Kölner LandgerichtRichter tippt bei Prozess auf seinem Handy und sofort gibt es Ärger

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Der Kölner Richter tippte bei der Verhandlung auf dem Handy. Das Symbolbild wurde 2014 in Duisburg aufgenommen.

Köln – Ein Richter am Kölner Landgericht tippt während laufender Zeugenvernehmung auf seinem privaten Handy. Darf er das grundsätzlich? Ja und nein lautet die Antwort nach einem skurrilen Vorgang um einen Befangenheitsantrag, der einen seit Juli laufenden Strafprozess hätte sprengen können. Auch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte sich bereits mit dieser Thematik beschäftigt.

Befangenheitsantrag um Handy-Nutzung von Richter

Den vier Angeklagten in dem Verfahren wird seitens der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, ein „Untergrundlabel“ zum Vertrieb von Anabolikapräparaten zu Dopingzwecken in der Bodybuilding- und Fitnessszene gegründet und betrieben zu haben. In der Verhandlung wurde einem Polizeibeamten ein Tonband einer Vernehmung vorgespielt, das mit einer Verschriftlichung abgeglichen werden sollte. Plötzlich meldete sich Verteidiger Mutlu Günal zu Wort, er müsse einen unaufschiebbaren Antrag stellen; denn er hatte im Gerichtssaal etwas beobachtet.

„Um exakt 17.08 Uhr“, so schrieb es Günal dann in seinem Ablehnungsgesuch, habe er bemerkt, dass der beisitzende Richter Frederik Bockelmann „einen Gegenstand in der Hand hielt und Tippbewegungen machte.“ Der Anwalt vermutete ein Handy in der Hand des Richters und beobachtete ihn weiter. Um 17.13 Uhr habe Richter Bockelmann dann wieder den Gegenstand in die Hand genommen und diesmal deutlich sichtbar vor seinen Oberkörper gehalten; ein Smartphone.

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Anwalt unterstellt mangelndes Interesse an Hauptverhandlung

Fünf Minuten zuvor habe Bockelmann getippt, jetzt nur noch kurz auf das Handydisplay geschaut. Anwalt Günal kombinierte daraus, dass der Richter zunächst eine Nachricht versendet und dann nachgeschaut habe, ob eine Antwort erfolgt sei.  „Ihm ist es offenbar wichtiger private Dinge zu regeln“, heißt es im Befangenheitsantrag über den Richter, womöglich habe er aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit zu Hause Bescheid geben wollen, dass er noch arbeiten muss.

Nachdem der Vorsitzende Richter Peter Sommer nach Rücksprache erklärte, der Kollege habe lediglich ein auf dem Tonband zu hörendes Arzneimittelpräparat in die Suchmaschine Google eingegeben, lehnte Anwalt Günal auch diesen ab. Sein Mandant, der bis dato im Prozess von seinem Schweigerecht Gebrauch machte, habe Grund zur Annahme, „dass die abgelehnten Richter ihm nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber stehen.“ Die Handynutzung des beisitzenden Richters während laufender Hauptverhandlung gebe Anlass zu der Befürchtung, dieser habe sich mangels uneingeschränkten Interesses bereits auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt.

Landgericht weist Ablehnungsgesuch zurück

Eine andere Strafkammer des Landgerichts wies den Befangenheitsantrag zurück. In einer glaubhaften dienstlichen Äußerung habe Richter Bockelmann erklärt, den Namen der in den Audio-Vorhalten mehrfach genannten Substanz Oxandrol gegoogelt zu haben, um sich „kurz Gewissheit über deren chemisch/medizinische Einordnung zu  verschaffen.“

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Die Information hätte sich Bockelmann laut Beschluss des Landgerichts in dieser Situation auch nicht anderweitig beschaffen können, „da der justizeigene Laptop des abgelehnten Richters Dr. Bockelmann auf der Richterbank nicht über einen Internetanschluss  verfügt.“ Der Richter habe somit kein mangelndes Interesse an der Beweisaufnahme gezeigt, sondern sich im Gegenteil sogar sehr eingehend damit beschäftigt.

Bundesgerichtshof hatte Richterin wegen Handy-Nutzung abgelehnt

Günal hatte seinen Antrag auch auf ein Urteil des Bundegerichtshofs gestützt (Aktenzeichen: 2 StR 228/14). Der 2. Strafsenat unter dem damaligen Vorsitzenden Richter Thomas Fischer hatte Hafturteile des Landgerichts Frankfurt am Main wegen gefährlicher Körperverletzung aufgehoben, da eine beisitzende Richterin in dem Verfahren als befangen anzusehen war. Diese hatte bei einer Zeugenvernehmung mehrfach ihr Handy bedient und zugegeben, einen stummen Anruf von zu Hause mit einer vorgefertigten SMS mit Inhalt „Bin in Sitzung“ beantwortet zu haben.

Auch habe sie „binnen Sekunden“ eine dringende SMS-Anfrage bezüglich der weiteren Betreuung ihrer Kinder beantwortet. Laut BGH sei die Richterin gezielt abgelenkt gewesen und habe mit ihrer vorgefertigten SMS auch gezeigt, „dass sie bereit ist, in laufender Hauptverhandlung Telekommunikation im privaten Bereich zu betreiben und dieses über die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu stellen.“