Bono von U2 war auch schon daErkennt ihr das Kölner Party-Veedel?

Historische Aufnahme der Kyffhäuser Straße

Historische Aufnahme der Kyffhäuser Straße

Das Kwartier Latäng kennen in Köln und Umgebung alle: Es ist der Party-Hotspot der Stadt – besonders an Karneval zieht es die Massen hier her. Doch woher kommt eigentlich der Name?

Das Kwartier Latäng rund um die Zülpicher Straße ist wohl die bekannteste Ecke in Köln. Wir nehmen euch mit auf eine Zeitreise.

Den Studententeller mit Schnitzel vom Kalb, Salat und Nudeln haben sie nur ein halbes Jahr lang auf der Karte. Es ist das Jahr 1979. Filippa Luca Padiglia erinnert sich an die Anfänge des Restaurants „Etrusca“, mitten auf der Zülpicher Straße, als man versucht, die Studentinnen und Studenten mit erschwinglichen Angeboten zu locken.

Köln: 45 Jahre Kwartier Latäng

Mit 16 Jahren fängt Padiglia im Familienrestaurant als Kellnerin an. Das Schnitzel verbannen sie bald, das ist ja „gar nicht italienisch“, sagt Padiglia. Stattdessen soll gehobene Küche aus der Heimat angeboten werden: Gerichte mit frischem Fisch, Fleisch, Pasta, Trüffel und Parmesan.

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Am Anfang fragen die Gäste noch nach Cappuccino mit Sahne. Familien kommen, Studierende mit ihren Eltern oder in Gruppen zu ganz besonderen Anlässen, auch Prominente wie Bono von U2 suchen im Laufe der Jahrzehnte immer wieder das Lokal auf, das zu seiner studentischen Umgebung nicht so recht zu passen scheint.

„Seitdem hat sich das Etrusca nie mehr verändert“, sagt Padiglia. Die Zülpicher Straße in den vergangenen 45 Jahren hingegen deutlich. Es gibt eine Zeit der florierenden Studentenkneipen, der Kulturstätten, des inhabergeführten Einzelhandels. Später kommen mit den Cocktailbars die Happy-Hours, mit dem Kioskbier die Scherben auf der Straße, mit der Pandemie die zunehmende Gewalt, unter der das Image des Viertels stark leidet. Das Bild aufbessern möchte nun die neu gegründete Initiative „Kwartier Latäng“, ein Zusammenschluss aus Wirtinnen und Wirten, Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern und Anwohnerinnen und Anwohnern.

Filippa Luca Padiglia vermisst das quirlige, „ganz normale“ Veedelstreiben am Tag. „Es gab Mode-Boutiquen, Bäckereien, Bücherläden, ein Schuhgeschäft, einen Metzger, einen Gemüseladen. Wir finden es wirklich schlecht, dass es diese Geschäfte kaum noch gibt“, sagt die 63-Jährige. Doch einige, wenige Konstanten halten sich. „Der Stiefel war immer da, das Oma Kleinmann, man kannte sich untereinander immer.“

Auch Karneval herrscht anfangs eine völlig andere Atmosphäre. „Früher haben wir richtig gute Geschäfte gemacht, an Rosenmontag haben wir den Laden um 15 Uhr geöffnet und bis Mitternacht war er mit verkleideten Familien sehr gut gefüllt.“

Das geht schon lange nicht mehr: Seit Jahren schließt das Etrusca von Weiberfastnacht bis einschließlich Rosenmontag, für die Gäste hat es irgendwann aufgrund der Massen kein Durchkommen mehr gegeben. Zu den Menschenmassen ist noch das städtische Absperrkonzept hinzugekommen, die Gäste bleiben bewusst weg. Seit den „untragbaren Zuständen“ vor der Tür verbarrikadiert das Ehepaar Padiglia ihr Lokal mit Holzplatten. Mehr als einmal wurden die Schaufenster zerbrochen.

Vor acht Jahren ist das Ehepaar sogar weggezogen, denn „es wurde einfach richtig laut“. Einen vorläufigen Höhepunkt der Ballermann-Atmosphäre erreicht die Straße während und nach der Pandemie. Doch seit anderthalb Jahren etwa stellt die Wirtin eine Entspannung fest.

