrisam gesalbt, die Kasel werden ihnen angelegt und Kelch und Hostienschale werden ihnen überreicht. Nun sind sie Priester.

Ein Jahr zuvor waren sie zu Diakonen geweiht worden, sie durften Kinder taufen, Paare trauen und Verstorbene beerdigen.

Als Priester dürfen sie nun auch die Beichte abnehmen – und die Eucharistie, die Heilige Kommunion feiern.