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Prozess gegen Kölner PolizistenIntensivtäter angeschossen – Angeklagter ärgert sich

Ein Kölner Polizist sitzt auf der Anklagebank im Kölner Landgericht und spricht mit seinem Anwalt.

Ein Kölner Polizist (links) muss sich seit Mittwoch (8. September) vor dem Kölner Landgericht verantworten. Hier unterhält er sich am Prozessauftakt mit seinem Anwalt.

Vor dem Landgericht begann der Prozess gegen einen Kölner Polizisten. Er schoss einen Intensivtäter an, als der flüchten wollte. 

von Iris Klingelhöfer (iri)

Köln. Der Fall schrieb Schlagzeilen: Ein Kölner Polizist (46) schoss von hinten auf den flüchtenden Intensivtäter Alexander D. Gegen den damals 19-Jährigen lag ein Haftbefehl wegen schweren Raubes vor. Am Mittwoch (8. September) begann der Prozess gegen den Beamten. Der 46-Jährige äußerte sich dabei umfangreich zu den Vorwürfen - zu einem Einsatz, bei dem offenbar einiges schief gelaufen ist.

Der Oberkommissar vom KK 24 im Kölner Polizeipräsidium muss sich wegen Körperverletzung im Amt verantworten. Intensivtäter Alexander D. war am 10. Juli 2019 von drei der fünf Schüsse getroffen worden. Laut Anklage habe der Polizist die Schüsse „ohne genügendem Anlass“ abgegeben, alle seien potentiell lebensgefährlich gewesen.

Köln: Polizist nach Schussabgabe auf Tatverdächtigen vor Gericht

Der Angeklagte, der seit 1995 Polizist ist und unter anderem beim LKA in der operativen Terrorbekämpfung war, berichtete zu Beginn von der Besonderheit des Falls. So sei in der Akte eine E-Mail der Sachbearbeiterin gewesen – darin sei auf die besondere Gefährlichkeit der Zielperson hingewiesen worden.

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So sei Alexander D. Kampfsportler, im Besitz einer Waffe und zudem an einer Schießerei beteiligt gewesen, auch hätte seine Familie zwei große Hunde. „Das bekommen wir so nicht jeden Tag rein“, so der Beamte. 

Kölner Polizist (46) vor Gericht: Festnahme war nicht geplant

Er erklärte mit fester und ruhiger Stimme, dass sie an dem Tag auch nicht, wie in der Anklage steht, den Haftbefehl vollstrecken wollten. Deshalb seien sie auch nur zu dritt gewesen. Darunter eine Praktikantin.

Das Trio wollte Fitnessstudios und eine Boxbude abklappern, in denen der 19-Jährige bekannt sein könnte. Der Angeklagte: „Es ging lediglich um den Kontakt zu Trainern, um einen Draht zu dem Gesuchten herzustellen, damit er sich stellt.“

Warum sie ihn denn nicht an seiner Wohnadresse festgenommen hätten, wollte die Oberstaatsanwältin wissen. Im Haftbefehl sei ja ein fester Wohnsitz bei den Eltern angegeben. „Gemeldet bedeutet nicht aufhältig“, entgegnete der Polizist. Warum die Wohnung dann nicht observiert worden sei, hakte die Anklägerin nach. Der Angeklagte: „Das ist ein taktisches Mittel, das wir aber nicht gewählt haben.“

Kommunikationspanne bei Einsatz in Kölner Innenstadt

Am Tattag hatte der Angeklagte den gesuchten Alexander D. dann zufällig in einer Gruppe junger Männer ausgemacht. „Ich dachte, da ist er doch, dann können wir ihn gleich festnehmen.“ Er forderte Verstärkung an, was sich als schwierig gestaltete. Es habe Chaos auf der Wache geherrscht, so der Polizist vor Gericht. Zwei Dienstwagen seien in Werkstatt gewesen.

Alexander D. war inzwischen weitergegangen und hatte sich in einen Hauseingang an der Krefelder Straße gestellt – genau das Haus, in dem er auch wohnt. Während der angeklagte Polizist ihn von der anderen Straßenseite aus beobachtete, rannten seine beiden Kollegen an Alexander D. vorbei, blieben erst ein paar Meter weiter stehen. Warum die angerannt seien, wollte die Oberstaatsanwältin wissen. „Wir hatten Probleme mit der Kommunikation“, so der Angeklagte nüchtern.

Der Angeklagte hatte dann direkt sein Pfefferspray eingesetzt. „Weil wir zu wenig waren und er zu gefährlich“, erklärte er. Das Spray habe aber keine Wirkung gezeigt, denn Alexander D. sei sofort losgespurtet. Dafür habe sein Kollege Pfefferspray abbekommen.

In Kölner Getränkemarkt fielen die insgesamt fünf Schüsse

In einem Getränkemarkt kam die Polizei dem Gesuchten wieder auf die Spur. D. hatte sich im Kühlhaus versteckt. Dem Angeklagten fiel das auf, weil dessen Tür einen Spalt offen stand. „Ich hatte meine Dienstwaffe gezogen“, gab er an. Alexander D. kam dann mit erhobenen Händen raus, legte sich aber nicht, wie gefordert, auf den Boden, sondern ergriff erneut die Flucht. Der Angeklagte schoss. Erst mehrfach kurz hintereinander, gab dann einen weiteren Schuss ab, weil D. weitergelaufen sei.

Warum er keinen Warnschuss abgegeben hat, will die Oberstaatsanwältin wissen. „Weil der nichts mehr gebracht hätte, der wäre dann weggewesen“, so der Angeklagte ohne Emotionen zu zeigen. Ob er in solch einer Situation wieder schießen würde, fragte der Richter. „Ja, aber besser. Es ärgert mich, dass er im Oberkörper getroffen wurde. Auf die Beine würde ich immer wieder schießen.“

Nach dem Vorfall war der Oberkommissar 14 weitere Monate bei der Fahndungseinheit. In der Zeit habe er auch zwei Mörder festgenommen, erzählte er im Gericht. Darunter der Stalker, der Juli 2020 die 22-jährige Hanna in Leverkusen erstochen hatte, weil die ihn nicht heiraten wollte. 

Alexander D.: „Seine Entschuldigung hätte ich angenommen. “

Nach einer Pause wurde Alexander D., der auch Nebenkläger ist, als Zeuge vernommen. Der inzwischen 22-jährige Intensivtäter sitzt aktuell im Knast. Er hatte, nachdem die Schüsse ihn im Juli 2019 niedergestreckt hatten, dem Angeklagten gesagt, er sei nicht sauer auf ihn – und hatte ihm die Ghettofaust hingehalten. „Nicht sauer, gilt das noch“, wollte der Richter von ihm wissen. 

„Bis heute morgen ja“, so Alexander D. Doch jetzt habe er gehört, dass es dem Polizisten nicht leid täte. „Seine Entschuldigung hätte ich angenommen.“ Er sei kein unbeschriebenes Blatt, habe Mist gebaut und büße noch immer dafür, räumte er ein. Der Vorfall habe ihn stark verändert. Unter anderem leide er unter Depressionen, war deswegen in Behandlung. Auch habe er immer noch Schmerzen. 

Unter den Zuhörern waren zahlreiche Familienmitglieder und Freunde des Opfers. Sie hatten vor Prozessbeginn vor dem Landgericht gegen Polizeigewalt protestiert. Alexander D.s Vater saß dann im Gerichtssaal in der ersten Reihe, musste ihn aber wieder verlassen, weil er später als Zeuge aussagen wird.