„Die Stadt ist nachts präsent, die Musik wird schnell abgedreht.“ Auch die Cocktailbars weichen immer öfter neuen Imbissläden. Kürzlich habe die benachbarte langjährige „Soul Bar“ geschlossen, nun soll ein Burgerladen eröffnen, sagt Padiglia. „Es wird immer mehr zur Imbissmeile hier.“ Die Qualität und Vielfalt der Läden leide zwar, aber noch ruhiger werde es dadurch vielleicht. So zumindest die Hoffnung des Ehepaars. „Die Kyffhäuser war früher auch ganz schlimm und ist viel besser geworden“, ist Padiglia zuversichtlich.

Seit 1978 in der Kyffhäuser Straße tätig ist Wirt Lutz Nagrotzki, Inhaber der Piranha-Bar, die dieses Jahr 50-jähriges Bestehen feiert. Auch hier habe es früher neben Kneipen oder Imbiss-Läden mehr Einzelhandel gegeben. Nagrotzki erinnert sich an das Kwartier Latäng als eins der wenigen Ausgehviertel. „In Ehrenfeld gab es damals noch nichts, und die klassischen Veedelskneipen waren eher was für ältere Leute. Für die wirklich vielen Studentinnen und Studenten und jungen Leute gab es dieses Viertel und die Südstadt.“

Heute habe sich das Ausgehverhalten verändert. „Früher war das Treiben unter der Woche deutlich größer als am Wochenende, da fuhren die Studis eher nach Hause. Heute ist unter der Woche kaum was los.“ Das Piranha war anfangs ab zehn bereits zum Frühstück geöffnet, heute wäre das undenkbar. Für Gastronominnen und Gastronomen war es früher lukrativer, sagt Nagrotzki.

Doch auch die Probleme von früher sind ihm noch gut präsent. „Ende der 90er hatte die Kyffhäuser Straße ein Drogenproblem, die Polizistinnen und Polizisten saßen in den Kneipen und beobachteten die Dealerinnen und Dealer. Die Anwohnerinnen und Anwohner schütteten Wasser auf ihre Köpfe. Es gab sogar eine Demo gegen die Drogenszene.“ Eine ehemalige Wirtin der Kyffhäuser Straße erzählt, dass Anfang der Nullerjahre drei Läden wegen Drogen geschlossen wurden. Das ist heute anders.

November 1990, eine schwarz-weiß-Aufnahme der Zülpicher Straße.

November 1990, eine schwarz-weiß-Aufnahme der Zülpicher Straße.

Auch in den 70er- und 80er-Jahren konsumierten Studentinnen und Studenten Drogen im Uni-Viertel. Doch von einem Problem war da laut Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke noch keine Rede. Als „Schutzraum für Studierende“ bezeichnet er das Kwartier Latäng von früher. Hupke lebt seit 51 Jahren im Rathenauviertel. Und war damals selbst Student und Aktivist. „The Dubliners haben hier gespielt, es herrschte das Motto, make love and peace, da war auch noch keine Polizei da, keiner hat sich beschwert.“ In Bars wie dem „Podium“ neben dem Kino – früher „Lupe“, seit 1991 „Off Broadway“ – sei viel gekifft worden, der Rauch quoll hinaus zur Straße.

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke.

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke.

Hupke erinnert an zentrale Gründerfiguren des Kwartier Latängs wie den legendären Walter „Wally“ Bockmayer von der Filmdose, in dessen Fußstapfen Alexander Moll getreten ist, Hubert Heller (Rottweiler/Hellers Brauhaus), Paula Kleinmann (Oma Kleinmann) und Manfred Lennartz (Mannis Rästorang). „Man konnte besser essen als in der Mensa, aber es war dennoch billiger als woanders für Studentinnen und Studenten.“ Ganz so wie im Quartier Latin, dem Uni-Viertel in Paris, wo Hupke seinen Bruder zu Studienzeiten besuchte. Seit den 70er-Jahren ist das Pariser Viertel Namenspate des Kölner Uni-Viertels.

Die Probleme haben laut Hupke mit den Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern angefangen. „Man hat an die vermietet, die am meisten gezahlt haben.“ Er wünscht sich die Leichtigkeit des Seins vom unbeschwerten Studentenviertel zurück. „Diese wiederherzustellen ist die Kunst“, sagt Hupke. „Es muss auch wieder qualitätsvolle Kultur dahin. Ohne Kultur brauchen wir nicht anzufangen.“ (red)