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Irre Parallelen zu heuteImpfgegner und Co.: Das Seuchen-Drama von Köln im Jahr 1870

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Das Foto zeigt französische Kriegsgefangene und deutsches Wachpersonal im Zeltlager in der Wahner Heide. Insgesamt 400.000 französische Soldaten wurden 1870/71 nach Deutschland gebracht, davon 19.000 nach Köln. 

von Ayhan Demirci (ade)

Köln – Er kennt sich als Historiker und Direktor des Kölnischen Stadtmuseums bestens aus in der Geschichte der Stadt. Aber auch Dr. Mario Kramp stößt bei seinen Recherchen zur Kölner Historie immer wieder auf Überraschendes. Wie jetzt: „Ich dachte, das darf doch nicht wahr sein.“

  • Dr. Mario Kramp ist Direktor des Kölnischen Stadtmuseums
  • Dr. Kramp hat Buch über Deutsch-Französischen Krieg geschrieben
  • Seuche wie heute: Geschichte zeigt erstaunliche Parallele

Es geht um die Jahre 1870/71 und den Deutsch-Französischen Krieg. „Ich wusste es ehrlich gesagt nicht und ich glaube, dass es kaum jemand wusste“, sagt Kramp über die Tatsache und die Dimension, in der infolge des deutschen Sieges über den „Erbfeind“ 90.000 französische Kriegsgefangene ins Rheinland deportiert wurden – davon allein 19.000 nach Köln.

Deutsch-Französischer Krieg: 19.000 Gefangene kommen nach Köln

„Eine demoralisierte Armee – geschlagen und in Lumpen kamen sie Zugladung um Zugladung hierher“, erzählt Kramp. Die Masse einfacher Soldaten wurde ins Rechtsrheinische gebracht. In der Wahner Heide wurde ein riesiges Zeltlager errichtet. Als nach der Schlacht von Sedan eine ganze Armee ankam, baute man in Wahnheide und Gremberg Barackenlager.

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Das große, bislang unveröffentlichte Foto oben zeigt gefangene Soldaten in einem Zeltlager in der Wahner Heide.

Unter dem Titel „1870/71 – Franzosen in Köln/Die vergessenen Gefangenen des Deutsch-Französischen Krieges“ (Verlag Ralf Liebe) hat Mario Kramp diesen Teil Kölner Stadtgeschichte detailreich als Buch verfasst.

Dr. Mario Kramp schreibt historisches Buch über Lage in Köln

Dass die Lektüre spannend wie ein Krimi ist, liegt auch an einer verblüffenden Parallele zur Gegenwart. Denn der damalige Krieg beschleunigte die Verbreitung einer tödlichen Seuche: Mit den französischen Gefangenen (und deutschen Heimkehrern) kamen die Pocken.

Erstmals in Köln bricht die Krankheit bei einem französischen Gefangenen am 8. September 1870 aus. Der erste Kölner Bürger erkrankt nur vier Tage später. „Eine der fürchterlichsten Geißeln des Menschengeschlechts“, wie die Kölner Zeitgenossen beklagten, ist jetzt mitten unter ihnen.

Parallele zur Gegenwart: Pocken-Seuche bricht in Köln aus

So wie heute das Coronavirus war es damals das Pockenvirus, das die Kölner Stadtverwaltung einzudämmen suchte und vor große Herausforderungen stellte. „Das war in der Tat ein Drama“, sagt Mario Kramp zu seinen Erkenntnissen aus der Recherche in Archivalien, Zeitungsberichten und Ratsprotokollen.

„Es gab einen Impfstoff, aber keine Impfpflicht. Der Stadtrat debattiert damals, was man machen soll, während die Seuche vor allem in den engeren, älteren, ärmeren Vierteln grassiert, dort, wo sich die Leute stapelten auf den Etagen.“ Heute redet man von Problemvierteln und Hotspots.

„Querdenker" und Impfgegner auch 1870/71 in Köln

Doch es geht noch weiter. Dr. Kramp erzählt das Erstaunliche: „Das Dramatische, und das hat mich an heute erinnert, ist, dass damals Impfgegner zu Felde ziehen – ähnlich wie heute die Querdenkerdebatte.“

Unter den Impfgegnern auch einige Ärzte. Der Kölner Mediziner Dr. Waegener regt sich furchtbar über diese Kollegen auf. „Gewiss gebe es Gefahren und „zuweilen tödtliche Zufälle“. Aber wenn solche Ausnahmefälle bei fünf Millionen Impfungen vorkämen, müsse man doch sagen: „Vollkommenheit“ sei eine „Chimäre“. Zwischen „zwei Uebeln“ sei stets das kleinere zu wählen. Nur so könne man die Pocken in den Griff bekommen.

Pocken-Seuche: „Können wir Kölner zur Imfpung zwingen?"

Aber aus den Zeitzeugnissen geht hervor: Die Kölner zeigen gegenüber der Seuche und dem Impfgebot eine „unverantwortliche Gleichgültigkeit“. Ein Stadtverordneter fragt im Rat, ob man die Bürger per Polizeiverordnung zur Impfung zwingen könne. Dies sei leider unzulässig, antwortet der Oberbürgermeister.

Was macht die Stadt? Bringt zum Beispiel an Häusern mit Erkrankten Warnschilder mit der Aufschrift „Pocken“ an. Mietet, nachdem die Hospitäler überfüllt sind, Gebäude als Pockenlazarette für die isolierten Kranken an.

Am Ende kommt Köln gerade so mit einem blauen Auge davon. Insgesamt erkranken 2450 Menschen an den Pocken, 479 sterben. In ganz Europa sind es bis zu einer Million Todesopfer.